Überleben die Fußballkneipen die Corona-Krise? Bei laufenden Kosten und fehlenden Einnahmen steht vielen Wirten das Wasser bereits jetzt bis zum Hals. Der Gastronom Axel Bittner aus Leipzig sprach mit DIGITAL FERNSEHEN über die Nöte und Hoffnungen der Fußball-Kneipiers in Deutschland.
Als DFL-Chef Christian Seifert im März in einer Pressekonferenz die vorläufige Aussetzung des Bundesliga-Spielbetriebs bekannt gab, bezogen sich seine ernsten Worte nicht nur auf das Milliardengeschäft der Profiligen und TV-Rechteinhaber – er erinnerte auch an die zehntausenden Arbeitsplätze und kleineren Betriebe, deren Fortbestand durch die Corona-Maßnahmen akut gefährdet ist.
Im Rahmen der aktuellen Auflagen ruht schließlich nicht nur in den großen Bundesliga-Stadien der Ball, sondern auch auf den Sportplätzen der Amateurvereine – und die angeschlossenen Gastronomen bangen um ihre Existenz: Gasträume stehen bundesweit leer, die Zapfhähne still.
„Wir leben vom Sport“ – Existenzen in Gefahr
Betroffen davon ist auch Axel Bittner (53) aus Leipzig, der vor drei Jahren das „Sportlerheim am Eicholz“ übernahm. Bittner ist mit über zwanzig Jahren Erfahrung bereits ein alter Hase im Gastro-Geschäft und hat schon in Leipzig diverse Kneipen und Restaurants betrieben, bevor es ihn 2017 nach Zwenkau aufs Land zog. In der beschaulichen Kleinstadt, deren wohl berühmtester Sohn der verstorbene TV-Auswanderer „Malle Jens“-Büchner ist, entwickelte sich die urige Sportgastronomie auf dem Gelände des VfB Zwenkau schnell zum Publikumsmagneten – nicht zuletzt aufgrund der Kochkünste von Frau Simone Eibold (46) und der harten Arbeit und Gastfreundlichkeit der Bittners.
Ein echter Familienbetrieb eben: Wenn an sonnigen Tagen das Turniergeschehen auf den Rasenplätzen tobt, arbeiten auch Bittners Vater Detlef (75) und die mittlerweile erwachsenen Kinder im Akkord mit. Nun steht die Hauptsaison ins Haus – und das einzige, was im „Eichholz“ noch läuft, sind die Kosten.
„Man hat keine Rücklagen“
Als Bittner den Laden im März schließen musste, war gerade eine große Warenlieferung gekommen, ein Fußballturnier auf dem Rasen des VfB Zwenkau geplant und der Biergarten des Sportlerheims auf den Ansturm der lokalen Bevölkerung vorbereitet. Dann folgten die bundesweiten Erlässe im Rahmen der Corona-Prävention und hunderte Liter Fassbier mit geringer Haltbarkeitszeit konnten nicht verzapft werden, der Getränkehändler nahm die Ware nicht zurück.
Auch in den heimischen vier Wänden sitzen Axel Bittner und Simone Eibold derzeit auf einer Baustelle. Das Gastronomen-Ehepaar ist erst im vergangenen Jahr aufs Land gezogen, befindet sich mitten im Renovierungsprozess des neuen Eigenheims. Für letzteres hatte Bittner zuvor die Eigentumswohnung in Leipzig aufgegeben – um näher am Betriebsort wohnen zu können.
Mit den Einnahmen aus der Gastronomie, die sich im kleinen Zwenkau im Handumdrehen nicht nur bei Vereinsanhängern des VfB einen hervorragenden Ruf erworben hat, sollten Ausbau und Instandsetzung der Immobilie vorangetrieben werden. Jetzt ist kein Geld für Baumaterialien da – „Man hat keine Rücklagen“, sagt Axel Bittner. Schließlich seien auch weiterhin Löhne zu zahlen und laufende Kosten der stillstehenden Gastronomie zu decken. Und auch das sei bei vollständig ausbleibenden Einnahmen auf Dauer aussichtslos. „In drei Monaten sind wir erledigt“, gibt Bittner nüchtern zu Protokoll.
„Geisterspiele nützen uns nichts“
Die Situation, in der sich Axel Bittner und sein Familienbetrieb befinden, ist derzeit in Deutschland alles andere als ein Einzelfall, die Aussichten sind flächendeckend ungewiss. Während die laufenden Kosten viele kleine Betriebe erdrücken, wird national und auf europäischer Ebene über die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in den Profiligen debattiert – sogenannte „Geisterspiele“ ohne Live-Publikum gelten als wahrscheinlichstes Szenario, sollte der Ball noch im Frühling wieder rollen dürfen.
Für das „Eichholz“ ist eine solche Lösung erstmal kein Hoffnungsschimmer. Schließlich verdient Bittner sein Geld mit der Bewirtung von Stadionbesuchern bei Ligaspielen und Turnieren, sowie während der Ausstrahlung von Bundesliga- und Champions League-Spielen in seinen Gasträumen. Immerhin macht in den vergangenen Jahren der RB Leipzig aus der benachbarten Großstadt international von sich reden und hat es in die KO-Runde der höchsten europäischen Spielklasse geschafft. Die Begegnungen der „roten Bullen“ garantieren Bittner so eigentlich ein volles Haus – wenn er es denn öffnen darf. So wäre eine Fortsetzung der Bundesliga im Geisterspiel-Modus zwar für die Proficlubs und TV-Rechteinhaber ein rettender Ausweg, nicht jedoch für die Fußballkneipen, wenn letztere geschlossen bleiben müssen.
Wie viele Gastwirte ist auch Axel Bittner mit seinem Familienbetrieb davon abhängig, dass die Wirtschaften zeitig ihre Geschäfte weiterführen dürfen, sobald die Corona-Maßnahmen schrittweise gelockert und die Schulen wieder eröffnet werden. Die Zeit arbeitet aber indes gegen die Kneipenbetreiber, die zwar im Rahmen von Kulanzabsprachen mit Pay-TV-Anbieter Sky nicht für ihre Gastro-Pakete zahlen müssen, allerdings ohne weitere Einnahmen von ihren Betriebsausgaben schnell Matt gesetzt werden könnten.
„Der Staat muss helfen“
Eine Soforthilfe des Sächsischen Aufbaubank (SAB) hat Bittner bereits beantragt – gesehen hat er von den als schnell und unbürokratisch angekündigten Geldern jedoch bislang nichts. Und selbst wenn die höchstmöglichen Zuschüsse den Weg doch noch auf Bittners Konto finden, wären diese angesichts der laufenden Kosten und ausbleibenden Tagesumsätze nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Staatliche Hilfen für kleine Betriebe, die unter den Krisenauflagen leiden und existenziell bedroht sind, hält Bittner so für notwendig, damit es ein Leben nach der Krise geben kann.
Angesichts seiner prekären Geschäftslage hofft Axel Bittner auch insbesondere darauf, dass die derzeitigen Corona-Maßnahmen wirken – bevor es für das „Eichholz“ und viele andere Gastronomien zu spät ist.
Bildquelle:
- skygastronomie: Richard W. Schaber