Raumklang im Heimkino, Teil 3
Räumliches Hören
Dass das Surround-Prinzip so funktioniert, wie wir es kennen und wir Effekte um unseren Kopf herum wahrnehmen können, haben wir unserem Gehör zu verdanken. Dessen Funktionsweise zur Schallwahrnehmung ist heutzutage weitestgehend erforscht, wodurch die Hersteller für Unterhaltungselektronik bei der Entwicklung neuester Geräte auf psychoakustische Eigen schaften zurückgreifen können. Damit sich die Richtungsangaben eindeutig zuordnen lassen, platziert man den menschlichen Kopf gedanklich in einem dreidimensionalen Raum und teilt diesen in drei Ebenen auf: Die Horizontalebene, die Frontalebene und die Medianebene sind die drei unabhängigen Ausgangspunkte.
Erstere liegt in der Horizontalen und beschreibt den linken, rechten, hinteren und vorderen Bereich. Die Frontal ebene verläuft um die Ohren und Kopfplatte herum und bezeichnet die linke, rechte, obere und untere Seite. Die Medianebene, die sich von der Nase bis zum Hinterkopf erstreckt, beinhaltet die Signalbereiche vorne, hinten, oben und unten. Diese drei Ebenen sind die Grundlage unserer Schalllokalisation, die von weiteren Faktoren abhängig ist.
Dazu zählen Laufzeitdifferenzen und Pegelunterschiede zwischen den Ohren, Betonungen bestimmter Frequenzbereiche sowie der Bekanntheitsgrad des Schallereignisses. Auch Einbrüche durch frühe Reflexionen an der Ohrmuschel sind für unsere Lokalisation von Bedeutung. In der Horizontalebene erfolgt die Richtungsbestimmung hauptsächlich durch Laufzeit- und Pegeldifferenzen zwischen den Ohren. In Blickrichtung können wir Signale ab einem Winkel von 2 bis 3 Grad voneinander unterscheiden.
Wie in der oberen Abbildung zu erkennen ist, erreicht das Signal einer Schallquelle, die sich nicht direkt vor uns befindet, das ihm zugewandte Ohr früher, als das ihm abgewandte. Ebenso trifft das Schallereignis direkt auf das ihm zugewandte Ohr ein, während es auf dem Weg zum abgewandten einen Umweg um den Kopf herum nehmen muss. Durch die ungleichen Streckenverhältnisse entsteht ein Laufzeitunterschied. Auch Pegeldifferenzen spielen für unsere Lokalisationsqualitäten eine entscheidende Rolle. Das der Schallquelle abgewandte Ohr wird durch den Kopf abgeschattet und bekommt somit weniger Pegelinformationen als das ihr zugewandte Ohr.
Phantomschallquelle
Egal ob bei der Stereo- oder der Surround-Wiedergabe, ohne den akustischen Umstand der Phantomschallquelle wäre ein richtungsunabhängiges Hören und eine vom Lautsprecher losgelöste Musikwiedergabe kaum möglich. Unter dem Begriff „Phantomschallquelle“ versteht man das Hören eines Schallereignisses aus einer Richtung, in der sich kein Lautsprecher befindet. Wären wir nicht bereits durch unsere Hörerfahrungen ausreichend geschult, dass die Lokalisation eines Audiosignals zwischen zwei Lautsprechern möglich ist, sollte man glauben, dass man auch dabei auf einen Lautsprecher angewiesen ist.
Die Grundvoraussetzung für dieses akustische Prinzip sind zwei einzelne Lautsprecher, zwischen denen sich die Phantomschallquelle bilden kann. Beide Schallwandler müssen zudem das gleiche Signal, unabhängig von Laufzeit- und Pegelunterschieden, wiedergeben. Strahlen beide in Blickrichtung ab, ist der Aufbau eines Stereodreiecks möglich. Ebenso ist die Bildung einer Phantomschallquelle möglich, indem man bei einem 7.1-Surround-System zwei zusätzliche Rückkanallautsprecher hinter dem Hörer positioniert.
Problematisch ist hingegen die seitliche Aufstellung der Lautsprecher, wie sie bei einem 5.1-Surround-System laut ITU (International Telecommunication Union) empfohlen wird. Seitliche Phantomschallquellen werden ungenauer dargestellt und in ihrer Richtungswiedergabe als instabiler wahrgenommen. Aus diesem Grund sind Schallereignisse, die zwischen dem linken Front- und dem linken Surround-Lautsprecher dargestellt werden, für uns schwieriger zu lokalisieren und in ihrer räumlichen Tiefe einzuschätzen, als wir es von der Darstellung direkt vor oder hinter einem Lautsprecher kennen.
Deshalb ist es mit den bisherigen Surround-Systemen noch nicht möglich, eine exakte 360-Grad-Darstellung mit gleichbleibender Lokalisations- und Tiefendarstellung zu erreichen. Eine Übertragungsform, die dies weitestgehend ermöglicht, ist die Wellenfeldsynthese, die aufgrund ihrer hohen Anzahl an Lautsprechern bisher jedoch nicht auf das Heimkino übertragbar ist.