Ultrakurzdistanzprojektoren liegen im Trend und trotz des stolzen Verkaufspreises versucht LG mit dem HU85LS, die goldene Mitte am Markt zu besetzen.
Bei einem Projektor für knapp 6000 Euro sprechen wir von der goldenen Mitte? Ja, denn abgespeckte, aber durchaus ähnliche Modelle werden für knapp 3 000 Euro angeboten, während High-End-Lösungen fünfstellige Preise erreichen. Dass der HU85LS zwischen diesen beiden Welten wandert, zeigt sich bei der verbauten Technik. Der DMD-Chip liefert keine native 4K-Auflösung, aber mehr Pixel und Fläche als es bei günstigeren DLP-Projektoren der Fall ist. Zudem entfällt das DLP-typische Farbrad. Stattdessen setzt LG auf Laserlicht und es werden hohe Sättigungswerte im Blau- und Rottonbereich erreicht, während grüne Farbtöne durch einen Filter weniger satt erscheinen. Dies schränkt auch den messbaren HDR-Farbraum ein: LGs DCI-Angabe konnten wir im Test nicht erreichen. Dennoch erfüllt der HU85LS die HDR-Norm, und obwohl der Projektor keine Rekordwerte im Vergleich zu günstigeren Beamern aufstellt, so gelingt eine außerordentlich leuchtstarke Wiedergabe. Damit die Bildleistung nicht verpufft, sollten Sie solch einen Projektor nicht einfach nur mit einer weißen Wand oder einem Standard-Leinwandtuch nutzen. Stattdessen soll das von unten projizierte Licht über feine Lamellen nach vorn umgelenkt werden, während von oben einfallendes Licht geblockt wird.
Passende Leinwände werden häufig mit CLR (Deckenlichtabsorption), ALR (Umgebungslichtabsorption) oder UST (geeignet für Ultrakurzdistanzprojektoren) beworben. In unserem Fall musste eine Optoma ALR 101 Leinwand für knapp 1 400 Euro herhalten, die eigentlich wie maßgeschneidert für den HU85LS ausfallen sollte. Trotz eines Lichtreflexionsfaktors von nur 0,6 erreichten wir eine punktuelle Helligkeit von knapp 120 Nits bei beeindruckenden 100 Zoll Bilddiagonale. Dies entspricht gängigen HDR-Standards in echten Kinosälen, ist aber natürlich kein Vergleich zur Leuchtstärke, die moderne Flachbildfernseher wie zum Beispiel OLED-TVs von LG erreichen. Der positive Effekt solch einer kontrastoptimierten Leinwand zeigt sich vor allem im beleuchteten Raum: Gegenüber einer weißen Oberfläche konnten wir den Bildkontrast um Faktor 10 steigern, schwarze Bildbereiche zeigten trotz dunkelgrauer Wiedergabe alle Details. Dies macht den HU85LS zum idealen Spielpartner für moderne Wohnzimmer, in denen riesige Dimensionen jenseits der TV-Norm angestrebt werden. Doch so einfach die Aufstellung und Handhabung erscheint, so komplex ist die Installation des HU85LS in den ersten Minuten.
Ultra-ultra-kurz
Selbst nach UST-Beamer-Maßstäben ist der Abstand des HU85LS zur Leinwand als ultragering zu bezeichnen. Dies sorgt zugleich für das größte Problem bei der Einrichtung: Der Projektionswinkel ist derart steil, dass der HU85LS Probleme wie Verzerrungen am oberen Bildrand, Fokusunterschiede und Hotspoteffekte begünstigt. Selbst unsere UST-Leinwand von Optoma war für den HU85LS nicht optimal geeignet, weshalb Sie den Projektor am besten beim Fachhändler erstehen sollten, inklusive einer bestmöglich darauf zugeschnittenen Leinwand. Auch die Aufstellung ist eine Herausforderung: Jeder Millimeter entscheidet darüber, ob das Bild verzerrungsfrei und durchgängig scharf erscheint, und da sich der Fokus nur manuell über ein Rädchen am Beamer justieren lässt, verlangt die Aufstellung des Projektors und die Anbringung der Leinwand an der vorgegebenen Stelle viel Geschick – buchen Sie den Installationsservice am besten gleich mit. Zwar wirbt LG mit nachträglichen Trapezkorrekturen, doch halten wir von solchen digitalen Eingriffen nichts, denn diese mindern die Bildqualität. Die gute Nachricht: Wenn sich am Ende alles harmonisch zusammenfügt, ist der HU85LS der womöglich praktischste Projektor seiner Klasse, denn LG wendet hier alle Smart-TV-Tricks der hauseigenen Fernseher an.
