Spiegelreflex oder Camcorder?

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Spiegelreflex oder Camcorder?, Teil 2

Haltungsnoten

Betrachtet man beide Konkurrenten rein äußerlich, stellt sich jedoch eine ganz andere Frage: ist die Spiegelreflexkamera wirklich für die Aufnahme bewegter Bilder geschaffen? Die Konstruktion beider Geräte weicht stark voneinander ab, Canons Spiegelreflexkamera wurde ursprünglich nicht für den Filmschaffenden, sondern eher für den Fotografen konzipiert. Das breite Gehäuse und die zentrierte Optik sollen dabei helfen, schnell und intuitiv das richtige Motiv zu finden und abzudrücken. Für eine lang anhaltende Sequenz von Bildern ist dieser Geräteaufbau nicht geeignet, dies merkt man bereits, wenn ein kleines Teleobjektiv zum Einsatz kommt. Durch die Kopflastigkeit des Aufbaus droht die Kamera ständig nach vorn zu neigen. Dies wird bei längeren Einstellungen zum Kraftakt und die Gefahr, dass die Aufnahmen verwackeln, ist groß.
 
Der Sony-Camcorder ist in dieser Beziehung ausgewogener konstruiert. Dabei zeigten sich die Entwickler besonders kreativ, sodass Mikrofonhalterung und Sucher gleichzeitig als Haltegriff fungieren. Dadurch wird der Camcorder vom Kameramann automatisch in der Nähe des Schwerpunkts gehalten, was weitaus weniger anstrengend ist und auch längere Freihandaufnahmen erlaubt. Zwar erzeugt das mitgelieferte mächtige Telemakro-Objektiv (18–200 Millimeter) ebenfalls eine leichte Kopflastigkeit, diese fällt im Gegensatz zur Spiegelreflexkamera von Canon aber weitaus weniger ins Gewicht und lässt sich bei Bedarf durch ein kleineres Objektiv oder den optional erhältlichen größeren Akku ausgleichen. Nach einem längeren (Hand-)Kameratag wird der Filmer mit dem Sony-Camcorder wesentlich ausgeruhter sein, während Kameramänner mit der Spiegelreflexkamera wesentlich mehr Sorgfalt in die Filmaufnahme legen und den Filmdreh vorausschauend planen müssen.

Pro Camcorder

Während der Aufnahme mit der Spiegelreflexkamera steht kein Autofokus zur Verfügung, weshalb Sie die Schärfe vor der Aufnahme exakt justieren müssen und schnellen Objekten nur schwer folgen können. Einzig manuell darf nachfokussiert werden, was auf dem kleinen Display eher einem Ratespiel entspricht und zudem im Handkamerabetrieb nur schwer möglich ist, da der Filmer dauerhaft zum Fokusring am Objektiv greifen muss. Canons 5D bietet im Einstellungsmenü eine Automatikfunktion an, welche beim Betätigen des Auslösers selbstständig den Fokus sucht und erst dann, nach einer kleinen Verzögerung, die Aufnahme startet. Durch den Sucher können Sie während der Videoaufnahme nicht blicken, weil die Filmaufnahme nur im Live-View-Modus mit hochgeklapptem Spiegel funktioniert.
 
Hier empfiehlt sich ein Hilfsmonitor, der dank HDMI-Ausgang an der Kamera angeschlossen wird. Zusätzlich fehlt Canons 5D eine Peak-Funktion, die im Display durch Fehlfarben den Schärfebereich signalisiert. Hier zeigt sich Sonys Camcorder wesentlich flexibler. Dieser erlaubt während der Aufnahme die Schärfe automatisch anzugleichen und Hilfsmittel, wie z. B. das Zebramuster, weisen auf überbelichtete Bereiche hin. Darüber hinaus verfügt das Gerät über einen ausklappbaren und drehbaren Bildschirm, sodass Sie das Geschehen vor der Kamera begutachtet können. Zusätzlich dürfen Sie jederzeit den elektronischen Sucher bemühen, der sogar eine höhere Auflösung als das Klappdisplay aufweist.
 
Das letzte Detail, auf das der DSLR-Filmer im Gegensatz zum Camcorder- Nutzer achten muss, ist die Szenenlänge. Speziell bei Canons 5D ist die maximale Aufnahmedauer eines Clips eingeschränkt, die Filmdatei darf nicht größer als vier Gigabyte (GB) werden. Erreichen Sie während eines Drehs diese Größe, stoppt die Aufnahme. Berücksichtigt man, dass die Full-HD-Aufnahme rund 40 Megabit pro Sekunde benötigt, ist dies bereits nach 15 Minuten der Fall. Der Sony-Camcorder kennt diese Einschränkung nicht und kann dank SDXC-Speicherkartenunterstützung riesige Datenmengen aufnehmen. Aufseiten der Nachbearbeitung der Clips werden Unterschiede zwischen beiden Gerätetypen geringer. Die Canon 5D beherrscht die Aufnahme in 24 oder 25 Vollbildern im Quicktime-MOV-Format, wobei das Videomaterial als aktueller h.264-Codec im Videocontainer abgelegt wird.
 
Ein Import in ein Schnittprogramm ist somit unproblematisch. Einzig die Nachsynchronisierung bereitet Probleme: Da die Spiegelreflexkamera keinen Timecode einbettet, kann das Herstellen von Lippensynchronität zum Problem werden. Hier ist Sonys Camcorder im Vorteil, dieser erlaubt jedoch nur die Speicherung von Halbbildern im AVCHD-Format. Die technischen Parameter der Bildqualität ähneln sich trotz unterschiedlicher Formate. Beide Kontrahenten zeigen kräftige Farben, hohe Schärfe und ein geringes Bildrauschen unter schlechten Lichtbedingungen. Im Test zeigten die Testkandidaten jedoch Aliasing-Artefakte, was dem Herunterskalieren vom großen Sensor auf das Full-HD-Format geschuldet ist.

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