Workshop: Tilt-Shift-Fotografie
Fotografieren ist für viele Anwender mehr als nur ein zufälliger Schnappschuss. Oftmals gilt es, mehr aus einem Motiv herauszuholen und kreativ mit den Möglichkeiten der Optik und der Fotoaufnahmetechnik umzugehen. Ein aktueller Trend in dieser Richtung ist die Tilt-Shift-Fotografie.
Es gibt viele Möglichkeiten, mehr aus einem einfachen Foto herauszuholen. In den letzten Workshops haben wir Ihnen schon die 3D-Fotografie und Kontrasterweiterung per High Density Range (HDR) nähergebracht. Doch kreative Fotografie ist ein lebendiges Feld, deren neuestes Trendthema, die Tilt-Shift-Fotografie, nicht nur bei Profis auf wachsende Begeisterung stößt. Der beliebte Effekt äußert sich in einer Miniaturisierung der Welt, die besonders bei Panoramaaufnahmen die Objekte wie auf einer Modellbahnplatte wirken lässt. Doch was wird für das Abenteuer Tilt-Shift benötigt, welche Optionen gibt es und wie funktioniert der Effekt?
Die Tilt-Shift-Fotografie ist älter, als viele denken. Tatsächlich war diese Form der kreativen Fotografie bereits mit Balgenkameras möglich, die durch ihren flexiblen Lichtschacht geradezu dafür prädestiniert sind. Der Trick beim Tilt-Shift liegt in der Verlagerung der Schärfebene durch die Verlagerung des Objektivs. Die Schärfeebene verläuft normalerweise parallel zum Bildwandler oder, wie damals bei der Balgenkamera, zur Fotoplatte. Um ein dreidimensionales Objekt optimal scharf zu fotografieren, sollte der Fotograf also möglichst senkrecht auf den Gegenstand hinabblicken.
Doch manchmal ist das nicht möglich. Hier hilft eine der Anwendungsmöglichkeiten der Tilt-Shift-Technik weiter: Mittels Ankippen des Objektivs, dem Tilt, kann die Schärfeebene verlagert werden. Hier greift die Scheimpflug’sche Regel, deren Erläuterung an dieser Stelle den Rahmen sprengen würde. Es sei nur so viel gesagt: Die Schärfe kann nun auch in den Raum hineinragen, sodass beispielsweise eine schiefe Ebene von nah bis fern scharf dargestellt werden kann.
Die zweite Anwendung, das Shift-Element, wird durch eine seitliche Verschiebung des Objektives hervorgerufen. Dies ist z. B. bei einem der größten Feinde des Fotografen, der Spiegelung, hilfreich. Bei der seitlichen Verschiebung findet ein Perspektivwechsel statt, sodass der Fotograf leicht versetzt zum spiegelnden Objekt stehen kann, die Aufnahme aber aussieht, als stünde er direkt davor, ohne sich selbst im Spiegelbild zu sehen.
Des Weiteren hilft der Shift, perspektivische Verzerrungen in einem Bild zu mindern, z. B. fliehende Linien an Fassaden. Werden beide Objektivverlagerungen parallel genutzt, wird der bereits erwähnte Miniaturisierungseffekt erzeugt. Das Kippen des Objektives verlagert die Schärfeebene in die Tiefe, während das nach oben verschobene Objektiv virtuell für einen stark erhöhten Standpunkt sorgt. Somit wirkt auf dem Bild alles weit entfernt und winzig. Ein Nebeneff ekt sind äußerst unscharfe Randbereiche, welche jedoch oft gewollt und direkt abhängig von der Objektivneigung bzw. -verschiebung sind.
Für die klassische Tilt-Shift-Fotografie benötigen Sie entweder eine Balgenkamera, oder, wenn Sie eine normale DSLR-Kamera bevorzugen, ein spezielles Tilt-Shift-Objektiv. Mit diesen Mitteln erreichen Sie die bes ten Ergebnisse, jedoch sind es auch die teuers ten Methoden. Tilt-Shift-Objektive (sie he Bild) sind sehr rar und somit auch sehr teuer. Letztlich haben sie zudem nur eingeschränkte optische Eigenschaften. Doch wie bereits erwähnt, erfreut sich die Tilt-Shift-Fotografie gerade großer Beliebtheit, sodass sie auch in den Consumer-Sektor Einzug hält.
Die Sony SLT-A65VK und viele weitere Kompaktkameras beherrschen die Tilt-Shift-Fotografie als Effektprogramm. Dieser künstliche Tilt-Shift erreicht zwar nicht die Qualität wie die manuelle Variante, doch sind die Ergebnisse ansehnlich genug, dass das Experimentieren mit dem Modus viel Spaß bereitet. Nicht zuletzt gibt es eine Vielzahl von Programmen und Grafik-Plug-ins, die den Effekt im Nachhinein künstlich in Fotos hineinmontieren.
Link zur Bildquelle: www.pixelio.de
(Christian Hill)