James Franco über „127 Hours“, Teil 3
Im Rausch der Sinne
Als Collage aus unterschiedlichsten Digital-Kamera-Typen zeigen sich auch die visuellen Qualitäten als sehr wechselhaft. Den Hauptpart der Aufnahmen übernahm die handliche Silicon Imaging SI-2K MINI. Aber auch Spiegelreflex-Kameras von Canon fanden in der klaustrophobischen Enge der Felsspalte Anwendung und ermöglichten radikale Nahaufnahmen. Je nach Einstellung variieren daher der Rauschgrad, der Schwarzwert und der Belichtungsmodus. Arons Sturz in die Felsspalte beispielsweise wurde als überbelichtete Gegenlichtaufnahme umgesetzt. Seine Fahrradtour wiederum ist perfekt ausbalanciert, die vollmundigen Farben und der natürliche Kontrast erzeugen hier ein phänomenales Ansichtskarten-Panorama. Details wie der rieselnde Sand oder die fallenden Regentropfen werden sehr schön wiedergegeben, Texturen erscheinen stets klar und deutlich voneinander abgegrenzt.
Durch den häufigen Stilwechsel in den Digi-Cam Modus bzw. Ralstons Aufzeichnungen auf MiniDV weiß man die glatt gebügelten (und nur gelegentlich verrauschten) Strukturen der eigentlichen Filmaufnahmen umso stärker zu schätzen. Offenbar hat Danny Boyle mit Bollywoods Starkomponist A. R. Rahman nun endlich seinen Hofmusiker gefunden, der sowohl im Oscar®-überschütteten „Slumdog Millionär“ als auch in „127 Hours“ einen berauschenden, temporeichen und zugleich gefühlvollen Score arrangierte. Die Musik hat eine unbeschreibliche Sogwirkung auf den Zuschauer. Dementsprechend ist das Sounddesign auch schwerpunktmäßig darauf ausgerichtet. So wird z. B. die Amputation extrem gut durch die in die Musik integrierten Soundeffekte beschrieben. Die unmittelbare Botschaft: Schmerz, purer Schmerz!
Karthartisch, befreiend!
Doch nicht nur der bassintensive Score überträgt die Energie des Gezeigten auf den Zuschauer. Gefühle wie Zuversicht, Freude, Hoffnungslosigkeit, Angst und Paranoia werden sehr treffend von Songs wie Didos „If I Rise“, Sigur Rós‘ „Festival“, David Dundas‘ „Jeans On“ und Plastic Bertrands „Ca Plane Pour Moi“ transportiert. Gwürzt mit witzigen Sound-Innovationen, in etwa extremem Herzklopfen über dem Subwoofer, der Geräusch-Verzerrungen unter Wasser oder akkustischer Perspektiv-Änderungen mittels akkurater Quellortung lassen die Grenzen verschwimmen und machen das Filmereignis greifbar. Reißt die Dynamik der Filmmusik geradezu vom Hocker, kommt die Räumliche Form des klanglichen Erlebbarmachens jedoch nur selten zur Anwendung. Surround-Referenzen gibt es keine, dafür überzeugt zumindest der vorrangig auf die Front gelegte Mix.
Im Bonusbereich der Blu-ray finden Sie überraschenderweise Luke Mathenys Oscar®-prämierten Kurzfilm „God Of Love“, einer schrägen Liebeskomödie, die schon für sich genommen den Kauf der Scheibe rechtfertigt. Unter den sieben entfallenen Szenen mit einer Gesamtlaufzeit von 34 Minuten befindet sich auch ein alternatives Ende, dass Arons Rettung zeigt und etwas weniger temporeich als das Kino-Ende von seinem Krankenhaus-Aufenthalt zum familiären Nachspiel überleitet. „Die Rettung des echten Aron Ralston“, ein „Hinter den Kullissen“-Bericht sowie ein Audiokommentar mit Danny Boyle und anderen Mitgliedern der Crew runden den Filmabend sinnvoll ab. Auf die abschließende Frage, ob er sich vorstellen könne, in seiner Freizeit Berge zu erklimmen, antwortet der in sich hinein lachende Franco nur: „Nein, nein, das unterscheidet uns sehr. Ich mag die Natur sehr, insbesondere den Originalschauplatz in Utah, an dem wir anderthalb Wochen lang drehten – es war unglaublich schön, absolut verführerisch. Ich verstehe auch, warum Leute so viel Zeit dafür aufwenden, um das Klettern zu lernen und da draußen zu sein. Aber ich habe leider keine Zeit dafür!“
(Falko Theuner)