Mit „Der Tod war sein Leben“ wagte sich der MDR kürzlich an seine erste UHD-Produktion heran. Da stellen sich natürlich gleich mehrere Fragen. Zum Beispiel: Wie verlief die Arbeit an dem Pionierprojekt und wird es weitere UHD-Filme vom MDR geben? Hierfür sprach DIGITAL FERNSEHEN mit dem für den ersten UHD-Film verantwortlichen MDR-Filmmacher Dirk Heinemann.
Die Produktion ist nicht linear in UHD ausgestrahlt worden, sondern via HbbTV und der handelsüblichen Webseite in ultrahochauflösender Bildqualität verfügbar gemacht worden. Das bedeutet zunächst einmal natürlich eine ungewohnt großen organisatorischen und, da man sich außerdem auf UltraHD-Neuland bewegte, auch technischen Aufwand. Dirk Heinemann weiß aus erster Hand zu berichten, was dabei die größten Herausforderungen gewesen sind und gibt Einblick in die Abläufe der ersten UHD-Produktion des Hauses.
DIGITAL FERNSEHEN (im Folgenden DF): „Der Tod war sein Leben“ ist die erste UHD-Produktion des Hauses gewesen. Wie geht man ein solches Pionierprojekt an?
Dirk Heinemann (im Folgenden DH): „Die zentrale Frage war, welches Potential in UHD bzw. 4K steckt und wie wir es für unseren Film optimal nutzen können. Die etwa vierfach höhere Auflösung im Vergleich zu HD spornte uns an, diese besondere Qualität nicht nur technisch, sondern vor allem dramaturgisch auszuschöpfen. Unser Film ist im Rahmen der Sendereihe „Kripo live – Tätern auf der Spur“ entstanden. Diese Reihe zeichnet sich durch das filmische Nachstellen von Kriminalfällen aus. Der Kameramann Michael Heinz und ich haben dafür eine spezielle Bildsprache bzw. Erzählweise in Spielfilmcharakter entwickelt. So sind innerhalb der Doku inszenierte Kurzkrimis entstanden, die sich an hochwertigen Kinoproduktionen orientieren. Ziel war es, die Fälle so authentisch wie möglich nachzuerzählen. Das ist u. a. durch ein spezielles Lichtkonzept gelungen, bei dem die natürliche Lichtstimmung sozusagen die Hauptrolle spielt.
Beispiel „Fall Hetzel“: Eine Anhalterin kommt beim Sex mit ihrem Fahrer (Hans Hetzel) nachts in einem Wald zu Tode. Die Nachtstimmung ist naturgemäß lichtarm. Für solche und ähnliche Situationen an den Drehorten hat sich der Einsatz der UHD-Technik als „wie für uns gemacht“ erwiesen. Zwar können inzwischen viele Kameras in UHD/4K aufzeichnen. Unter den besagten schwierigen Lichtbedingungen leisten das aber nur High-End-Kameras in der dafür notwendigen Codierung und Farbgenauigkeit, z. B. „Panasonic VaricamLT“, „Panasonic EVA2“ zzgl. Cine-Lenses. Genau diese Technik der Abteilung „Kamera und EB“ des MDR stand uns für die Dreharbeiten zur Verfügung. Aber nicht nur die Reenactments, sondern auch alle anderen Neudrehs an Originalschauplätzen und mit Wegbegleitern Otto Prokops profitierten durchweg von der beschriebenen Bildsprache und Dramaturgie.“
DF: Schaut man auch über den Tellerrand zu anderen Produktion und Sendern, die sich schon auf dem Gebiet ausprobiert haben, und hollt ggf. von dort externe Infos ein, oder ist der Film „built from scratch“, was die UHD-Produktion betrifft?
DH: „Ganz unabhängig von UHD beobachten wir im MDR als modernem Multimediahaus generell und kontinuierlich technische Innovationen auf dem Medienmarkt und sind in unserem konkreten Fall beispielsweise natürlich stets interessiert daran, was sich auf dem Gebiet von Spielfilmen, Reportagen, Dokumentationen und Reenactments aller Art tut und verändert. So gehört das Sondieren von Angeboten aus Kino, Fernsehen und von Streaming-Diensten ganz selbstverständlich mit dazu. Darunter finden sich inzwischen auch viele UHD-Angebote. Was die Besonderheit der ersten kompletten UHD-Produktion des MDR-Fernsehens betrifft, ging es in erster Linie um das Austesten von Workflows bei uns im Sender. Das war Neuland. Die Herangehensweise anderer Vorreiter kann dabei nur bedingt hilfreich sein. Denn jeder Sender hat bei Dreh und Schnitt seine eigens entwickelten Abläufe. Es sollte keine Parallelstruktur entstehen, sondern eine Art und Weise der Produktion, die sich in den „normalen“ Arbeitsalltag integrieren lässt.“
Authentizität durch spezielles Lichtkonzept
DF: Sie sprechen in einem Hintergrundvideo davon, dass die Spielfilm-Aspekte hier und da technischen Aspekten gegenüber hinten an gestellt werden mussten. Können Sie da vielleicht ein Beispiel nennen und welchen technischen Finessen sieht man sich bei einer UHD-Produktion generell ausgesetzt?
