Jetzt am 29. August startet „Die Ringe der Macht“ Staffel 2 auf Amazon Prime Video. Die ersten Episoden versprechen reichlich „Der Herr der Ringe“-Flair. Doch wie tiefgehend ist der millionenschwere Zauber?
Diesen Donnerstag (am 29. August) startet „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ nach langer Ankündigungsphase in die zweite Staffel. Die ersten drei Episoden werden am Stück veröffentlicht. Danach geht es mit den restlichen Folgen einzeln weiter, immer donnerstags im wöchentlichen Rhythmus auf Amazon Prime Video. Auf der weltweit ersten Pressevorführung in Berlin konnten wir die ersten beiden Episoden der zweiten Staffel bereits komplett sichten. Zeit also für eine ausführliche Besprechung. Kann die zweite Staffel zum Start überzeugen?
Einen ausführlichen Artikel zu den Interviews mit der Showrunnerin und den Schauspielern der Serie gibt es ebenfalls bei DIGITAL FERNSEHEN.
Diese Probleme aus Staffel 1 dürfen nicht zurückkehren
Zunächst soll eine kleine Rückschau erfolgen. DIGITAL FERNSEHEN hat „Die Ringe der Macht“ ab Serienstart (September 2022) bis zum Abschluss der ersten Staffel begleitet und das mit gemischten Gefühlen. Die anfängliche Hoffnung, dass die auffälligen Mängel sich in einer spannenden Erzählung auflösen würden, blieb unerfüllt. Zu schwerfällig zog sich die Handlung auf unnötig mäandernden Wegen in die Länge, inklusive des halbgaren Versuchs, die klaffenden Lücken mit High-Fantasy-Kitsch und bedeutungsschwangerem Gerede zu kaschieren.
Unsterbliche Elben-Charaktere wie Elrond und Galadriel oder auch die faszinierenden Gesellschaften der Zwerge in den Minen von Khazad-dûm sowie das menschliche Inselkönigreich Númenor glitzerten zunächst verheißungsvoll in der Sonne, blieben in der ersten Staffel aber letztlich eine Hülle, die es erst noch zu füllen gilt. Diese fehlende inhaltliche Tiefe konnte auch das riesige Budget nicht wett machen. Die protzigen CGI-Panoramen verloren nach dem ersten Zauber schnell an Reiz. Sets, Kostüme und Masken waren dagegen hochwertig und gehörten zu den Highlights.
Letztlich war die erste Staffel von „Die Ringe der Macht“ vor allem eines: Ein zäher Prolog, der sich kleinteilig über ganze acht Episoden erstreckte und den Zuschauern nur hier und da ein paar magere Spannungshäppchen vor die Füße warf.
Wo knüpft Staffel 2 an?
Wer die erste Staffel noch nicht gesehen hat und das gerne nachholen möchte, sei an dieser Stelle vor SPOILERN gewarnt!
Obwohl sich der Mensch Halbrand (Charlie Vickers) zum Ende der ersten Staffel vor der Elben-Kriegerin Galadriel (Morfydd Clark) als der dunkle Herrscher Sauron offenbarte, scheint diese Enthüllung ihm zu Beginn der zweiten Staffel sogar in die Hände zu spielen. Die drei Ringe für die Elben wurden bereits geschmiedet. Jetzt fehlen noch die sieben Ringe für die Zwerge und die neun Ringe für die Menschen. In verwandelter Gestalt manipuliert Sauron den Elbenschmied Celebrimbor (Charles Edwards) für seine Zwecke.
Der Elben-Herold Elrond (Robert Aramayo) warnt seinen König Gil-galad (Benjamin Walker) und Heerführerin Galadriel indes vor dem Einsatz der drei Elbenringe, die mit der Hilfe von Saurons Wissen gefertigt wurden. Auch für das edle und unsterbliche Volk sind die Verlockungen der Macht eine reale Gefahr. In den Minen von Khazad-dûm stehen die Zwerge derweil vor großen Herausforderungen. Heftige Erdbeben bedrohen ihr unterirdisches Reich. Ob für Prinz Durin (Owain Arthur) und seine Frau Disa (Sophia Nomvete) die mächtigen Ringe eine Hilfe sein werden?
