Wer Mieter ist, kennt das: TV-Übertragungsgebühren werden über die Nebenkosten bezahlt. Die Bundesregierung will das ändern – die Mieter mögen selbst Verträge abschließen mit Netzbetreibern. Doch es gibt Bedenken. Dadurch könnte es teurer werden, monieren Firmen.
Das Wort Umlagefähigkeit klingt nach verstaubtem Bürokratendeutsch – und hat doch eine aktuelle Brisanz für Millionen Mieter. Es geht um Kabelfernsehkosten, die bisher vom Vermieter auf jeden Mieter „umgelegt“ werden können in der Nebenkostenabrechnung – grob gesagt acht Euro pro Monat werden fällig. Zahlen muss jeder, ob er will oder nicht – auch Fernsehverweigerer. Die Bundesregierung will dieses Konzept kippen. Stattdessen soll jeder Haushalt einen eigenen Vertrag abschließen mit dem Netzbetreiber. „Mieter sollen die Chance haben, ihren Anbieter selbst zu wählen“, erklärt das Bundeswirtschaftsministerium.
Das Vorhaben von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wurde im Sommer bekannt. Die Umlagefähigkeit der TV-Kosten über die Nebenkosten soll abgeschafft werden. Damit sollten Mieter von einem nicht mehr „zeitgemäßen Automatismus“ befreit und es soll mehr Wettbewerb entstehen, heißt es im Wirtschaftsministerium: „Mieter sollen künftig nur noch für die Dienste bezahlen, die sie auch tatsächlich nutzen.“ Mit der neuen Regelung würden Mieter von günstigen Wettbewerbspreisen profitieren.
Große Firmen als Nutznießer alter Regeln
Die Kritik an den Plänen wird nun lauter. Firmen wie Vodafone tragen tiefe Sorgenfalten zur Schau. Sie sind bisher Nutznießer der Regelung aus den 80er Jahren, nun fürchten sie um ihre Pfründe – Kunden könnten von Kabel zu Satellit wechseln, oder TV nur noch übers Internet sehen.
Lineares Fernsehen, bei dem sich der Zuschauer nach dem Programm richten und zu einer bestimmten Uhrzeit einschalten muss, gerät angesichts der Abruf-Einstellung („On Demand“) vieler Zuschauer ohnehin etwas aus der Mode. Das Ende der Zahlpflicht von Mietern für einen Fernsehanschluss könnte diesen Trend noch verschärfen.
Für die Netzbetreiber ist das Fernsehgeschäft eine einträgliche Sache – Verträge mit Wohnungsbaugesellschaften und anderen großen Vermietern sind lukrativ, der Verwaltungsaufwand ist gering. „Die Umlagefähigkeit garantiert mehr als 12 Millionen Haushalten ein kostengünstiges und besonders vielfältiges Fernsehangebot“, sagt Thomas Braun, Präsident des Kabelnetzbetreiber-Verbandes Anga.
Bedrohlich schwingen die Betreiber die Preiskeule: Würden Einzelverträge eingeführt, würde der Preis angesichts von höheren Verwaltungskosten deutlich steigen, heißt es von Vodafone – aktuell kostet ein Kabelfernsehvertrag 18 Euro und damit mehr als das Doppelte des bisherigen Preises, der auf alle Mieter umgelegt wird.
Preiserhöhungen drohen sich an
Das vielstimmige Orchester der Kritiker ist mit Vertretern aus ganz unterschiedlichen politischen Ecken besetzt. Reinhard Houben von der FDP-Bundestagsfraktion weist darauf hin, dass Hartz-IV-Empfänger besonders betroffen sind. Denn bisher übernimmt das Amt deren Mietnebenkosten – fielen die TV-Kosten da raus, müssten die Bezieher staatlicher Sozialleistungen das Geld selbst berappen. Vielen wäre das wohl zu teuer – „und dann haben sie keinen direkten Zugang zu Informationen im Fernsehen“, moniert Houben. Sein Bundestagskollege Ralph Lenkert von der Linken ist ebenfalls dagegen. „Eine Gesetzesänderung, die zu einer Preiserhöhung für Bürgerinnen und Bürger führt, lehnen wir ab.“ Er fordert eine Garantie zum kostenlosen Empfang öffentlich-rechtlicher Sender für Jedermann.
Sogar aus Reihen der Regierungskoalition kommt Kritik. So wertet der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup, die Abschaffung der Umlagefähigkeit als „problematisch und keineswegs die sozial gerechtere Lösung“. Auch von Bauministern der Länder und von Landesmedienanstalten werden Bedenken geäußert. Letztere warnen vor Reichweitenverlusten beim TV-Empfang und negativen Auswirkungen auf die Angebotsvielfalt: Kleine Sender, die ihr Programm bisher nur über Kabel anbieten, könnten verschwinden.
Telekom beklagt „Nebenkostenprivileg“
Eine ganz andere Haltung nimmt die Deutsche Telekom ein. Sie ist beim Fernsehkabel außen vor. Theoretisch könnte sie zwar von der Umlagefähigkeit ebenfalls profitieren, da die Vorgabe für alle TV-Übertragungswege gilt. Ihr unter anderem über Telefonkabel übermitteltes Fernsehen spielt am Markt aber keine allzu große Rolle. Klar ist, dass sich die meisten Großkunden für Kabel entscheiden – und nicht für die Telekom. „Die Zwangsabgabe für ein Fernseh-Kupferkabel aus dem letzten Jahrhundert, von der etwa 12,5 Millionen Mieter betroffen sind, muss abgeschafft werden“, heißt es vom Bonner Konzern. Der spricht nicht von Umlagefähigkeit, sondern von „Nebenkostenprivileg“ – ein Vorteil also, den die Konkurrenz hat.
Wird das Nebenkostenprivileg abgeschafft, gibt es mehr Wettbewerb, so die Logik der Telekom – auch zum Vorteil des Verbrauchers. Vorteil? Moment mal – droht nicht eine Preiserhöhung? Die Telekom ist – wie das Wirtschaftsministerium – vom Gegenteil überzeugt: Mehr Wettbewerb am Markt führe zu mehr Angebot und niedrigeren Preisen.
Klar ist, dass sich nur wenige Menschen, die über ihre Miete ohnehin einen Kabelanschluss zahlen müssen, einen weiteren Fernsehzugang gönnen. Klar scheint aber auch, dass die dicken Mengenrabatte für Kabelverträge bei einem Ende der Umlagefähigkeit wegfallen – und dass viele Mieter und Kabelnutzer dann wohl mehr zahlen müssten.
Der Mieterbund nimmt in der Lobbyschlacht eine moderate Haltung ein. Dessen Chef Lukas Siebenkotten plädiert für eine Beibehaltung der Umlagefähigkeit, damit zufriedene Mieter weiterhin Kabelfernsehen beziehen könnten über ihren Vermieter. Unzufriedene Mieter sollten hingegen die Möglichkeit haben, von den Kosten befreit zu werden. „Dann hätten alle Mieter tatsächlich die Wahl, vom wem sie TV und Internet beziehen wollen.“ Der Düsseldorfer VWL-Professor Justus Haucap hält dies aber für wenig praktikabel: Denn je mehr Mieter aussteigen aus dem Vertrag, desto teurer würde der Fernsehbezug.
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