2021 war mal wieder ein Jahr der Neuaufgüsse – und die meisten davon waren so erfrischend wie lauwarme Fanta ohne Kohlensäure. Als letzter Blockbuster zum Jahresende zeigt „Matrix: Resurrections“ allerdings, dass sich die titelgebenden Auferstehungen tatsächlich auch lohnen können.
Fairerweise muss man sagen: Schon bevor der vierte „Matrix“-Spielfilm in den Kinos startete, war eigentlich klar, dass 2021 im Rückblick nicht als Jahr der gescheiterten Neuauflagen und Fortsetzungen gelten würde. Schließlich war die mit Hochspannung erwartete Neuverfilmung von „Dune“ nicht weniger als eine Offenbarung für Kino-Fans und insbesondere die Anhänger der Literaturvorlage von Frank Herbert fragen sich derzeit allabendlich, wie viel mal sie noch schlafen müssen, bis Denis Villeneuve den zweiten Teil seines Kino-Giganten dröhnend aus der Weltraumwerft auslaufen lässt.
Nach dem belebend mutigen, hinreißend romantischen und zudem souverän selbstironischen Meta-Werk „Matrix: Resurrections“ kann man nun allerdings beherzt konstatieren: Egal wer der neue Bond wird, wie viele geistlose Ausflüge ins Marvel-Universum dem Kino-Publikum noch drohen und auch wenn Daniel Radcliffe irgendwann Batman spielen darf – wir müssen eigentlich keine Angst vor den Wiedergängern haben. Es sind eben nicht alle von ihnen hirnlose Zombies, die aus schierer Ideenlosigkeit und Profitgier von der popkulturellen Resterampe geschubst werden.
Kann eine „Matrix“-Fortsetzung mehr als nur Sakrileg sein?
Als die Wachowski-Geschwister das Kinopublikum vor über 20 Jahren zum ersten Mal in die „Matrix“ entführten, lag die Welt dem Science-Fiction-Meisterwerk widerspruchslos zu Füßen. Schließlich gelingt nur äußerst selten einem Film die Quadratur des Kreises, gleichermaßen philosophischen Tiefgang für das intellektuelle Nischenpublikum als auch visuell bahnbrechende Leinwand-Action für die Massen unverkrampft und stimmig miteinander zu vermählen. Der eigenwillige Cyberpunk-Look der Protagonisten im Kampf gegen den Leviathan der enthemmten Technologie, die unwirklich grünstichigen Bilder und nicht zuletzt bedeutungsschwangere Requisiten wie die viel diskutierte rote Pille prägten die Popkultur der Jahrtausendwende, drückten ihr regelrecht einen Stempel auf. „Matrix“ war fortan Kult – daran konnten auch die qualitativ schwankenden Sequels nichts ändern.
Was kann man nun von einem Film erwarten, der versucht, an die epochale Bedeutsamkeit seines Vorgängers anzuknüpfen? Zugegebenermaßen kommt da in erster Linie die lukrative Beschmutzung des eigenen popkulturellen Andenkens in den Sinn. Doch in diese Falle tappt „Matrix: Resurrections“ zu keinem Zeitpunkt – eigentlich bestand das Risiko dahingehend auch nie. Um das zu verstehen, muss man den Film allerdings anschauen und feststellen, wie viel die vierte Realfilm-Auskopplung der „Matrix“-Reihe seinem Publikum tatsächlich zu sagen hat. Als ehemals zwiespältige Verkünderin des digitalen Zeitalters räumt „Matrix“-Macherin Lana Wachowski nämlich nicht nur mit den toxischen Umdeutungen ihrer Ideen auf, sondern verpasst auch ihrer dystopischen Filmwelt einen Facelift, der sich nicht nur das Gesicht gewaschen hat.
„Matrix: Resurrections“: Es gibt nicht nur dämliche Sequels!
„Matrix: Resurrections“ ist tatsächlich nur an den Punkten eine billige Kopie des Wachowski’schen Ur-Werks (zu sehen derzeit bei Netflix und Sky Ticket), wenn der Film es aus Gründen der Hintersinnigkeit beabsichtigt zu sein. Die ungeheure Dichte an klugen Verweisen und selbstreferenziellen Momenten geht tatsächlich auf kein Containerfrachtschiff und lädt den geneigten Kinobesucher zur Zweit- und Drittbegutachtung ein. Mit traumwandlerischer Meisterhaftigkeit bewegt sich der „Matrix“-Aufguss zwischen bissiger Satire auf das Zeitalter kapitalistisch motivierter Sequels am eigenen Beispiel und einer hemmungslos-postmodernen Mysterygeschichte zwischen Wahn und Wirklichkeit. Hier darf der kultisch verehrte Keanu Reeves sich so wunderbar selbst auf die Schippe nehmen, dass man seinen überforderten Gesichtsausdruck überlebensgroß ausdrucken und sich wohlig glucksend darin einrollen möchte.
Über den konkreten Handlungsverlauf des Films viel zu verraten, wäre an dieser Stelle nahezu ein Verbrechen am potentiellen Zuschauer – deshalb bleibt es bei einer wohlwollenden Empfehlung: Wer in Zeiten von piefigen TV-Aufgüssen („TV Total“, „Wetten, dass..?“) und seelenlosen Superhelden-Verwurstungen („Marvel“ …) endlich mal eine kluge Film-Fortsetzung sehen möchte, die ihre Existenzberichtung bereits nach zwanzig Minuten Laufzeit längst wieder eingespielt hat, sollte „Matrix: Resurrections“ im Kino ansehen.
PS: Wer jetzt immer noch nicht überzeugt ist: Neil Patrick Harris, der legendäre Barney Stinson aus „How I Met your Mother“, spielt eine gar nicht so kleine Rolle im neuen „Matrix“-Film. Das sollte nun aber wirklich reichen.
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Bildquelle:
- matrix-resurrections-neo-mirror: © 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. and Village Roadshow Films (BVI) Limited