Andernorts wandert der geheimnisvolle Zauberer (Daniel Weyman) mit dem Haarfuß-Mädchen Nori (Markella Kavenagh) weit nach Osten ins ferne Land Rhûn auf der Suche nach seinem Schicksal. Staffel 2 wird sich also auch darum drehen, wie die Istari (die Zauberer) im zweiten Zeitalter nach Mittelerde kamen. Und natürlich dürfen die Orks unter ihrem Anführer Adar (Sam Hazeldine) nicht vergessen werden, die danach trachten, die Menschen der Südlande weiter zu unterjochen.
Handwerklich auf Blockbuster-Niveau
In puncto Produktionsqualität spielt Staffel 2 von „Die Ringe der Macht“ in der obersten Liga. Besonders lobenswert sind wieder die Kostüme, Masken und die real gebauten Sets. Eine solche Qualität betreffend Design, Material und Anfertigung ist ohne Frage auf dem Niveau eines Kino-Blockbusters. Ebenso gibt es weitschweifige, am Computer generierte Panoramen zu sehen, die zu Beginn der zweiten Staffel erfreulicherweise nicht ganz so überbordend aufgedrückt werden wie noch in Staffel 1. Ein gelungener Orchestral-Soundtrack komplettiert die hochwertige audiovisuelle Präsentation.
Zunächst die guten Nachrichten
Dass es im Sinne der inhaltlichen Qualität nicht ausreicht, ein weltweit populäres Fantasy-Franchise mit mehreren hundert Millionen US-Dollar zu bespielen, hat die erste Staffel von „Die Ringe der Macht“ gezeigt. Daher stellt sich jetzt als erstes die Frage, ob aus den Fehlern für Staffel 2 gelernt wurde. Eine Sichtung der ersten beiden Episoden verleitet in dieser Hinsicht zur vorsichtigen Hoffnung.
„Die Ringe der Macht“ kann zu Beginn von Staffel 2 vor allem dann überzeugen, wenn all die finsteren Dimensionen von Mittelerde im Fokus liegen. Zähnefletschende und messerstechende Orks, die nur Folter und Verstümmelung kennen; vor Mordlust gierig sabbernde Warge (riesige Wölfe), die alles in Fetzen reißen; oder auch neue Einblicke in die immensen göttlichen Kräfte Saurons sorgen für atmosphärische Düsternis.
Kenner von Tolkiens epischer Legendensammlung „Das Silmarillion“ sowie der „Der Herr der Ringe“-Buchtrilogie werden zudem schon in den ersten beiden Episoden so einige Anknüpfungspunkte finden wie beispielsweise den Schiffbauer Círdan (Ben Daniels), der in der Serie erstmals die Bühne betritt, oder den bereits erwähnten Blick ins ferne Ostland Rhûn. Auch dass die Hochmut und Selbtgerechtigkeit der Elben ihre verhängnsivollen Auswirkungen vorzeichnen, gehört zu den vielversprechendsten Aspekten der zweiten Staffel.
Zu den Sorgenkindern
Gründe zur Sorge gibt es nichtsdestotrotz mehrere. Schon in der ersten Staffel gehörte der Handlungsstrang rund um die Zwerge zu den schwächsten der Serie. Ob sich das mit der zweiten Staffel ändern wird, ist ein großes Fragezeichen. Der Möglichkeiten gibt es zwar verschiedene (lauern in den unterirdischen Tiefen doch die größten und ältesten Schrecken), doch hier bleibt „Die Ringe der Macht“ die Einlösung vorerst noch schuldig. Story- und Spannungsaufbau in den Minen von Khazad-dûm sind bisher jedenfalls vage und ziellos. Und das ist symptomatisch für das Grundproblem der gesamten Amazon-Serie, die ihre mannigfaltige Vorlage nicht auszuschöpfen weiß.