Smarter Projektor
Schon die beleuchtete Fernbedienung, die eine Mauszeigersteuerung über Handbewegungen ermöglicht, macht deutlich, dass dieser Projektor mehr kann als ein typischer Heimkinobeamer. Verbinden Sie den HU85LS mit dem Internet, können Sie auf die beliebtesten Streaming-Apps zurückgreifen. In den meisten Fällen zeigte der HU85LS eine 4K-HDR-Bildqualität, einzig bei der Netflix-App war im Test nur eine HD-Qualität erzielbar (aber ebenfalls mit HDR-Dynamikumfang). Externe Quellen wie UHD-Player oder Gaming-Konsolen wie PS4 Pro und Xbox One X können in 4K-HDR-Qualität bei bis zu 60 Bildern pro Sekunde zuspielen. HDMI-Quellen werden vom Projektor automatisch erkannt und die HDMI-CEC-Steuerung erleichtert die Bedienung. Zudem unterstützt der HU85LS die automatische Umschaltung in den Spielmodus, sobald ein Videospiel gestartet wird. Leider fällt die Eingabeverzögerung zu hoch aus (circa 72 ms im Spiel- beziehungsweise 150 ms im TV-Modus). PC-Fans können über das Anschlussschema in den PC-Modus für eine fehlerfreie RGB-Wiedergabe umschalten und auch beliebte Zwischenauflösungen wie 1 440p nutzen. Der ebenfalls aktivierbare 120-Hz-Modus zeigte allerdings keine positiven Auswirkungen auf die Bildqualität und die Eingabeverzögerung war weiterhin zu hoch. Im Gegensatz zu vergleichbaren Projektoren unterstützt der HU85LS leider keine 3D-Signale. Spielen Sie in HDR-Qualität zu, kommt dagegen eine LG-Spezialität zum Tragen: Der HU85LS ermöglicht eine dynamische HDR-Nachbearbeitung, die das interne HDR-Tone-Mapping in Echtzeit auf den XXL-Dynamikumfang der Quelle (HDR10-Format) abstimmt und dies Szene für Szene (auch im Spielmodus). Schalten Sie die das dynamische Tone-Mapping aus, brennen HDR-Lichter deutlich aus, weshalb die Aktivierung der Funktion Pflichtprogramm für eine originalgetreue Bildwiedergabe ist. Auch für Streaming-Fans hat LG effektive Filter an Bord, um zum Beispiel Banding-Artefakte, hervorgerufen durch stark komprimierte Videoquellen, zu glätten und Rauschmuster zu mindern.
TV-Ersatz?
