Western-Special, Seite 2
Der Gehetzte der Sierra Madre
Nicht nur Corbuccis „Django“ hat seiner Zeit das Kinopublikum verblüfft und unsere Vorstellung vom Film nachhaltig geprägt. Vor allem der Meisterregisseur Sergio Leone revolutionierte in den 1960ern mit seinen Werken („Spiel mir das Lied vom Tod“) die sich etwas leerlaufende Gattung des Westernfilms und war Mitbegründer des Italowesterns.
Als Fan seiner Filme wird man schon in den ersten Sekunden von „Der Gehetzte der Sierra Madre“ (Regisseur Sergio Sollima) einen wohligen Schauer spüren. Die charakteristische Musik Ennio Morricones und der typische Stil des Vorspanns, wie man ihn schon aus „Für eine Handvoll Dollar“ kennt, machen Lust auf das Kommende. Die Hetzjagd durch die Sierra Madre besitzt vieles, was wir an den klassischen Vertretern des Genres lieben.
Das fängt schon beim einschlägig vorbelasteten Hauptdarsteller Lee Van Cleef („Für ein paar Dollar mehr“) an. Als Meisterschütze Jonathan Corbett erhält er den Auftrag, einen mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder aufzuspüren. Der besagte, flüchtige Mexikaner Cuchillo Sanchez (Tomás Milián) ist allerdings mit allen Wassern gewaschen und schlüpft dem erfahrenen Kopfgeldjäger ein ums andere Mal durch die Finger. Doch Corbett hat einen eisernen Willen.
Die Italiener können es einfach
Wer in den 1960er Jahren Italiener war und mit Vornamen Sergio hieß, der konnte wohl nicht anders, als kultverdächtige Western-Filme zu drehen. Neben Leone und Corbucci tat dies auch Sergio Sollima, der uns in seinem Film zwei Gegenspieler präsentiert, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Der stahlharte Lee Van Cleef einerseits, dessen Opfer schon aus Ehrfurcht umfallen, bevor er überhaupt seinen Revolver zieht. Und der gewitzte Tomás Milián, der bereits damals den jungen verspielten und ausgebufften Helden des heutigen Actionkinos vorwegnimmt.
Das ungleiche aber ebenbürtige Duo macht bei jedem Zusammentreffen Freude, vor allem weil der episodenhafte Stil der actionreichen Verfolgungsjagd mit immer neuen Ideen aufwartet. So führt die Reise von einem Mormonen-Treck, in dem Cuchillo sich versteckt, über eine einsame Ranch mit einer nymphomanisch veranlagten Witwe als Inhaberin, bis in eine Gefängniszelle in Mexiko. Abwechslung ist so definitiv geboten und sogar die alt bekannte, aber durchaus überzeugende Kapitalismuskritik am skrupellosen Industriellen kommt nicht zu kurz.
Da verschmerzt man auch den dumpfen und oft übersteuerten Klang, der die wahrhaft einnehmende Wirkung von Morricones Kompositionen leider in ihrer vollen Pracht beschneidet. Dafür ist das Bild ordentlich scharf und kontrastreich und der neuen Blu-ray-Fassung würdig. Nur ein leichtes Rauschen fällt auf und manchmal etwas ausgewaschene Farben. Wen das aber immer noch stört, der wird am Ende mit einem wahrhaft fulminanten Showdown entlohnt – oder waren es nicht sogar zwei?