Intelligente Film-Noir-Unterhaltung
Preisfrage: „White House Down“, „Dead Man Down“, „Officer Down“ – was haben diese drei Filmtitel gemeinsam? Genau, das „Down“ am Ende. Und das bedeutet in der Regel, es geht abwärts.
Bei dem vorliegenden Cop-Thriller geht es aber eher aufwärts mit dem Protagonisten – und das gleich auf mehreren Ebenen. Detective David Callahan (Stephen Dorff) ging es schon einmal richtig dreckig, denn als drogensüchtiger Alkoholiker lebte er von einem Exzess zum nächsten, betrog seine Frau und war auch sonst kein wirklich liebenswürdiger Mitmensch. Seit diesem gewissen Vorfall, an den er sich kaum noch erinnern kann, hat er jene negativen Seiten abgelegt und weiß nun seine Familie mehr zu schätzen denn je. Einzig seine Narbe in der Magengegend sowie einzelne, spärliche Erinnerungsfetzen erinnern ihn daran, dass er niedergeschossen wurde, von dem Fahrer eines orangefarbenen Wagens. Die Täter sind ihm unbekannt, ebenso der Mann, der sie vertrieb und einen Krankenwagen rief.
Eines Tages meldet sich ein gewisser Sergei Dronov (Zoran Radanovich) als sein vermeintlicher Retter und bittet Callahan um einen Gefallen. Seine Tochter ist verschwunden und wurde seit ihrem letzten Auftritt in einem Striplokal nicht mehr gesehen. Als einziges Indiz gibt er ihm das Tagebuch der Vermissten und macht David verständlich, dass er selber Dreck am Stecken hat und deshalb nicht zur Polizei gehen kann. Daher soll er die Ermittlungen auf eigene Faust anstellen.
Vatergefühle
Callahan, der selber eine Tochter hat, liest das Tagebuch genauestens durch und erfährt darin, wie sie aus Geldmangel in die Stripper-Szene rutschte, wie ihr Alltag aussah und dass sie sich für einen Stammgast interessierte, der sämtliche Damen des Clubs zeichnete. Das letzte Kapitel schildert ihre Vergewaltigung, die sie offenbar durch genau diesen Mann erfuhr. Immer wieder blitzen Callahans Erinnerungen auf und in ihm steigt die Angst auf, dass seiner Familie etwas Ähnliches passieren könnte. Nach und nach kommt er dem Verdächtigen auf die Schliche, während sich zugleich seine Vergangenheit und damit die ganze Wahrheit vor seinem inneren Auge eröffnet.
Als verwitterter Cop legt Hauptdarsteller Stephen Dorff eine glaubhafte Ein-Mann-Show hin, die einfach zu ihm passt. Sein zerknittertes Gesicht mit dem oft auch glasigen Blick lässt keinen Zweifel daran, dass dieser Polizist schon so einiges mitgemacht hat. Dabei ist David Callahan keineswegs ein Action-Held, der alles richtig macht oder die „Bösen“ reihenweise niederstreckt. Jedenfalls nicht den ganzen Film über. Stattdessen gibt er sich überraschend passiv und begnügt sich mit Observationen und Ermittlungs-Gesprächen. In der deutschen Synchronfassung kommt er hierbei eigentlich immer irgendwie verkatert rüber, da sein Sprecher Nicolas König ihn im gebrochenen, laxen, manchmal sogar schwer verständlichen Tonfall interpretiert. Nach einer kurzen Eingewöhnung fällt dies aber nicht mehr weiter ins Gewicht und dient sogar der gesamten Atmosphäre des Films.
Drama, nicht Thriller
Eins sollte jedem Zuschauer klar sein: Der Filmgenuss hängt hier elementar von der Erwartungshaltung eines jeden Betrachters ab. Für einen stringenten Thriller ist die Filmfigur einfach zu passiv und die Handlung zu statisch. Einen Großteil des Films wird einfach nur der Hauptcharakter betrachtet und all sein Handeln dient einzig seiner Analyse durch den Zuschauer. Das Ganze geht also in die Richtung eines Dramas, wobei Callahans Suche nach dem vermissten Mädchen seine Selbstfindung an vielen Stellen überschattet und die Auflösung des großen Überrätsels an einen Psychothriller erinnert, der in sich stimmiger kaum sein könnte. Wie ein Spielball flippert dieser Protagonist durch ein zunächst undurchsichtiges Szenario, das sich letzten Endes als ein äußerst fieses Kräftemessen zweier Kontrahenten entpuppt. Und erst dann kommt die Action.
Gelegentlich gibt es Prügeleien und kleinere Verfolgungsjagden, doch an Tempo gewinnt der Film erst zum Schluss. Prinzipiell ist das sogar recht nachvollziehbar, denn Callahans „Amoklauf“ wird bereits am Anfang angekündigt, weshalb der Rest des Films die Herleitung dieser Szene bildet. Erwarten Sie also ein spannendes Psycho-Drama mit einem explosiven Ende, dann sind Sie hier genau richtig. Wer einen reinen Actionfilm will, könnte hingegen enttäuscht werden. Sobald Davids beiden Handlungsstränge, also die Selbstfindung in der Vergangenheit und sein aktueller Fall, zusammen laufen, kommt es zu einem unterhaltsamen Aha-Effekt, der alle Zuschauerparteien zumindest im Ansatz überraschen dürfte.
Bilder der Nacht
Die Blu-ray besitzt ein stylisches Haupt-Menü sowie ein Pop-Up-Menü über das sich direkt auf die Extras zugreifen lässt. Neben den Trailern wird noch ein halbstündiges Making-of geboten, das umfassende Einblicke in den Dreh gibt. Das Bild ist im weiten 2.35:1-Format und bietet einen guten Kontrast sowie eine ansprechende Schärfe. Mit dem Einsatz von Farbfiltern haben es die Filmemacher hingegen zu gut gemeint. So ist z. B. in den Schwarz-Weiß-Rückblicken, in denen lediglich das orangefarbene Fahrzeug der Täter hervorsticht, der Schwarzwert nicht so tief, wie er eigentlich sein sollte. Zudem gibt es Szenen in der Gegenwart (z. B. im Strip-Club), die in eine gewisse Farbrichtung tendieren, wovon auch das Schwarz betroffen ist. Ansonsten sehen die Hauttöne relativ gesund aus, wobei die Umgebung zum bräunlichen tendiert.
Der größte Nachteil der Sound-Abmischung ist die fehlende Dynamik. Übergänge zwischen Dialog-Szenen zu Action-Szenen oder zwischen der friedlichen Callahan-Behausung und der Disko-Location sind durchgängig statisch gehalten. Eine Veränderung der Lautstärke konnten wir hier nicht verzeichnen, was dem Film einiges an Energie nimmt. Auch mit der Räumlichkeit sieht es spärlich aus. Neben den minimal gestauchten Stimmen erreichen auch die „Knalleffekte“ nicht ihre volle Wirkung. Insgesamt erwartet Sie also ein runder Film mit einem wenig inspirierenden Sound und gutem Bild.
(Falko Theuner)