Nach dem unrühmlichen Abgang von Xavier Naidoo bei „DSDS“ wollen die Privatsender RTL und Sat.1 auch mit Bastian Yotta nach dessen PR-Gau nichts mehr zu tun haben – dabei geht es aber mehr um Imagepflege als um Werte.
Zuletzt machten zwei Rauswürfe prominenter TV-Persönlichkeiten bei deutschen Privatsendern Schlagzeilen: RTL trennte sich vom unbelehrbaren Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo und auch Protz-Macho und Z-Promi Sebastian Yotta wird in Zukunft nicht mehr im Programm der Privatsender Sat.1 und RTL zu sehen sein. Die Begründungen dafür sind in sich schlüssig – nur geht es den Sendeanstalten dabei um Imagepflege und Schadensbegrenzung, nicht etwa um die Werte (und Menschen), die von den Geschassten mit Füßen getreten werden.
Wenn Naidoo öffentlich Ressentiments gegen Geflüchtete schürt oder Yotta seiner raubtierhaft-chauvinistischen Weltsicht freien Lauf lässt, ist für die Sender ein Publicity-Gau zu befürchten, wenn nicht eine sofortige Distanzierung von den Übeltätern erfolgt. Sind letztere sicher aus dem Programm entfernt, geht das Geschäft jedoch wieder seinen gewohnten Gang – worin sich die Scheinheiligkeit der Verantwortlichen nahezu peinlich offenbart: Voyeuristische und niederträchtige Trash-Formate, die Menschen zur Belustigung des Fernsehpublikums vorführen und entwürdigen, stehen zu keinem Zeitpunkt auf dem Prüfstand, so lange sie ausreichend Quote liefern.
Frömmlerische Distanzierungen aus der Reihe tanzenden TV-Persönlichkeiten gegenüber sind somit nichts weiter als sogenanntes „Virtue Signaling“: Große Firmen und Medienunternehmen haben längst die progressiven „Trends“ sozialer Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit für sich entdeckt, suchen aber meist nach Wegen, mit Lippenbekenntnissen, Hashtags und gezielt lancierten Kampagnen für Diversität, Humanismus und gegen Diskriminierung die Öffentlichkeit einzulullen, statt den Fokus ihrer Bemühungen auf tatsächliche strukturelle Veränderungen zu richten.
Für Glaubwürdigkeit braucht es Taten statt Tweets
Ein schneller Tweet mit Hashtag gegen Sexismus ist halt schneller abgesetzt, als zahlenden Werbekunden unterbreitet, dass TV-Reklame mit zur Schau gestellten Frauenkörpern in Zukunft nicht mehr laufen wird. Hier ist das Kalkül der Entscheidungsträger recht offensichtlich: Man praktiziert eine Gratwanderung zwischen der Ausschlachtung moralisch zweifelhafter Grenzwertigkeiten und dem gestenhaften Schassen derjenigen, die eben jene Grenzwerte übertreten. So ist man auch nicht per se gegen die Niedertracht in TV-Formaten – ganz im Gegenteil: Formate wie das Dschungelcamp nutzen Voyeurismus und Missgunst als Treibstoff für Quotenerfolge.
Für Glaubwürdigkeit im Kontext progressiver gesellschaftlicher Veränderung müssen die Verantwortlichen im Privatfernsehen deutlich mehr tun, als nur die Spitze des Eisberges kosmetisch abzufeilen – weniger Lippenbekenntnisse und Image-Kosmetik und mehr erkennbare Veränderung in Programm und Werbe-Politik wären da ein würdiger Anfang.
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