Teilweise enorme Zeitunterschiede
Der große Reiz des Fernsehens liegt in Live-Übertragungen. Sie geben uns die Gelegenheit, wichtige Ereignisse im selben Augenblick vom Wohnzimmerstuhl zu erleben, während diese irgendwo auf der Welt geschehen. Egal, ob es sich um den Fußball-Weltmeister-Titel, ausgesuchte Konzerte, oder Live-TV-Shows handelt. Sie alle sorgen für besonders hohe Einschaltziffern.
Wie live Livesendungen aber tatsächlich sind, wird von der Technik bestimmt. Sie sorgt für mitunter nicht unerhebliche Verzögerungen. Womit der Freudenrausch im Stadion nach einem geschossenen Tor längst schon verstummt sein kann, bis das Tor über unsere Mattscheiben flimmert.
Erste Live-Sendungen
Live-Sendungen gibt es genau genommen so lange, wie es das Fernsehen gibt. Denn zu seiner Anfangszeit vor etwa 80 Jahren, konnte man noch keine Sendungen aufzeichnen. So wurden etwa im deutschen TV der 1930er-Jahre selbst mehrfach ausgestrahlte Theaterstücke jedes mal live gespielt. Womit auf keine Aufführung exakt der vorangegangenen glich. Die Olympischen Sommerspiele in Berlin 1936 waren die ersten, die live im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Zumindest fast. Denn die damaligen TV-Kameras waren noch nicht für Aufnahmen im Freien geeignet. So bediente man sich eines kleinen, aber genialen Kunstgriffs. Auf den Dächern von LKWs wurden herkömmliche Filmkameras montiert.
Die Veranstaltungen wurden zunächst auf normalen Film aufgenommen. Der Filmstreifen blieb aber nicht in der Kamera, sondern wurde unmittelbar über einen lichtdichten Kanal ins Innere des Fahrzeugs geleitet, wo der bereits belichtete Teil der Filmrolle sofort entwickelt wurde. Unmittelbar nach dem entwickeln, wurde der noch feuchte Film in einem Filmabtaster in ein Fernsehsignal umgewandelt. Auf diese Weise konnte man das Geschehen mit einer damals vernachlässigbaren Verzögerung von 30 bis 90 Sekunden ausstrahlen. Entsprechend später jubelte das Publikum in den Berliner Fernsehstuben, als im Stadion.
Echtes Live-Fernsehen
Echtes Live-Fernsehen fand nur im analogen Fernsehen statt, so wie es bis etwa zur Jahrtausendwende über unsere Mattscheiben flimmerte. Das konnte man früher während abendlicher Sommer-Spaziergänge bestens beobachten. Wurde währenddessen ein Fußballspiel übertragen, hörte man aus allen Fenstern gleichzeitig die Jubelschreie der Zuschauer. Egal, ob diese ihre Programme über die Dachantenne oder das Kabel empfingen. Ein weiteres Beispiel für diesen Gleichklang im TV konnte man früher in den großen Elektro-Fachmärkten erleben. Auf den ausgestellten Fernsehern flimmerten die TV-Bilder absolut synchron über die Mattscheiben.
Erinnern Sie sich noch an die Fernsehuhr? Sie gab es in grauer Vorzeit unmittelbar vor Sendungsbeginn oder etwa vor den Nachrichten zu sehen. Nach ihr haben viele von uns unsere Uhren gestellt. Die Zeit der Fernsehuhr war ein Synonym für die „echte“ Zeit. Genauso, wie der Gong, vor den Radio-Nachrichten. Das verschwinden der Fernsehuhr haben wir zwei technischen Errungenschaften zu verdanken. Einmal der fortschreitenden Verbreitung des Satelliten-Fernsehens und der Digitalisierung.
Sat-TV
Analoges terrestrisches Fernsehen war deswegen live, weil die Verarbeitung und Ausstrahlung der TV-Signale quasi ohne Verzögerung stattfand. Vom TV-Sender zu uns brauchte es nur etwa eine halbe tausendstel Sekunde (bei einer Entfernung zum Sender von 150 km). Was der Verbreitungsgeschwindigkeit von Rundfunksignalen mit einer Lichtgeschwindigkeit von rund 300 000 km/s entspricht. Unsere Fernsehsatelliten fliegen in rund 36 000 km Höhe. Bevor uns ein Fernsehbild erreicht, hat es bereits mindestens 72 000 km zurückgelegt. Wozu es etwa 0,24 Sekunden benötigt. Bei Live-Übertragungen wird ein TV-Signal in der Regel zweimal über den Satelliten geschickt. Zuerst vom Ort des Geschehens als überspielung über einen ersten Satelliten zum TV-Studio. Dort wird es in das laufende Programm eingebunden und wieder zum Direktempfangssatelliten, wie unseren Astra, hochgeschickt. Bis wir das Signal empfangen, hat es bereits eine halbe Sekunde gebraucht.
Tatsächlich ist die Verzögerung zwischen einem Ereignis und dem Augenblick, bei dem es am TV zu sehen ist, weitaus größer. Die Digitaltechnik sorgt auf dem Weg der Signalverarbeitung für weitere Verzögerungen. Im Zuge einer im Fernsehen übertragenen Live-Veranstaltung in der Nähe unseres Büros, konnten wir den Funkkanal des Regieplatzes zu den einzelnen Kameras empfangen. über ihn haben wir bereits Ereignisse gehört, die erst 4 Sekunden später am Bildschirm zu sehen waren. Wobei hier die 0,5 Sekunden für den zweimaligen Weg über Satelliten zu vernachlässigen sind. Weitaus größeren Anteil an der Zeitverzögerung haben Encoder, Multiplexer und Co. Also digitales Equipment, das zur Umwandlung der digitalen Rohsignale bis zur Ausstrahlung in einem Multiplex benötigt wird.