Spezialeffekte, Teil 9
Zweite Realität
Die Grenzen zwischen Realität und virtuellem Effekt verschwimmen zunehmend. Heutige Videospiele wie der interaktive Thriller „Heavy Rain“ unterscheiden sich kaum noch von den Blockbustern Hollywoods. Umgekehrt substituieren Filme wie „Beowulf“ (2007) oder „Avatar“ (2009) die Realaufnahmen durch komplett künstliche Welten. Der momentan vorherrschende 3-D-Hype in den Kinos und die voranschreitende Entwicklung hochwertiger Computergrafiken verschieben die Verhältnisse zwischen klassischen Filmdrehs und der Postproduktion. Letzterer wird bei vielen Monumentalfilmen wesentlich mehr Zeit eingeräumt als dem Dreh selbst.
Und der Boom solcher Effektfeuerwerke reißt nicht ab. Aktuelle Blockbuster wie „Alice im Wunderland“ beweisen erneut, dass in ein paar Jahren nicht mehr nach den paar Brocken CGI im Film gesucht wird, sondern eher nach den letzten verbleibenden Realaufnahmen. Bezeichnenderweise erscheint am 8. April 2010 das effektgeladene Remake des Harryhausen-Klassikers „Kampf der Titanen“. Statt Stop-Motion-Monstern gibt es diesmal virtuelle Figuren zu bewundern, unter anderem einen gigantischen Riesenkraken, der in bester „God Of War“-Manier aus dem Meer auftaucht, um dem Pegasus-Reiter Perseus die Hölle heiß zu machen – oder sollte man lieber sagen, den Hades?
Louis Leterriers Kreativteam setzt derzeit alles daran, die Kreaturen der griechischen Mythologie auf die große Leinwand zu holen. Skorpione und Harpyien gehören zum Standardrepertoire. Wie im Original kommt der Medusa mit ihrem tödlichen Blick und dem Schlangenhaupt eine Schlüsselrolle zu. Wegen des zu hohen Aufwands bei der Animation ließ Ray Harryhausen im Original von 1981 den dritten Kopf des Zerberus einfach weg. Glücklicherweise dürften die heutigen Künstler nicht mehr vor diesem Problem stehen, weshalb wir in der Neuverfilmung wohl mit einem vollwertigen Höllenhund rechnen dürfen.
Ansonsten bestand Leterrier auf reale Umgebungen und drehte mit seinen Darstellern auf Teneriffa, in Äthiopien, London und Wales. Noch liefern die Greenscreen-Montagen mit computergenerierten Umgebungen nämlich ein wahrnehmbar künstliches Flair. Im Unterschied zu früheren Monumentalfilmen wurden für die Massenschlachten allerdings „nur“ mehrere Hundert Komparsen benötigt und die restlichen Heerscharen am Computer ergänzt.