„Pina“ – das innovative 3D-Tanzspektakel im Kino, Teil 2
Die Öffnung des Raumes
Trailer zum Film
Oft nur in sehr subtilen Bewegungen schwebt, schwingt und verfolgt die 3D-Kamera die Künstler bei ihren artistischen Choreografien. Ästhetisch gesehen wird kaum eine Spielart ausgelassen die Männer und Frauen unterschiedlichster Herkunft auf den Tiefenebenen im Raum darzustellen. Hierbei fungieren die spartanischen aber aufwendigen Bühnenbilder als stille Erzähler, die die Macht der Elemente in jede Darstellung integrieren. So scheint das Wasser in kleinsten Tröpfchen direkt aus der Leinwand zu spritzen, sobald sich die Tänzer rutschend, springend oder tretend im nassen Element auslassen. Auch die aufgebahrte Erde auf der Bühne erscheint zum greifen nahe, schwebt doch das Kameraauge in diesen Sequenzen nur sehr dicht über dem Boden.
Als sinnvolle und abwechslungsreiche Erholung von den räumlich beengten Theateraufführungen, begibt sich das Szenario regelmäßig ins Wuppertaler Umland, was geradezu als Befreiungsschlag für die Augen wirkt. Hier wird auf offener Straße bei schönstem Sonnenschein getanzt, während im Hintergrund kunterbunte Autos fahren. Eine kurze Slapstick-Sequenz in der Wuppertaler Schwebebahn lockert die gespannte Haltung ein wenig auf, als Vorbereitung auf das nächste choreographische Wunderwerk. Die frische Sommerbrise fegt einem förmlich um die Nase, wenn einer der Tänzer die Steilpassagen eines Tagebaus erklimmt. Im Glashaus beginnt die Kamera zu rotieren, nahezu alles gehört hier plötzlich zur Schwindel erregenden Performance.
Berauschend schön und mittendrin
Kurzum ist die Bildsprache des Films enorm und zollt damit der ästhetischen Körpersprache seiner Akteure den gebührenden Respekt. Die symbolische Farbgestaltung und die phänomenale Musik tragen das ihrige dazu bei, dass „Pina“ zu den aufregendsten 3D-Projekten dieses Jahres gehört. Die Emotionen fliegen nur so dahin und lassen den Zuschauer an etwas teilhaben, das viele Autoren und Filmschaffenden schon seit Ewigkeiten suchen: Die Inszenierung einer neuen, interkulturellen Sprache, die Gefühle viel besser und klarer ausdrückt, als jedes geschriebene oder gesprochene Wort. Damit bleibt sich Wim Wenders in seiner eigenen gestalterischen Grundaussage treu und folgt neben Pina Bausch auch noch seinem guten Freund Peter Handke, dessen Prosa sich häufig mit der Selbstfindung, der Wahrnehmung der Welt sowie der Veränderung derselben durch eine alternative Sprache beschäftigt. Auch in diesem Sinne hat das Pina-Bausch-Zitat „Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren“ seine berechtigte Bedeutung.
Bisher mag die Tradierung der hier gezeigten Choreographien nur durch die stetigen Aufführungen des Tanztheaters gelungen sein. Nun gibt es zusätzlich diesen Film, der der großartigen Kunst Pina Bauschs ein weiteres Denkmal weit über die Grenzen Wuppertals hinaus verschafft.
Die Website zum Film: http://www.pina-film.de/de/
(Falko Theuner)