Eigentlich wirkt Sacha Baron Cohens schräge Kunstfigur des kasachischen Reporters wie eine Exhumierung aus der Mottenkiste der TV-Kalauer – doch die Mockumentary spielt mit den Vorurteilen der Zuschauer und könnte sogar den Ausgang der US-Wahl beeinflussen.
Als 2006 der erste „Borat“-Film erschien, tickten die Uhren noch anders: Zwischen der schonungslosen Bloßstellung US-Amerikas als Bananenrepublik und grenzwertigem Klischee-Klamauk legte der britische Satiriker Sacha Baron Cohen einen gekonnten Drahtseilakt hin und der ehemalige „Ali G.“-Darsteller von MTV erlangte Kultstatus.
Nun sind seither einige Jahre ins Land gegangen und der Holzhammer-Humor vergangener Tage steht zunehmend in der Kritik: Insbesondere die Instrumentalisierung rassistischer und antisemitischer Klischees erzeugt im Unterholz der seither gewachsenen Social Media-Landschaft schnell ein Buschfeuer. Dass Sacha Baron Cohen, selbst ein praktizierender Anhänger des jüdischen Glaubens, vor Kontroversem nicht zurückschreckt, beweist er nun in seiner mutigen und zu guter Letzt enorm gelungenen Fortsetzung „Borat: Subsequent Moviefilm“, die seit kurzem bei Amazon Prime Video zu sehen ist.
Zunächst wirkt der Film wie ein hilfloser Versuch, den Erfolg des mittlerweile angestaubt wirkenden Originals ideenlos zu kopieren – und das ist durchaus so gewollt. Baron Cohen zaubert im Verlauf der Mockumentary – mit diversen doppelten Böden – Szenarien aus dem Hut, die selbst im YouTube-Zeitalter nach der tausendsten „Fail Compilation“ im Binge-Modus noch Magengeschwüre der Fremdscham zu erzeugen vermögen. Wer nun glaubt, dass sich der geneigte Zuschauer für den weltfremden Schnurrbartträger aus dem zentralasiatischen Staat schämt, liegt jedoch falsch: Niemand geringerer als Rudy Giuliani, der Welt bekannt als Trump-Anwalt und Ex-Bürgermeister von New York, begibt sich tatsächlich mit Borats vorgeblich minderjähriger Film-Tochter in eine hochkompromittierende Situation.
Da bleibt selbst „Jackass“-Veteranen die Kinnlade offen stehen – dieses Ausmaß an unverhohlener Selbstvernichtung vor der Kamera aus einem gewieften Politiker wie Giuliani herauszukitzeln, ist schlichtweg ein Meisterstück, bei dem die Grenzen zwischen Realität und Satire vollständig zu verschwimmen scheinen: Zwar mag man durchaus glauben, dass dies in Zeiten von Donald Trumps US-Präsidentschaft längst geschehen sei – nur wird mit der oben beschriebenen Szene einer von Trumps wichtigsten Verbündeten kurz vor der Präsidentschaftswahl äußerst effektiv an den Pranger gestellt. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Husarenstücks von Krawall-Satiriker Baron Cohen ist dabei wohl auch alles andere als Zufall.
Ein zusätzlicher Höhepunkt der neuen „Borat“-Eskapade ist die wohl urkomischste Erklärung für die Entstehung und Verbreitung des Coronavirus – welche hier allerdings nicht verraten werden soll. Wer also den neuen „Borat“ genervt nach fünf Minuten wieder abgeschaltet hat, sollte dem hintergründigen Meisterwerk von Sacha Baron Cohen durchaus eine zweite Chance geben – denn das Beste kommt auch hier erst ziemlich zum Schluss.