Obwohl die Handhabung kaum von einem Flachbild-TV zu unterscheiden ist und der HU85LS sehr schnell ein- und ausgeschaltet werden kann, fällt im Detail auf, dass die Umschreibung „TV-Ersatz“ noch etwas zu hoch gegriffen ist. So sind die Zifferntasten der Fernbedienung mangels verbauter Tuner fast bedeutungslos, die integrierten Lautsprecher klingen trotz XXL-Beamer-Gehäuse zu blechern (den Projektor als Center-Channel einzubinden ist nicht möglich) und eine stufenlose Helligkeitsanpassung findet man im Bildmenü nicht. Stattdessen sorgen die Energiespareinstellungen für die Drosselung der Helligkeit, dabei verschiebt sich allerdings die Farbtemperatur, was eine gesonderte Bildkalibrierung erfordert. Generell sollten Sie einen derartigen Projektor optimal vom Fachmann kalibrieren lassen, wenn Sie eine neutrale Farbtemperaturwiedergabe schätzen. In den meisten Bildkategorien weiß der HU85LS dagegen „Out-of-the-Box“ zu überzeugen. So ist die beworbene 4K-Wiedergabe keine Marketingfloskel, sondern die DLP-XPR-Technik ist tatsächlich in der Lage, knapp 8 Millionen Pixel in beeindruckender Schärfe anzuzeigen. Durch den etwas größeren DMD-Chip zeigen sich feinste 4K-Details flackerfreier als mit günstigeren 4K-DLP-Projektoren. Die Bewegtbildschärfe rangiert zwar nur auf 60-Hz-Niveau, doch die Zwischenbildberechnung ermöglicht flüssigere Filmbilder (native 24p-Wiedergabe im Test nicht optimal) und Nachzieheffekte haben Sie nicht zu befürchten. Einzig leicht verfärbte Doppelkonturen können bei sehr schnellen Objektbewegungen auftreten. Die Laserlichtquelle und der Wegfall des Farbrads ermöglichen trotz Single-Chip-Projektion blitzschnelle Farbwechsel, was den DLP-typischen Regenbogeneffekt deutlich minimiert. Dennoch konnten wir im Test auch mit dem HU85LS teilweise Farbblitzer wahrnehmen. Die Schwarzdarstellung ist für Räume mit Restlicht ausreichend, aber nicht mit spezialisierten Heimkinobeamern vergleichbar, wohingegen die erzielbare Lichtleistung auch für 100-Zoll-Leinwände ausreichend Reserven bietet.
Neues Spielfeld
Selten war ein Beamer-Test so faszinierend und erfrischend anders: Mit Laserlichtquelle und Ultrakurzdistanzobjektiv ist der HU85LS wie gemacht für einen Wohnzimmereinsatz und typische Einschränkungen einer Beamer-Installation, wie die Gefahr, in den Lichtweg des Beamers zu geraten und unerwünschte Schatten zu erzeugen, sind mit dieser Technologie Geschichte. Als TV-Ersatz lassen wir den HU85LS aber dennoch nicht durchgehen, denn dafür sind die HDMI-Schnittstellen zu sparsam ausgeführt, die Tonqualität der integrierten Lautsprecher ist nicht gut genug und die Bildqualität gegenüber ähnlich teuren 77-Zoll-OLED-TVs wie dem LG C9 ist schlichtweg nicht auf Augenhöhe. Zudem ist die Qualität einer solchen Installation zum Großteil von der passenden Leinwand abhängig. Doch unter der Maßgabe, dass es sich hierbei um einen Ersatz für einen konventionellen Projektor handelt, begeistert das Konzept umso mehr: LG zeigt mit dem HU85LS das Großbildpotential für die Wohnzimmer der Zukunft auf, und gerade unter Nachhaltigkeits- und Energiesparaspekten dürfte es schwierig werden, in der 100-Zoll-Klasse etwas Vergleichbares auf die Beine zu stellen.
Einstellungen für ein natürliches Bild
- Bildmodus: Kino, Spiel oder Experte
- Kontrast: 90 – 100
- Helligkeit: 50 – 53
- Schärfe: 15
- Farbtiefe: 50
- Farbton: 0
- Dyn. Kontrast: Aus oder Niedrig
- Dynamic Tone Mapping: Ein (nur HDR-Quelle)
- Super Resolution: Mittel
- Farbumfang: Automatisch oder Erweitert (SDR)
- Farbfilter: Aus
- Gamma: 2.2 oder 2.4
- Farbtemperatur: Standard oder Warm
- Rauschunterdr.: Aus oder Niedrig
- MPEG-Rauschunterdr.: Aus
- Glatte Abstufung: Niedrig
- Schwarzwert: Niedrig
- Echtes Kino: Ein (24p-Inhalte, Trumotion Aus)
- Trumotion: Klar oder Aus
- Bildformat: 16:9 oder Original, Just Scan: Ein
- Energiesparen: Minimum
Bildquelle:
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