DH: „Bei Dreh und Schnitt haben wir in einem Punkt ganz besonders dazugelernt: Der Umgang mit dem Drehmaterial spielt eine große(!) Rolle – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es kommen bei einer UHD-Produktion sehr große Datenmengen zusammen. Die vierfach höhere Auflösung im Vergleich zu HD erzeugt etwa auch das vierfache Datenvolumen. Wenn die Kamera eine Stunde in HD aufnimmt, entstehen etwa 60 Gigabyte. Die gleiche Drehzeit in UHD-Qualität erzeugt rund 250 Gigabyte. Dafür braucht man nicht nur Hochgeschwindigkeits-Datenträger in den Kameras. Zum Drehteam sollte unbedingt auch ein Materialmanager gehören, der sich allein um den Transfer dieser riesigen Datenmengen kümmert. Dazu gehören Festplatten mit entsprechenden Kapazitäten. Das Material muss letztlich im Sender eingespielt werden, damit es am Schnittplatz „landet“. Das alles erfordert hochwertige Datenträger, mehr Organisations- und Zeitaufwand.
Arbeit an „Der Tod war sein Leben“ macht „Mut und Lust auf neue Projekte dieser Art
Auch für die Bearbeitung am Schnittplatz selbst muss etwas mehr Zeit eingeplant werden. Jeder Schnitt, jede Blende und jede grafische Bearbeitung „rechnen“ mitunter etwas länger. Nicht zuletzt hat auch die Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass wir vor allem die Abläufe an den Drehorten immer wieder neu organisieren mussten.“
DF: Der MDR hat ja für die Produktion von „Der Tod war sein Leben“ extra und schneller als geplant einen UHD-Schnittplatz eingerichtet. Dementsprechend soll dieser ja bestimmt noch häufiger genutzt werden. Sind Sie an weiteren UHD-Projekten beteiligt, bzw. gibt es für 2021 Pläne, weitere UHD-Produktionen zu veröffentlichen?
DH: „Unser Film und alles, was wir aus dieser UHD-Produktion gelernt haben, machen Mut und Lust auf neue Projekte dieser Art. Sie werden sicherlich kommen, aber zum jetzigen Zeitpunkt steht noch nichts fest. Der UHD-Schnittplatz ist Teil der besagten neuen Möglichkeiten, die sich in die bisherigen Arbeitsabläufe integrieren lassen. Deshalb steht der Schnittplatz nicht still. Dort können auch Produktionen anderer Art bearbeitet werden. Es ist im MDR der erste Hybrid-Arbeitsplatz für HD- und UHD-Endfertigungen.“
DF: Wie geht man mit dem historischen Bildmaterial um, das verwendet wurde? Sind diese Bilder technisch im Nachhinein aufgewertet worden?
DH: „Es liegt in der Natur der Sache, dass Dokumentationen mit einem gewissen Anteil an Rückblicken auch Archivmaterial beinhalten. Das wirft die Frage auf, ob die erste UHD-Produktion des MDR dafür am besten geeignet ist. Wäre eine Neuproduktion mit hundertprozentigem Anteil an Eigendreh nicht dienlicher gewesen? Mit dieser Überlegung haben wir uns im Vorfeld gründlich auseinandergesetzt und entschieden: Dieser Film ist genau der richtige für unser Vorhaben. Denn gerade auch der Kontrast zum Film- und Videomaterial aus vergangenen Zeiten unterstreicht die Hochwertigkeit von UHD bzw. 4K. Gerade dieser Vergleich bietet die Möglichkeit, den UHD-„Augenschmaus“ buchstäblich noch anschaulicher wertschätzen zu können.
Weitere UHD-Projekte vorstellbar
Trotzdem haben wir das Archivmaterial etwas aufgewertet. Dafür gibt es heutzutage verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel eine Anpassung des ursprünglichen Bildinhalts. Alte Aufnahmen sind häufig im Bildformat 4:3 entstanden. Bei der direkten Übertragung ins heute gängige 16:9-Format würden links und rechts am Bildrand leere Streifen entstehen. Die kann man z.B. einfärben oder unscharf mit dem Material aus der Bildmitte unterlegen. Wir haben uns entschieden, den Fokus zu verändern und technisch etwas „tiefer“ in die Bildmitte einzudringen. Dafür holt man das gesamte Bild etwas dichter heran, so dass die besagten Streifen mit Bild „befüllt“ werden können. Auf diese Weise (ohne wesentlichen Qualitätsverlust) lässt sich der gesamte 16:9-Bildschirm auch für das Archivmaterial nutzen.“
Wie der MDR gegenüber DF festhält, orientiert man sich beim Sender „an den Vorschlägen der Arbeitsgruppe UHD der Produktions- und Technik-Kommission der ARD.“ Vorstellbar sei beispielsweise, „dass der MDR weitere eigene UHD-Projekte realisiert, wenn Drehs an besonderen Orten und oder mit besonderen Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und Politik geplant sind.“
„Der Tod war sein Leben: DDR Gerichtsmediziner Otto Prokop“ war Teil der Reihe „Kripo live“ und wurde am 14. Januar um 20.15 Uhr im MDR Fernsehen ausgestrahlt. Die Doku ist wie von Eigenproduktionen gewohnt auch ein Jahr lang in der Mediathek zu sehen. Darüber hinaus gibt es sie hier auch in UltraHD zum Streamen
Bildquelle:
- MDR begleitet ARD-Serie „Charité“ mit Themenschwerpunkt: MDR
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- prokop: MDR/ Mitteldeutscher Rundfunk