Nach dem Finale der Trash-Serie „Sommerhaus der Stars“ gibt es von RTL selbstkritische Töne. Wie lässt sich das mit dem Sendungskonzept vereinbaren?
Manche werden sich nun erstmal fragen, was das „Sommerhaus der Stars“ eigentlich ist und was genau im Hinblick auf die pseudoprominenten Teilnehmerriege der TV-Produktion eigentlich die Designation „Stars“ rechtfertigt – eine popkulturelle Größenordnung, die offensichtlich seit Humphrey Bogart und Michael Jackson einen Entwertungsprozess durchmachen musste. Doch darum soll es hier nicht gehen. Wer sich vor Fremdscham-Koliken in Acht nimmt, meidet Sendeformate im Privatfernsehen mit ähnlichen Titeln ohnehin zu Recht wie der Teufel das Weihwasser. Inhaltlich müssen kalkulierte Krampf-Kapriolen wie diese eigentlich niemanden wirklich interessieren.
Viel interessanter ist allerdings, dass die Verantwortlichen hinter dem Sendeformat in den Nachwehen der geschmacklichen Tiefpunkt-Bonanza nun teilweise ihre Betroffenheit angesichts der Darbietungen konstatieren, die jüngst über die Fernsehbildschirme geflimmert sind. So ist es geradezu verwunderlich, dass sich aus der entsprechenden Ecke plötzlich bestürzte Stimmen erheben. Schließlich strahlt der gleiche Sender auch seit Jahren äußerst erfolgreich das „Dschungelcamp“ aus, wo ehemalige Lichtgestalten des TV-Boulevards und klamme Ex-Profisportler unter schwersten Würgeanfällen Tierhoden verzehren und sich in Ungeziefer wälzen müssen. Geschmackliche Grenzwerte oder die Wahrung der Menschenwürde scheinen so offensichtlich nicht die wesentlichen Leitlinien der Programmgestaltung von RTL zu definieren.
Dementsprechend ergibt sich eher der Eindruck, dass sich angesichts der dargebotenen Exzesse im „Sommerhaus“ das Fähnchen der Programmgestalter im Gegenwind negativer Zuschauerreaktionen wendet – und nun unter Anführung fadenscheiniger Argumente die zur TV-Unterhaltung dargebotenen Entgleisungen nicht etwa Ergebnis eines programmatischen Kalküls gewesen sein sollen, sondern tatsächlich ein unkontrollierbares Abfallprodukt der Corona-Pandemie: „Man muss die Staffel im Kontext von Corona sehen. Wir haben alle Teilnehmer vorher zwei Wochen in Quarantäne geschickt. Das haben die auch sehr ernsthaft betrieben. Wie schnell sich dann der Funke entzündet hat, als die Gruppe aufeinandergetroffen ist, hat vielleicht damit zu tun“, gab RTL-Unterhaltungschef Kai Sturm dem Portal „Übermedien“ gegenüber zu Protokoll. „Normalerweise gibt es einen langsamen Aufbau, die Teilnehmer beschnuppern sich, lernen sich kennen. Hier ging es direkt am Anfang rund.“
Das klingt nun so, als wäre es nicht Inbegriff des Sendungskonzepts, von zweifelhafter Ruhmsucht getriebene Social Media-Persönlichkeiten und andere Scheinprominente in einer eigenst dafür vorbereiteten Manege aufeinander loszulassen – um dann angesichts jeder Ausfälligkeit im Rahmen entgleisender Menschlichkeit zu jubilieren, die sich infolgedessen darbietet. Gute Manieren und kultivierte Gespräche an einer mit maßvollen Erwachsenen besetzten Tafel sind wohl weniger der Quotentreibstoff, den sich die Macher einer solchen Sendung erhoffen.
Ist die Betroffenheitsnotiz seitens eines Programmverantwortlichen nun ein Eingeständnis des eigenen Versagens? Wohl kaum. Eher zeugt die Distanzierung von den Geschehnissen im „Sommerhaus“ von fehlendem Verantwortungsgefühl für etwas, das vielmehr ein geplante Katastrophe als ein entgleistes Experiment war. Die Glaubwürdigkeit solcher Aussagen muss sich in letzter Konsequenz allerdings am Handeln derjenigen messen lassen, die auch in Zukunft darüber entscheiden, auf welches Pferd man in der Programmgestaltung im Quotenrennen zukünftig setzt.
Wer also in Bestürzung Abstand von TV-Tiefpunkten wie denen im „Sommerhaus“ nehmen und sich dabei nicht der Heuchelei schuldig machen will, muss mit einer Neuausrichtung seiner Sendeformate beweisen, dass es sich bei der Bemühung um Distanz zum eigenen Programm um mehr als nur Öffentlichkeitsarbeit und den Versuch der Schadensbegrenzung handelt.
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- df-Sommerhaus-der-Stars: RTL