Tolkien hat einen einzigarten Fantasy-Kosmos erschaffen. Sein mehrere Epochen umspannendes Werk erzählt vom ewigen Streit göttlicher Kräfte, die von der nordischen Edda inspiriert sind. Vom Aufstieg und Fall großer Königreiche wie Númenor, die an antike Mythen erinnern (Atlantis, Lyonesse). Von der Liebe zur Natur, die durch industriellen Raubbau zugrunde geht. Und nicht zuletzt von verheerendem Kriegsterror. Tolkien selbst musste als junger Offizier der britischen Armee im Jahr 1916 in Somme die blutigste Schlacht des Ersten Weltkrieges miterleben samt all der maschinellen Massenvernichtung, die sich ohne Frage in seiner Gestaltung des Volks der Orks wiederfindet.
Um all die unzähligen Ideen, die seiner Fantasie entströmten, zu Papier zu bringen, reichte ein einziges Leben nicht aus. Das zweite Zeitalter, in dem „Die Ringe der Macht“ angesiedelt ist, ist dabei ausgerechnet jene Ära in Mittelerde, zu der Tolkien bis zu seinem Tod im Jahr 1973 die größten Lücken hinterlassen hat. Diese Lücken zu füllen, ist eine ebenso heikle wie anspuchsvolle Aufgabe. In Staffel 1 haben die Macher von „Die Ringe der Macht“ leider nicht bewiesen, dass sie dieser Aufgabe gewachsen sind.
Kann Staffel 2 das Ruder noch rumreißen?
Die größte Befürchtung lautet demnach, dass die verschiedenen Handlungsstränge zu lange durch einen ausgedehnten Zick-Zack-Kurs stolpern, der letztlich kein klares Ziel vor Augen hat. In den ersten beiden Episoden der zweiten Staffel ist eine solche Zielrichtung tatsächlich immer noch zu wenig greifbar. Viele offene Fragen schließen sich hier an.
Braucht es wirklich die komplette zweite Staffel, um Sauron und Celebrimbor in ihrer Schmiede dabei zuzuschauen, wie sie all die weiteren Ringe anfertigen, wo wir doch längst schon wissen, wer hier an welchen Fäden zieht? Wollen die Orks, die schon ungeduldig ihre Messer wetzen, nicht endlich in großen Schlachten zeigen, warum sie die bedrohlichste Geißel von Mittelerde sind, anstatt nur für kleinteilige Scharmützel aus ihren Gruben zu kriechen?
Und wie lange soll es eigentlich noch dauern, bis der „geheimnisvolle“ Zauberer endlich einmal sein Schicksal egründet, welches Kenner der Bücher und der „Der Herr der Ringe“-Filme schon meilenweit gegen den Wind gerochen haben. Es könnten hier noch weitere Baustellen von „Die Ringe der Macht“ aufgezählt werden, welche in der zweiten Staffel auf eine befriedigende Auflösung warten.
Mit Blick auf die immensen Geldsummen, die Amazon bisher in die Serie gepumpt hat, kann es sich die zweite Staffel nicht leisten, ihr Publikum nach der zähflüssigen ersten Staffel noch länger hinzuhalten. Es kommt auf eine zielstrebige Entwicklung der Geschichte an. Die vielen verschiedenen Handlungsstränge müssen möglichst rasch einen gemeinsamen Knotenpunkt finden.
Die ersten beiden Folgen von Staffel 2 versprechen jetzt schon mehr Spannung und Tragweite als die gesamte erste Staffel. Wenn die künftigen Episoden das Erzähltempo zügig anziehen und jenes großflächige Spiel um die Macht über ganz Mittelerde nicht unnötig in alle Winde zerstreuen, könnte noch eine reelle Chance für einen nachhaltigen Erfolg dieses sündhaft teuren Großprojekts bestehen.
Wir bei DIGITAL FENRSEHEN werden im Laufe des Kommenden verfolgen, wie genau es mit „Die Ringe der Macht“ weiter geht.
Bildquelle:
- Die Ringe der Macht – Numenor: Amazon