
Der DJ und Rapper Flying Lotus legt mit „Ash“ seinen zweiten abgefahrenen Spielfilm vor. Jetzt kann man den Sci-Fi-Horror streamen.
Oft passiert es nicht mehr, dass ein Horror- und Science-Fiction-Film in so grellen Farben erstrahlt. „Ash“ fühlt sich manchmal so an, als würde man in eine kunterbunte Lavalampe starren, in der beständig neue Formen ineinanderfließen. Immer wieder beginnen die Bilder zu flackern und pulsieren. Sie stürzen ins Dunkel, schummern dann in neuen Vignetten wieder auf. In einigen der exzessivsten Sequenzen arbeitet Flying Lotus mit blendenden Stroboskoplichtern. In knalligen Rottönen erstrahlt dieser Weltraumfilm die meiste Zeit. Zwischendrin mischt sich giftiges Grün in die eher minimalistisch gestalteten Räume. Die Intensität der Farben lässt mitunter ganze Konturen unscharf werden und die Bilder dadurch umso eindrucksvoller erscheinen. Im März feierte der Film seine Weltpremiere beim SXSW-Festival. Jetzt kann man sich direkt im Heimkino bei Prime Video auf dieses besondere Seherlebnis einlassen.
„Ash“ ist jedenfalls mal wieder ein Beweis, dass man keine Riesenbudgets braucht, um stimmungsvolles und bildgewaltiges Genre-Kino auf die Beine zu stellen, und gerade die Stimmung wird hier großgeschrieben. Der neue Film des amerikanischen Musikers und Regisseurs ist eines dieser wabernden, traumwandlerischen Werke, bei denen man auch nichts vermissen würde, wenn es überhaupt nicht mehr um das Erzählen irgendeiner Handlung ginge. Wenn man nur in diesen Farben und Lichtern und flirrenden Elektroklängen, die der Regisseur selbst komponiert hat, schwelgen und ihre Atmosphäre genießen könnte.
Darum geht es in „Ash“
Tatsächlich verliert einen der Film dann etwas, sobald „Ash“ von der Erklärwut gepackt wird und versucht, die Hintergründe seines Sci-Fi-Albtraums aufzudecken. Ohnehin nähert sich Flying Lotus alias Steven Ellison dieses Mal deutlich stärker einem herkömmlichen Erzählkino, als es noch bei seinem ersten Langfilm der Fall war, an dessen Drehbuch er noch selbst mitgeschrieben hatte. „Kuso“ (ebenfalls bei Prime Video erhältlich) war ein gänzlich bizarres, zersplittertes Kaleidoskop an Nonsens-Episoden und audiovisuellen Grenzüberschreitungen. Grob gerahmt war das nur von der Erzählung eines Erdbebens in Los Angeles, bevor man einer Skurrilität nach der anderen begegnete. SM-Spielchen, absurde Arztbesuche, Alienwesen, allerlei Ekelszenarien und zwischendurch einige der psychedelischsten Animationsfilm-Sequenzen, die man sich nur vorstellen kann.
Bei „Ash“ geht es nun weit weniger radikal und im geordneten Rahmen einer Handlung zur Sache. Das lässt ihn womöglich weniger erinnerungswürdig, aber zum Glück nur minimal schwächer erscheinen. Flying Lotus konnte hier auf ein Drehbuch des Schweizers Jonni Remmler zurückgreifen. Am Beginn des Films wacht eine junge Astronautin in einer zerstörten Raumstation auf einem fremden Planeten auf. Die restliche Besatzung liegt tot und entstellt überall verstreut. Blitzartig flackern blutige Erinnerungen Riya (Eiza González) auf, die noch kein erhellendes Ganzes ergeben wollen. Also puzzelt sich der Film Stück für Stück zusammen, was dort in den Weiten des Alls geschehen ist.
Psychedelische „Alien“-Variation
Das alles ist in seinen einzelnen Motiven und Gedanken nicht neu. Um die Suche nach neuen Welten geht es da, um die Zukunft der Menschheit, das Verschmelzen zwischen Lebewesen und Maschinen. Und recht schnell dürfen auch die „Alien“-Anleihen nicht fehlen. Monströse, parasitäre Wesen, die brutal in Körper eindringen oder aus ihnen geborgen werden. Und spätestens hier legt Flying Lotus wieder mit großer Freude an den ekelerregenden Effekten los. Die Kamera kennt kein Halten mehr, begibt sich selbst auf Erkundungsmissionen durch das Körperinnere, das plötzlich neue Welten auf dem Bildschirm entstehen lässt. Und über allem zeichnen sich leuchtende Formationen am Himmel ab und scheinen mit ihrem schlierigen Schimmer alles zu verschlingen.
In solchen Bildern ist „Ash“ letztendlich am stärksten. Dann, wenn er das kosmische Grauen beschwört, in dem Wahn und Wirklichkeit eins werden und die Menschheit diesen übergroßen, bedrohlichen Weiten, Portalen, Monstren und dieser überwältigenden Aura des Fremden erliegen. Auch darum geht es im Sci-Fi-Kino und Flying Lotus meistert die Herausforderung erneut: das Vertraute entstellen und es in ein ästhetisches Faszinosum zwischen allen Zeiten verwandeln.
„Ash“ ist seit dem 24. April 2025 bei Prime Video auf Deutsch und Englisch im Streaming-Abo verfügbar. Weitere Informationen findet man auf der offiziellen Website des Films.
Hinweis: Bei einigen Verlinkungen handelt es sich um Affiliate-Links. Mit einem Kauf über diesen Link erhält DIGITAL FERNSEHEN eine kleine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.