Kino made in Germany, Teil 6
Goethe! – Werther lässt grüßen
Regisseur Philipp Stölzl, der schon mit seinem Bergsteigerdrama „Nordwand“ (2008) aufhorchen ließ, nimmt sich in seinem neuen Film eines absoluten Nationaldenkmals an und erzählt in sehr freier Form die Lebensgeschichte des jungen Goethe. Ganz im Sinne des Sturm und Drang sind dem angehenden Dichter (dargestellt von Shootingstar Alexander Fehling) ausgiebige Saufgelage und zünftige Raufhändel weitaus wichtiger als das dröge Studium der Jurisprudenz. Es kommt, wie es kommen muss, er rasselt durch die Prüfung und wird zur Strafe von seinem Vater in die Wetzlarer Provinz verbannt. Doch das Fiasko wird zum Glücksfall: Er läuft der jungen Lotte Buff (Miriam Stein) über den Weg und in die Arme, findet und lebt seine Liebe mit aller schwärmerischen Leidenschaft des feurigen Poeten. Die Katastrophe ist allerdings vorprogrammiert, denn Lotte ist bereits einem anderen versprochen: Die tragischen Ereignisse nehmen ihren Lauf.
Goethe! | |
Genre: Drama | |
Land/Jahr: DE 2010 | |
Regie: Philipp Stölzl | |
Darsteller: Alexander Fehling, Miriam Stein, Moritz Bleibtreu, Henry Hübchen |
Die Parallelen zwischen Goethes Leben und Werk nutzt das Drehbuch weidlich aus, sodass man bald nicht mehr so genau weiß, ob man nun ein mit enormen künstlerischen Freiheiten realisiertes Biopic oder doch eher die neueste Verfilmung des altbekannten Werther-Stoffes verfolgt. In jedem Fall schafft es der Film, ein wunderbares Gleichgewicht zwischen historischer Akkuratesse in der Ausstattung und einem angenehm lebendigen Ton in der Erzählsprache zu finden. Philipp Stölzls Background als Regisseur zahlreicher Werbefilme und Musikvideos kommt ihm hier zupass, er inszeniert den scheinbar unantastbaren Klassiker als jungen Wilden mit Ecken und Kanten. Eine Anlage der Rolle, die Alexander Fehling (der zurzeit mit dem auf der Berlinale prämierten RAF-Drama „Wer, wenn nicht wir“ im Kino ist) dankbar aufnimmt und mittels unbändiger Spiellaune mit Leben erfüllt. Die Produktion wurde übrigens als „Young Goethe In Love“ bereits ins Ausland verkauft und könnte zukünftig in den Programmkinos dieser Welt laufen – was sicher nicht die schlechteste Wahl wäre als Aushängeschild für den jungen deutschen Film, der sich seiner Wurzeln und Traditionen durchaus bewusst ist, ohne sich dadurch aber im Mindesten davon abhalten zu lassen, zeitgemäße und mitreißende Geschichten zu erzählen, die für das Publikum von heute relevant und interessant sind.
Berlinale kurios
Zum Schluss noch einmal zurück zur Berlinale. Für eine der unglaublichsten, denkwürdigsten und gleichzeitig amüsantesten Geschichten rund um den Wettbewerb sorgte in diesem Jahr Kult-Trash-Regisseur Uwe Boll. Weil sich die Festivalleitung unter Dieter Kosslick nicht dazu durchringen konnte, seine neueste Produktion mit ins Programm aufzunehmen, drohte er kurzerhand mit einer Klage und lud Publikum wie Presse zu einer Gegenveranstaltung ins Berliner Babylon-Kino. Wieder einmal ein schlagendes Beispiel für die Kopf-durch-die-Wand-Mentalität des höchst umstrittenen Filmemachers, der sich in der Vergangenheit mit mittelmäßigen und wie am ßießband produzierten Videospielverfilmungen einen zweifelhaften Ruf erarbeitet hat. Nach einem respektablen Zwischenhoch mit dem 2009 veröffentlichten Drama „Darfur“ sorgte er kurze Zeit später mit der Verpflichtung von Henry Maske als Hauptdarsteller für sein Biopic „Max Schmeling – Eine deutsche Legende“ für ungläubiges Rauschen im Blätterwald. Wie sich der Exchampion letztendlich als Schauspieler geschlagen hat, kann man ab dem 16. Mai auch zu Hause begutachten.