Source Code, Teil 2
Besinnung auf Bewährtes
Nun ist Duncan Jones seit seinem stimmungsreichen Erstlingswerk „Moon“ kein unbeschriebenes Blatt mehr. Als Nachwuchsregisseur zeigt David Bowies Sohn ganz Hollywood, was die Filmemacherzunft im Laufe der Jahre offenbar verlernt hat: und zwar, dass saubere Kameraeinstellungen, ruhige Schnitte und ein omnipräsenter Musikscore, der die Gefühle der Zuschauer perfekt leitet, eine unglaubliche Stimmung erzeugen können, deren Mischung an die goldenen 1960er Jahre erinnert.
Duncan Jones‘ Erzählstil und -tempo sind hier mehr als effi zient, sodass kein Filmmoment verschwendet scheint. Zugleich bleibt stets genügend Zeit, um das ganze Szenario zu erfassen. Von zu schnellen Schnitten nimmt Jones weitestgehend Abstand, auch erinnern die meisten Einstellungen in ihrer Aussagekraft und ästhetischen Symmetrie z. B. an Stanley Kubricks „The Shining“, so ruhig und stark zelebriert er die einzelnen Kamerafahrten.
Das Szenario selbst wiederum ruft unweigerlich Sidney Lumets legendäre Agatha-Christie-Verfilmung „Mord im Orient Express“ auf den Plan, was dem Film unheimlich guttut. An einigen Stellen gibt es sogar ein kluges Rätselraten bezüglich des Täters, das genretypisch bis zum Selbstverdacht reicht. Allzu sehr bewegt sich „Source Code“ dann allerdings doch nicht in den Krimigefilden, das würde vermutlich zu weit führen. Stattdessen reizt der Film das Trial-and-Error-Schema komplett aus, um die Thriller-Handlung voranzutreiben und sie zu einem unerwartet ruhigen, intelligenten und daher völlig Hollywood-untypischen Ende zu führen. Duncan Jones hat damit jedenfalls sein Spezialgebiet markiert und baut mit diesem Film seine Fan-Gemeinschaft weiterhin kräftig aus.
Alpha Memory – Erinnerungssequenz
Merkwürdigerweise war es Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal, der mit Ben Ripleys Skript unterm Arm auf Duncan Jones zuging und ihm vorschlug, den Stoff gemeinsam zu verfilmen. Kurios deshalb, weil der Science-Fiction-Stoff erneut sehr gut in Jones‘ Repertoire passt. So gut, dass man vermuten könnte, er selbst hätte den Stoff kreiert. Sein Verdienst an der von ihm bearbeiteten Handlung ist aber ebenfalls der Rede wert.
Es ist das Quäntchen Humor, das aus der bierernsten Thriller-Vorlage einen sympathischen Film mit lockerer Note macht. Dass „Source Code“ einen Ton trifft, den es heute nur noch in den seltensten Fällen gibt, ist also der engen Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Hauptdarsteller zu verdanken – einer Kooperation, wie sie bei jedem guten Projekt vorherrschen sollte. Aber auch die kleinen Seitenhiebe auf die Vorbilder des Films dürften Genrekenner begeistern.
Statt einer Spoiler-Meldung verraten wir Ihnen nur so viel: Im Origialton hören Sie an einer gewissen Stelle durch ein Telefon Scott Bakula („Zurück in die Vergangenheit“, „Star Trek: Enterprise“), der schon in den 1990ern so einige Erfahrungen mit Zeitsprüngen sammeln konnte. Er ist quasi eine Art Vorreiter für Jake Gyllenhaal, dessen Filmseele hier zum ersten Mal gegen den Uhrzeigersinn wandert. Und vielleicht gibt es ja in nicht allzu ferner Zukunft auch einen Serienableger zu „Source Code“. Das Ende lässt diese Option durchaus zu.