Funktionsprinzip erklärt
Raumklang ohne Surround-Setup: Geht das überhaupt? Viele Hersteller bieten mittlerweile Lösungen an, um dem Zuhörer einen umhüllenden Klang zu bieten, ohne Lautsprecher im ganzen Raum zu verteilen. Doch wie funktioniert das?
Keiner der menschlichen Sinne ist so omnipräsent wie das Gehör. Man hört ständig – ob bewusst oder unterbewusst. Selbst wenn man schläft, sind die Ohren wach. Der Grund ist ein ganz pragmatischer: Akustische Signale warnen seit jeher vor Gefahren. So ist es nicht nur wichtig, dass der Mensch gelernt hat, Geräusche zu deuten und zu erkennen, sondern auch zu lokalisieren, wo deren Quelle liegt um entsprechend reagieren zu können. Ob in der Natur oder im Straßenverkehr, das Gehör ist stets aktiv und weist auf potenzielle Bedrohungen hin.
Im heimischen Wohnzimmer oder im Kino sind die Gefahrenquellen natürlich minimiert, deshalb kann man sich gemütlich in den Sessel setzen und entspannt einen Film anschauen- und hören. Dennoch bleiben die Funktionen des Ohrs aktiv. So kommen wir in den Genuss von Klangerlebnissen in Surround- und mittlerweile sogar 3D-Sound und können Signale relativ zuverlässig an bestimmten Punkten vor, hinter und über uns verorten.
Dass dies funktioniert obwohl wir nur zwei Ohren haben, verdanken wir deren Feinheit im Aufbau und der Fähigkeit des Gehirns, blitzschnell tausende Informationen zu verarbeiten. Wird ein Schallereignis ausgelöst, verbreitet sich der Schall wellenförmig im Raum und dringt so auch in beide Gehörgänge. Jedoch mit feinen Veränderungen: Das Signal wird um den Kopf herum gebeugt, Schall wird vom Körper und dem Kopf reflektiert, die Laufzeit und Lautstärke sind minimal verändert. Durch die spezielle Form des Außenohrs ändert sich auch das Spektrum des Klangs in bestimmten Frequenzen, den blauertschen Bändern, und wirkt dadurch wie ein richtungsabhängiger Filter. Das alles filtert das Gehirn und setzt diese äußeren Einflüsse in eine Richtungsinformation um. Das Wissen um diese Zusammenhänge wird in der Tontechnik beispielsweise eingesetzt, um bestimmte Ereignisse an unterschiedlichen Positionen im Schallfeld zu platzieren.
Bei der Stereofonie kommt diese Anwendung der Psychoakustik durch den Einsatz von Phantomschallquellen und Tiefenstaffelung zum Tragen. Wir hören Signale aus der Mitte, obwohl sich dort kein zusätzlicher Lautsprecher befindet. Auf eben diese psychoakustischen Effekte stützt sich auch Virtual Surround in entsprechend erweiterter Form. Hier werden Phantomschallquellen erzeugt, welche sich über den gesamten Raum verteilen. Um dem Eindruck eines vollständigen 5.1-Systems möglichst nahe zu kommen, werden von den Entwicklern eine Reihe aufwendiger Testverfahren durchgeführt. Beispielsweise werden an einem künstlichen Torso, speziell im Ohrbereich, überall kleine Mikrofone befestigt, welche den einfallenden Schall und die Reflexionen messen. Die gewonnenen Daten werden dann von einem Computer ausgewertet und in einen Algorithmus umgesetzt, der das vom ursprünglichen 5.1-Setup entstandene Soundfeld ausschließlich mit Frontlautsprechern möglichst wirklichkeitsnah reproduzieren soll.
Diese Reproduktion kann grundlegend auf zwei verschiedene Varianten reduziert werden. Frontsurround- Systeme auf 2.1-Basis arbeiten mit zwei Frontlautsprechern und einem Effektprozessor (DSP). Letzterer bereitet das ursprüngliche Surround-Eingangssignal mittels der errechneten Algorithmen auf. Schließlich wandelt es dieser DSP mittels Signalfaltung, gezielter Auslöschung bestimmter Klanganteile (Crosstalk Cancellation) und Anhebung von Frequenzen aus den eben schon erwähnten blauertschen Bändern in ein Stereo-Signal um, das ein Klangfeld mit Surroundeindruck erzeugt. Die zweite Variante sind Schallprojektoren. Diese haben zusätzlich zu den beiden Stereo-Lautsprechern außerdem Treiber, die den Schall nach außen an die Seitenwände des Raumes abstrahlen. Über die Reflexion von den Wänden und eine ebenfalls von einem DSP errechnete Laufzeitverzögerung der Signale wird so die Illusion erzeugt, der Schall käme von hinten. Während die erste Variante meist nur mit Klang umhüllt, lassen Schallprojektoren je nach Gegebenheiten des Raums und Sitzposition tatsächlich auch konkrete Ereignisse an der Seite und hinter dem Zuhörer erscheinen. Bei einigen Modellen muss zunächst der Raum eingemessen werden, diese erzielen aber mitunter erstaunliche Ergebnisse in der Surround-Darstellung.
Jedoch sind beide Techniken in ihren Möglichkeiten begrenzt und nur bedingt in der Lage, konkret lokalisierbare Schallereignisse zu erzeugen. Die Unterschiede in der menschlichen Anatomie, wie Ohrabstand und Beschaffenheit des Außenohrs, machen es zudem mit den genormten Testverfahren und den gemittelten Werten nahezu unmöglich, den Höreindruck für jeden gleich zu gestalten. Bei dieser Art der Surround-Darstellung ist es außerdem noch wichtiger im Sweet Spot zu sitzen, als in einer tatsächlichen 5.1-Umgebung. Durch die Berechnungen und überlagerungen von Schallwellen kommt aus zudem oft zu Phasenverschiebungen, was mitunter störende Effekte erzeugt. So sind Virtual-Surround-Systeme nach wie vor stets nur ein Kompromiss zwischen Surround-Effekt und Platzersparnis, jedoch werden die Methoden und die zugehörige Technik ständig verbessert, sodass die Kompromissbereitschaft länger den Verzicht auf guten und vollen Klang erfordert.
(Tobias Häußler)