„Priscilla“ wirft einen unbequemen Blick auf Elvis Presley

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Elvis und Priscilla Presley im Hochzeits-Outfit
Foto: Philippe Le Sourd/ Venice International Film Festival

Sofia Coppola („Lost in Translation“) erzählt in ihrem neuen Film die Lebensgeschichte von Priscilla Presley und scheut dabei keine Kontroverse.

Sofia Coppola zeigt Szenen einer geraubten Kindheit. Priscilla ist erst 14 Jahre alt, als sie den großen Elvis Presley in Deutschland trifft. In einer Kneipe wird sie von einem Mann angesprochen, der sich als Freund des Kings vorstellt. Also werden die Eltern um Erlaubnis gefragt, welche zunächst gar nicht davon begeistert sind, ihre Tochter der Party-Gesellschaft jenes Stars zu überlassen. Am Ende sind die Neuntklässlerin und der bedeutend ältere Rockmusiker Feuer und Flamme füreinander. Oder doch nicht? Was finden die beiden aneinander überhaupt? Das ist die zentrale, streitbare Frage, die Sofia Coppola in „Priscilla“ aufwirft.

Coppola hat die 1985 veröffentlichte Autobiografie der Presley-Gattin verfilmt. Kein leichtes Unterfangen, schließlich hat dieser Text zwar Boulevard-Berichterstattungen mit viel Skandal-Material gefüttert. Zugleich ist das eine Publikation, die sehr unbeholfen agiert, sich überhaupt ein paar kluge Selbstreflexionen abzuringen. Permanent geht es um die übermenschlich anmutende Ikone Elvis, die zwar im Privatleben allerlei hässliche Seiten erkennen lasst, aber am Ende doch immer wieder gepflegt und wiederhergestellt werden muss. Schließlich lässt es sich mit der Marke Elvis Presley auch heute noch gut leben.

Coppola stand also vor der Herausforderung, all die oberflächlichen Feststellungen, Beschreibungen und Anekdoten einer toxischen Beziehung in eine filmische Form zu bringen. „Priscilla“, der bei den Filmfestspielen von Venedig Premiere feierte und vom Streaming-Anbieter Mubi veröffentlicht wird, beginnt dabei äußerst eindrucksvoll! Er bringt die Welt seiner Protagonistin angemessen düster auf die Leinwand. Coppola begleitet die Desillusionierung einer jugendlichen Schwärmerei.

"Priscilla"-Regisseurin Sofia Coppola
Regisseurin Sofia Coppola Foto: Melodie McDaniel/ Venice International Film Festival

Ein tristes Bild von Graceland

Coppola zeigt die ’50er und ’60er des vergangenen Jahrhunderts in einem beklemmenden Mief, den man lange nicht so ehrlich und desillusionierend in einem Film erleben konnte. Von einer Verklärung dieser Epochen oder ihrer Glamour-Welt ist „Priscilla“ weit entfernt. Auch dann, wenn es ihn nach Las Vegas und nach Graceland, in die wohlhabende Glitzerblase einer Weltberühmtheit verschlägt. Der gesamte Film schummert in herbstlichen Farbtönen. Wenn sich Figuren in Innenräumen aufhalten, dann haftet diesen etwas Dunkles, Unbewohnbares, Kühles an. Beheimaten kann man sich dort nur mit höchster Mühe.

In Zeiten, in denen mit großer Brisanz über Macht und Einfluss berühmter Persönlichkeiten sowie darüber, was selbige sich erlauben dürfen, diskutiert wird, bietet „Priscilla“ einiges an Zündstoff. Sofia Coppola scheut sich nicht, die Kamera draufzuhalten, wie Elvis Presley mit einem Kind intim wird. Wenngleich es, so gibt es die Überlieferung von Priscilla Presley vor, nie zum Geschlechtsverkehr gekommen sein soll, als sie noch minderjährig war. Man kann sich fast sicher sein: Über Coppolas Biopic wird heftig gestritten werden! Gerade bei der Popularität seines Stoffes.

„Priscilla“ erkundet Ambivalenzen

Die Provokation von „Priscilla“ besteht vor allem darin, dass sich die Regisseurin um ein zutiefst ambivalentes Charakterporträt bemüht. Das meint: Sie verweigert sich einer einfachen moralisierenden Standpauke. Sie zeichnet ihre junge Protagonistin als Heranwachsende, die mal mit Naivität, mal aber mit Berechnung den Vorstoß in eine andere Sphäre wagt und dort keine Zufriedenheit im Leben findet.

Natürlich haftet der schrägen Beziehung der beiden Hauptfiguren (besonders aus einer gegenwärtigen Sicht) etwas Fragwürdiges bis Verwerfliches an. Doch Coppola öffnet sich ihr auf vorsichtige Weise, sie zeigt, wie dort zwei eigensinnige Menschen versuchen, ihre Bedürfnisse auszudrücken. Sie entwirft das Bild zweier Menschen, die sich in einer geteilten Erfahrung von Einsamkeit zu trösten versuchen, obwohl sie sich nie auf Augenhöhe begegnen können. Ist das nun bloße Verklärung? Ihr ambivalenter Film spart jedenfalls den Rausch, die Ekstase, das Überlegenheitsgefühl nicht aus, als junges Mädchen aus der Schule zu entschwinden, um sich in eine Welt der Stars zurückzuziehen. Ebenso wenig verschweigt sie all die dunklen Kehrseiten, wenngleich ihre Gewichtung fortwährend Potential einbüßt.

