Im Gespräch mit Kartellamtspräsident Mundt, Teil 2
Halten Sender an Monopolen fest?
Germany’s Gold hätte eine Chance gehabt, wenn die beteiligten Unternehmen der Forderung des Kartellamts gefolgt wären, sich auf einen rein technischen Plattformbetrieb zu verständigen. Ist diese Forderung nicht etwas realitätsfremd? Schließlich handelt es sich um Inhalteanbieter und nicht um IT-Firmen. Welches Interesse sollte jemand am technischen Betrieb haben, der vornehmlich Inhalte verbreitet?
Mundt: Ich glaube, Germany’s Gold hatte sogar eine gute Chance. Dass der Betrieb einer technischen Plattform auch für Inhalteanbieter eine Option ist, können Sie am Beispiel Amazonas gut sehen. Dort war genau das vorgesehen. Die Pläne der Privaten sahen allerdings zusätzliche Absprachen über die Beschränkung des Zugangs und andere Elemente der Inhaltsstrategie vor, die kartellrechtlich nicht akzeptabel waren. Diese Vereinbarungen wären gut abtrennbar gewesen, die Unternehmen haben deren Beseitigung letztlich verweigert. Auch eine Vertriebsplattform wie sie ARD und ZDF geplant hatten, beinhaltet im Übrigen unvermeidlich eine technische Plattform. Den eigentlichen technischen Betrieb kann man in beiden Fällen auf einen IT-Dienstleister auslagern.
Die Kritik der Medienunternehmen richtet sich zwar gegen die Entscheidungen Ihres Hauses, in der Verantwortung sieht die Industrie aber die Medienpolitik, die für einen Rechtsrahmen sorgen muss, der der Medienkonvergenz gerecht wird. Welchen Beitrag kann hierzu das Kartellamt leisten?
Mundt: Eine gute Medienpolitik muss jedenfalls dafür Sorge tragen, dass der Wettbewerb gerade in dem besonders sensiblen Bereich der Medien geschützt und nicht ausgeschaltet wird. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass die wettbewerblichen Chancen der Digitalisierung auch genutzt werden und die Unternehmen sich hierauf einstellen und nicht – wie wir häufig beobachten – in erster Linie den Schutz ihrer überkommenen Geschäftsmodelle der alten Welt verfolgen und ihre Monopolstellungen in die neue Welt zu übertragen versuchen.
Inwiefern erwarten Sie von den Marktteilnehmern, dass sie auf Sie zugehen und so etwas wie Marktmonitoring betreiben?
Mundt: Ich möchte die Unternehmen vor allem ermuntern, frühzeitig Kontakt mit uns aufzunehmen, wenn sie ein großes Projekt mit möglichen Wettbewerbsproblemen planen. Auf diese Weise kann auch die Suche nach Lösungswegen frühzeitig beginnen.
Germany’s Gold wollte Gedächtnis für 60 Jahre deutsche Fernsehgeschichte sein. Jetzt erwartet jeder, dass Netflix und Hulu in den Markt eintreten. Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), fürchtet daher um die eigene kulturelle Vielfalt. Auch wenn solche Gedanken in Ihrer Arbeit fürs Kartellamt keine Rolle spielen, was wäre Ihnen als TV-Zuschauer lieber: Ein Anbieter wie Netflix, der TV-Juwelen wie Loriot oder den „Tatort“ präsentiert oder eine Plattform deutscher TV-Häuser, die ihre Inhalte in Eigenregie online anbieten können?
Mundt: Ich möchte nochmals klarstellen, dass das Bundeskartellamt weder die privaten Sendergruppen noch die Sendeanstalten daran hindert, ihre Inhalte online anzubieten und in den Wettbewerb mit anderen Anbietern zu treten. Wenn darüber hinaus Hulu, Netflix oder andere tatsächlich in Deutschland aktiv werden, würde das zunächst einmal den Wettbewerb beleben und für mehr Vielfalt sorgen. Das ist per se nichts Schlechtes. Auch als Zuschauer freut mich das, denn für mich bedeutet das mehr Auswahl und günstigere Preise. Ich mache mir auch keine Sorgen, dass ich Loriot oder den „Tatort“ nicht mehr sehen kann, wenn ich das will. Warum sollte ein Anbieter auf Inhalte verzichten, die die Zuschauer sehen wollen? Er wäre ja sehr kurzsichtig, wenn er das täte. Dafür lassen sich auch kartellrechtskonforme Geschäftsmodelle finden.
Vielen Dank für das Gespräch.
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(Marc Hankmann)