Gespräch mit einem „außergewöhnlichen“ Menschen
Selbst im unaufhörlichen „Pina“-Promotion-Marathon der Berlinale schafft es dieser Mann, einer profanen Fragerunde unter Journalisten etwas Intimes und Familiäres zu verleihen. In seiner unnachahmlich ruhigen und besonnenen Art zeigt er wirklich etwas von dem, was den Menschen Wim Wenders bewegt und was den Filmemacher in ihm dazu anspornt, sein Inneres immer wieder auf der Leinwand mit dem Kinopublikum zu teilen. Entdecken Sie einen auflergewöhnlichen Film im Interview mit einem auflergewöhnlichen Menschen!
Herr Wenders, was für Worte fallen Ihnen spontan ein, wenn Sie sich an Pina Bausch erinnern?
Pina war ein Mensch, der nicht besonders an Worten gehangen hat. Sie hat eine andere Sprache erfunden und fest an sie geglaubt, hat ihr Instrument für diese Sprache – ihren Blick – so geschärft, dass sie unsere Worte wirklich wenig verwendet hat. Sie hat sie fast verlernt.
Ist bei den ersten Probenbesuchen noch mit ihr gedreht worden?
Nein, ich habe da nie gedreht, ich hatte Pina nie vor der Kamera. Die Woche, in der wir mit dem ganzen 3D-Team in Wuppertal waren und zum ersten Mal mit ihren Tänzern und auch mit ihr drehen wollten – damit sie das versteht, damit sie es sehen kann –, das war die erste Juli-Woche 2009. Wir waren in unserem Büro, die Kameras waren alle schon verpackt. Zwei Tage später wollten wir in Wuppertal anfangen und da war Pina gestorben.
Ist aus der leicht melancholischen Pina durch die lustvolle Zusammenarbeit mit den Tänzern ein fröhlicherer Mensch geworden?
Wenn man Pina kannte… sie war kein Kind von Traurigkeit. Sie hat gern gefeiert, viel gelacht. Bei den Proben war für mich das Erstaunlichste, wie viel die gelacht haben. Ihre Art, mit Trauer und auch mit dem Tod umzugehen, war, mit dem Tanz etwas dagegenzusetzen. Das haben wir uns mit dem Film auch zum Vorbild genommen.
Hängt damit auch der etwas kryptische Untertitel des Films zusammen?
Das hat damit viel zu tun, das war ein bisschen Pinas Motto. Es gab diese Geschichte, die sie mir mal erzählt hat, von diesem Zigeunermädchen in Griechenland, diesem Kreis aus Tanzenden, in den sie hineingezogen wurde, obwohl sie eigentlich nur zuschauen wollte. Da hat das Mädchen dann in gebrochenem Englisch gesagt: „Dance, dance, we are lost!“ Das ist vor langer Zeit gewesen – Pina hat das sehr beeindruckt und das war immer auch ein Wahlspruch für sie. Wir müssen tanzen, sonst sind wir verloren.
Die Tänzer und die Choreografie sind schon sehr ausdrucksstark. Warum bedarf es zusätzlich noch der 3D-Technik?
Tänzer sind in der Tat sehr ausdrucksstark und zwar auf eine Art und Weise und mit einer ansteckenden Körperlichkeit, die ich innig geliebt habe und die mich tief ins Mark getroffen hat. Ich habe mich zum ersten Mal beteiligt gefühlt beim Tanz – beim Ballett ist mir das nie passiert. Pina hat mich wirklich beteiligt, doch diese Unmittelbarkeit und Körperlichkeit der Tänzer, die war mir als Filmemacher dann verwehrt. Mit meinen Kameras stand ich wie vor einer großen Wand: Die waren dahinter und ich war nicht in deren Reich, in deren Raum. Es war wie verhext. Ich wusste nicht, dass mir 3D fehlt, ich wusste nur, irgendwie kam ich nicht ran. Auch das Studium von anderen Tanzfilmen hat mir eigentlich nur bewiesen: Die wussten auch nicht, wie man da reinkommt, in dieses Königreich. Erst das Dreidimensionale hat mir dann die Türen aufgemacht.
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