Die neuen Folgen der deutschen Noir-Erfolgsshow laufen noch diese Woche im PayTV an – doch ist der Hype vielleicht schon fast vorbei?
Was bisher geschah: „Babylon Berlin“ wurde in mehr als 100 Länder verkauft. Der Soundtrack ist ein Hit. In Berlin gibt es extra Stadtführungen zu den Schauplätzen. Der Tourismusverband und der Senat hängten sich an den Hype, „Babylon Berlin“ wurde zur perfekten Werbung für die Stadt. Der 20er-Jahre-Krimi, ein Sittengemälde der Weimarer Republik, gewann reihenweise Preise und brachte die Mediatheken zum Glühen. Endlich hatte Deutschland eine Serie, die großes Kino war. Kritik gab es auch, dazu später.
Was beim Erfolg half? Die historisch liebevoll gezeichneten Krimis von Volker Kutscher, die Vorlage. Die Regisseure Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries haben den Stoff sehr frei interpretiert, einiges dazu erfunden und mit Wumms inszeniert. Das Zeitkolorit passt gut zum Heute: Ewig locken die wilden 20er Jahre und das legendäre Berliner Nachtleben, damals das „Moka Efti“, heute das „Berghain“.
Und da sind die Hauptdarsteller, passend zur Epoche, besonders Liv Lisa Fries als Nachwuchspolizistin Charlotte Ritter. Die 29-Jährige ist neben Volker Bruch, der Kommissar Gereon Rath spielt, der große Star der Serie. Die Berlinerin ist das moderne Gesicht der 20er Jahre geworden, die Millennial-Antwort auf Marlene Dietrich.
Am 24. Januar kommt die dritte Staffel von „Babylon Berlin“ beim Bezahlsender Sky erstmals ins Fernsehen. Im Herbst ist dann die ARD dran. Vorlage für die neue Staffel ist der zweite Roman der Gereon-Rath-Reihe, „Der stumme Tod“. Wieder gibt es viel Zeitgeistiges. Charlotte Ritter hat es in der Männerwelt der Polizei schwer. In einer Szene hört sie die Kabarettistin Claire Waldoff, die singt „Raus mit den Männern ausm Reichstag“.
Wer beim Start der Serie die Handlung überfrachtet fand: Dieses Mal ist es einfacher. „Babylon Berlin“ ist dichter an die Figuren gerückt. Die Geschichte setzt beim Börsencrash im Herbst 1929 an und geht dann ein paar Wochen zurück. In den Filmstudios von Babelsberg wird die Schauspielerin Betty Winter bei Dreharbeiten von einem Scheinwerfer erschlagen. Ein Phantom mit schwarzem Umhang taucht auf. Die Bosse der Unterwelt mischen mit.
Der Fall Greta Overbeck (Leonie Benesch) geht weiter. Sie ist wegen eines tödlichen Anschlags im Gefängnis und beschuldigt auf einmal die Kommunisten, nicht mehr die Nazis. Es geht außerdem um Spekulationsbetrug, eine scheiternde Beziehung (bei Gereon Rath), eine kranke Schwester (bei Charlotte Ritter) und viel um die Polizei. Der dicke Polizeipräsident Gennat (Udo Samel), eine historisch verbuchte Figur mit dem Spitznamen „Buddha“, serviert Torte wie im Buch. In surrealen Szenen sitzt Rath in der Litfaßsäule bei einem Nervendoktor (Jens Harzer).
Die Regisseure haben von Volker Kutscher viel Freiheit bekommen, darauf legen sie Wert. „Es sind zwei parallele Universen, die Überschneidungen haben“, sagt Achim von Borries im dpa-Interview. „Aber man sollte weder die Romane als Buch zum Film noch die Filme als die Verfilmung des Romans sehen.“
Für seinen Kollegen Henk Handloegten geht es darum, im gleichen Geist zu erzählen. „Was wir an Volker Kutscher, der auch Historiker ist, so sehr schätzen, ist, dass er in der Lage ist, einen in eine andere Zeit zu versetzen. Ich gehe in den Straßen von Berlin herum und erlebe diese Zeit durch die Augen von Figuren.“
Gedreht wurde nicht nur in Filmkulissen, sondern auch im realen Berlin, etwa im Schöneberger Rathaus, im Roten Rathaus und im Körnerpark in Neukölln.
Liv Lisa Fries sagt, dass sie die Kulissen vergisst beim Spielen. Auch der tief sitzende 20er-Jahre-Hut hat seinen Effekt: „Der Himmel über Berlin ist abgeschirmt. Man ist mehr in seinem Fokus, was um einen herum passiert.“ Volker Bruch mochte die Kostüme: „Ich mag die stilvolle, lässige Mode aus der Zeit. In diesen tollen maßgeschneiderten Anzügen habe ich mich sehr wohlgefühlt.“ Ob sich Gereon und Charlotte in den neuen Folgen schon kriegen? Wird noch nicht verraten.
Die Regisseure drehten mit mehr als 200 Darstellern mit Sprechrollen. Es gibt wohl keine andere deutsche Serie, die so hochkarätig besetzt ist, beim Aufzählen muss man Luft holen: Lars Eidinger, Benno Fürmann, Hannah Herzsprung, Mišel Matičević, Fritzi Haberlandt, Jördis Triebel, Karl Markovics, Christian Friedel, Trystan W. Pütter, Thorsten Merten, Godehard Giese, Saskia Rosendahl, Sabin Tambrea, Jacob Matschenz und Martin Wuttke. Unter den Neuzugängen der dritten Staffel ragen besonders Meret Becker (eine in die Jahre gekommene Filmschönheit) und Ronald Zehrfeld (ein brutaler Gangster) heraus.
Wenn man der Serie etwas vorwerfen will, dann dass der Zuschauer das Kulissenhafte nicht immer vergessen kann. Zur Kritik, das Ganze sei zu gewollt, zu männlich, als prahlerisches „Bubenkino“ inszeniert, sagt Achim von Borries: „Die Leute haben diese Sachen geschrieben, nachdem sie zwei Folgen gesehen haben. Es ist jedem unbenommen, es zu sehen, wie er will.“
Der Erfolg wird den Regisseuren wahrscheinlich auch dieses Mal recht geben, selbst wenn der 20er-Jahre-Hype enden sollte. Wie viele Staffeln es noch geben wird, ist offen. „Aber bis zum Jahr 1933 erzählen wir auf jeden Fall“, sagt Henk Handloegten. Die vierte Staffel ist bereits in Planung. Weiteren Stoff gäbe es noch reichlich. Volker Kutscher hat sieben Rath-Bände veröffentlicht.
Am Freitag (24. Januar) wird die dritte Staffel von „Babylon Berlin“ exklusiv bei Sky zu sehen sein.
Bildquelle:
- Sky Babylon Berlin Staffel 3: © Sky Deutschland/Frédéric Batier