Eine Männerfantasie

In „Priscilla“ schlummert eine bemerkenswerte Kulturkritik. Coppola führt vor, wie das Star-System davon lebt, einen Hauch von Aufstiegsfantasie zu verkaufen und dabei jede Moral hinter sich lässt. Nähe und Teilhabe sind seine unerfüllten Versprechen. Was Priscilla in Elvis‘ Arme treibt, scheint die pure Orientierungslosigkeit in jungen Jahren zu sein. Ein Spiel mit dem Risiko und Abenteuerlichen. Ewiges Büffeln unter der Aufsicht von Nonnen, aber wozu das alles? Was den Musiker indes darauf anspringen lässt, scheint neben sexueller Zuneigung ein Gefühl von Nostalgie und einer Beherrschbarkeit zu sein. Elvis Presley erscheint hier wie eine Raubkatze, die mit ihrer Beute spielt und sie nach Belieben manipuliert. Mit ehrlicher Liebe und Zuneigung geht zugleich die Zerstörung einer Heranwachsenden einher. Frust, sobald diese einmal einen eigenen Kopf beweist.

In Maniküre-Sitzungen, Friseurbesuchen und Shopping-Touren wird Priscilla zu einer Männerfantasie hergerichtet. Ein kleines Mädchen in der aufreizenden Kleidung einer Erwachsenen. Die Haare mit Spray zu Beton gefestigt. Sofia Coppolas Blick auf diese Welt ist durchaus kritisch, obwohl sie zugleich die unbedarfte Perspektive ihrer Protagonistin übernehmen will. Wenn es um das Schaffen einer äußeren Zierde geht, posiert Priscilla in einer Modenschau vor älteren, mächtigen Männern, die über schön und hässlich entscheiden. Sie fügt sich einer dominierenden Struktur, um begehrenswert zu erscheinen, und verpasst lange den Absprung. Das sind Szenen, wie sie bis heute die Entertainment-Welt bestimmen. Man verkauft sie nebenbei auch als Abendunterhaltung im Privatfernsehen.

Priscilla Presley im Auto
Priscilla gerät in den Star-Kult um Elvis Presley. Foto: Philippe Le Sourd/ Venice International Film Festival

Jacob Elordi übertrifft Austin Butler als Elvis

„Priscilla“ schwächelt dann, wenn es darum geht, die diskussionswürdigen Ansätze der ersten Filmhälfte weiterzuverfolgen, ein größeres Zeitpanorama zu entwerfen. Stark ist der erste größere Akt von Coppolas Drama. Solides Schauspielkino ist der Rest. Langeweile und Frust greifen irgendwann im Häuslichen um sich. Priscilla, die Alleingelassene. Elvis zieht von einem Projekt zum nächsten, interessiert sich kaum für seine Frau. In den Zeitungen bespricht man derweil eine vermeintliche Affäre nach der anderen.

Das ist mitreißend verkörpert, im Schauspiel hervorragend geführt und inszeniert! Jacob Elordi gibt einen überraschend zurückhaltenden, aber auch wankelmütigen, reizbaren Elvis. Er wirft einmal einen Stuhl nach seiner Frau, herrscht sie an, wird übergriffig. Im nächsten Moment folgen Entschuldigungen, Weinerlichkeit, auch durch die Beruhigungspillen verursacht, die er schon früh mit seiner Frau zu teilen beginnt. Elordi übertrifft das überdrehte Maskenspiel von Austin Butler in Baz Luhrmanns „Elvis“-Film von 2022 um Längen!

Priscilla und ihre leeren Blicke

Cailee Spaeney verkörpert derweil bestens die Starre ihrer Priscilla-Figur, den Ärger, den sie permanent herunterschlucken muss und am liebsten in die Welt schreien würde. Nur ist die verhandelte Sehnsucht nach einer ganz „normalen“ Liebesbeziehung nicht das Interessante an diesem Stoff – das verkennt Coppola! Er taugt allein zu Klatsch und Tratsch, denkt ohnehin nur in konventionellen Vorstellungen einer Beziehung, geht dem Starkult und seinen Problemen auf den Leim. Sie müht sich reichlich zäh daran ab, die Höhepunkte privater Grausamkeiten aus der Buchvorlage einfach nur abzubilden, anstatt ihnen größere Wahrheiten abzugewinnen.

Einen tiefgreifenderen Kommentar findet sie höchstens in dem ausdrucksstarken Gesicht ihrer Hauptdarstellerin. Wo die Vorlage schlicht mit einer weiteren Relativierung und Huldigung des Superstars endet, bleibt nach Coppolas Film die traurige Leere in Priscillas Augen als Eindruck zurück. Zwar endet diese ausschnitthafte Lebensgeschichte, endet dieser Film mit einem Akt der Emanzipation aus erdrückenden Verhältnissen. Doch da erscheint keine triumphierende Heldin auf der Leinwand. Stattdessen eine verletzte junge Frau, die in ihrer Jugend vielleicht nie eine eigene Persönlichkeit entwickeln konnte. „I will always love you“, wird im Hintergrund weiterhin gesungen. Auch wenn es schwer fällt, das zu glauben.

„Priscilla“ wird im Verleih von Mubi ab dem 26. Dezember 2023 in ausgewählten 35mm-Vorführungen gezeigt und läuft ab dem 4. Januar 2024 bundesweit in den deutschen Kinos.

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18 Kommentare im Forum
  1. Auch 46 Jahren nach seinem Tod wird sich bestimmt noch etwas finden, was man dem King of Rock 'n' Roll negativ anlasten kann. Bei Hubert Aiwanger waren es allerdings nur 35 Jahre.
  2. Ich fand das schon immer ekelhaft und pädophil. Ein erwachsener Mann, der etwas mit einer 14jährigen anfängt, widerlich. Aber hey, kein Problem, er ist ja ein Star, da spielen dann auch ihre Eltern mit. Absolut unbegreiflich. Eine Neuntklässlerin.
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