Nachdem die großen Geheimnisse des TV-Jahres jetzt quasi gelüftet sind, stellt sich nur noch die Frage: Was ist ernüchternder – „House of the Dragon“ oder „Die Ringe der Macht“?
Schwer zu sagen – denn die zwei großen Event-Serien, die zum Herbst 2022 bei Amazon Prime Video und Sky nahezu zeitgleich aufgefahren wurden, haben erschreckend viel gemeinsam: Beide Produktionen sind in etablierten Fantasy-Welten angesiedelt, hatten enorm erfolgreiche Vorgänger im Kino und Serienfernsehen – und wollen trotz Protzerei mit teuren Sets, Kostümen und Animationen nicht so recht mit der großen Unterhaltung herausrücken.
Das liegt aber nicht daran, dass die Prequel-Serien zu „Game of Thrones“ und „Der Herr der Ringe“ auf bereits Bekanntes hinausführen und deshalb nichts zu erzählen haben – sondern schlichtweg am mittlerweile völlig abgenutzten Strickmuster der bombastisch-überhöhten Event-Serie. Denn eine solche kann eben nicht ein mal in der Woche eine befriedigende Portion sündhaft teuer produzierten Eskapismus bereitstellen .Nein, sie muss sich schließlich langsam aufblähen und das Publikum über viele kleine Cliffhanger bis zum großen Bums im Staffelfinale und dem Maxi-Cliffhanger danach bei der Stange halten. Spannung muss aufgebaut werden, Bedrohungen sich zusammenbrauen. Somit wird dann auch viel mehr unheilvoll angekündigt als tatsächlich gezeigt und sowohl „Die Ringe der Macht“ und „House of the Dragon“ überspringen dabei nonchalant ganze Jahre oder zwischen tausenden Meilen entfernten Schauplätzen hin und her.
„House of the Dragon“ und “Die Ringe der Macht“: Zähe Delikatessen
Ob in den halbdunklen königlichen Gemächern des Targaryen-Clans, der unterirdischen Zwergenstadt Khazad-dum oder auf der sagenhaften Insel Numenor: Wir bekommen bisher hauptsächlich hinhaltendes Geplänkel zu sehen, das uns auf etwas Großes einstimmen soll. Dabei sind die ersten Staffeln von „House of the Dragon“ und „Die Ringe der Macht“ nun schon zur Hälfte durch. Die beiden Serien-Zugpferde von Amazon und HBO haben damit bereits mehr Spielzeit als ein Fantasy-Kinofilm mit Überlänge auf dem Buckel und trotz großer Sprünge durch Raum und Zeit bedenklich wenig erzählt. Man muss den Hochglanzproduktionen gar eine gewisse Zähigkeit anlasten – und mit sowas holt man das Publikum auch unter großen Franchise-Namen nicht wirklich ab.
Zumindest nicht mehr. Seit den ersten glorreichen Staffeln von „Game of Thrones“ ist schon ein Jahrzehnt vergangen – und das TV-Publikum hat sich an große Sets und hochwertige Produktionen für den kleinen Bildschirm mittlerweile gewöhnt, ist der epischen Endlosigkeit der Premium-Formate vielleicht sogar ein wenig überdrüssig. Wer wartet wirklich noch gerne auf neue Folgen einer schmucken Fantasy-Serie, die nicht so richtig in die Gänge kommt?
Was „Die Ringe der Macht“ und „House of the Dragon“ bisher abgeliefert haben, ist kaum mehr als sündhaft teurer Popanz, der mehr dem Zweck seines eigenen Fortlaufens und einer zweifelhaften Strategie zur Publikumsbindung dient, statt qualitatives Storytelling als oberste Maxime zu heiligen. Man kann das Kalkül dahinter regelrecht schmecken – und das entfremdet nicht nur Hardcore-Fans von Literaturvorlagen, die sich durch jede adaptionsbedingte Anpassung des Stoffs persönlich angegriffen fühlen.
Lieber mittelprächtige Unterhaltung als ganz große Langeweile
Auch der nicht zu unterschätzende Teil des TV-Publikums, der lieber mittelprächtig unterhalten als grandios auf die Folter gespannt wird, ist mit weniger aufgeblähter episodischer Fernsehkost einfach deutlich besser bedient. Ob es Entertainment-Riesen wie HBO oder Amazon stört, wenn sich ein Teil des Publikums genervt abwendet und lieber die ZDF-Mediathek aufruft? Und: Ist das noch recht junge gigantische Event-TV damit schon wieder am Ende? Für manche bestimmt – und die kramen nun abends lieber wieder die „Columbo“-DVDs heraus, drehen die Heizung ein Bisschen auf und legen dafür lieber den einen oder anderen Streamingdienst auf Eis.
Bildquelle:
- Die Ringe der Macht Galadriel: Amazon Studios