Hypnotisch schöne Bildgewalt, Seite 3
Gore Verbinskis „Lone Ranger“
Nach der „Fluch der Karibik“-Reihe präsentieren Johnny Depp und Regisseur Gore Verbinski erneut einen actiongeladenen Abenteuerstreifen mit viel Humor und exotischem Ambiente. Statt einer Piraten-Kulisse bekommt der Zuschauer diesmal den guten, alten Wilden Westen zu sehen. Es ist die klassische Superhelden-Story, in der aus einem Niemand nach einer Nahtod-Erfahrung ein glänzendes Licht der Verbrechensbekämpfung wird. Und wo sonst wäre dieses Element der Ordnung stärker gefragt als im anarchisch geprägten Wilden Westen?
Zunächst spielt Hauptakteur Armie Hammer („The Social Network“) den Sheriffs-Sohn John Reid, der dem Vorbild seines Vaters fleißig nacheifert. Als Mitglied der Texas Ranger Division will er an der Seite seines älteren Bruders Dan (James Badge Dale) für Ruhe und Ordnung im Land sorgen. Doch eines Tages wird ebenjenes Gerechtigkeits-Team von der ruchlosen Cavendish-Bande aufgemischt, deren Anführer Butch (William Fichtner) keine Skrupel kennt. Dan stirbt und John wird halbtot in der Wüste zurück gelassen. Auf seinem leblosen Körper manifestiert sich der Schatten einer Krähe: Tonto (Johnny Depp) ist eingetroffen!
Halb Mensch, halb Geist
Glücklicherweise erinnert sich der kernige Indianer an den Mann, der ihm einst das Leben rettete. In einer Vision sah er, dass er einem Fremden begegnen würde, der das Jenseits bereits erlebt hatte und ihn auf seinem Weg begleiten würde. Dementsprechend hilft er John mit allen ihm bekannten Mitteln und holt ihn auf mystische Art und Weise ins Land der Lebenden zurück.
Schnell erholt sich der Gezeichnete von seinen Verletzungen und lässt sich von Tonto in das Prinzip des Superheldentums einweisen. Nur als Outlaw kann er seinen Bruder rächen und die Cavendish-Gang dingfest machen, weshalb ihm der Indianer eine notdürftige Maske bastelt. Von nun an werden sie Seite an Seite reiten und den bösen Jungs der Gegend mit dem geheimnisvollen Image des „Lone Ranger“ eine Heidenangst einjagen.
Action, Abenteuer und viel Witz
Ähnlich wie in den „Pirates Of The Carribean“-Teilen besteht ein Großteil der Handlung aus aneinandergereihten Action-Sequenzen, deren Tempo gleich noch dafür genutzt wird, um ein paar schlagkräftige Gags unterzubringen. Dabei bewegt sich Co-Star Johnny Depp wieder voll in seinem Element, denn auch der schwarz-weiß geschminkte Indianer versprüht ein ähnliches Charisma wie einst sein Piraten-Kollege Jack Sparrow. Sein faszinierendes Kostüm- und Makeup-Design ist übrigens dem Gemälde „I Am Crow“ des amerikanischen Künstlers Kirby Sattler entlehnt und bietet einen starken Kontrast zum Cowboy-Outfit des Lone Rangers.
Ein echter Western-Held
Die größte Attraktion des Films dürfte von der Superhelden-Lehre John Reids ausgehen, der mit den Verhaltensmodi eines Helden erst noch vertraut gemacht werden muss. Allein das ehrfurchtgebietende Image des unheimlichen, mysteriösen Verbrecherjägers, der halb Mensch, halb Geist sein soll, muss erst noch aufgebaut werden. Seine exzellenten Reitfähigkeiten, seine ikonenhaften Silber-Kugeln, die Schießkünste und die unkonventionellen Methoden seines Begleiters tragen aber bald zu genau dieser angestrebten Entwicklung bei. Wen diese Handlungsstruktur an den ebenfalls neuverfilmten Radioklassiker „The Green Hornet“ erinnert, der liegt gar nicht so verkehrt. Schließlich sind die Namensähnlichkeiten der beiden Helden John Reid („The Lone Ranger“) und Britt Reid („The Green Hornet“) kein Zufall.
Zunächst entstand in den 1930er Jahren die erfolgreiche Radiosendung „The Lone Ranger“ unter der Feder von Fran Striker. Ende der 1940er, Anfang der 1950er Jahre wurde aus dem Stoff eine nicht minder erfolgreiche TV-Serie, die von Comics, Büchern und anderem Merchandise flankiert wurde. 1956 entstand sogar ein erster Kinofilm mit Clayton Moore in der Hauptrolle. Was viele nicht wissen, ist: Kurz nach der Schöpfung der Radioserie in den 1930er Jahren entwickelten die Köpfe hinter „The Lone Ranger“ noch eine zweite Radioserie mit genau der gleichen Struktur, doch in einem technischen Gegenwarts-Szenario. „The Green Hornet“ war geboren.
Familienbande
Nicht nur, dass Britt Reid eine ähnliche Entwicklung wie John Reid durchmacht, und mit seinem chinesischen Sidekick Kato einen ebenso gewieften Partner hat wie Tonto – die beiden sind auch noch genealogisch miteinander verbunden. So ist John Reids Neffe der Vater von Britt. Und so schließt sich der Kreis, die Genre-Grenzen verschwimmen und die Zuschauer erhalten weder Western noch Superheldenfilm. Sie erhalten kompromisslose Unterhaltung, die ihnen jeden noch so kalten Wintertag versüßt.
Doch egal für welchen der drei vorgestellten Filme Sie sich entscheiden, oder ob Sie sogar alle schauen: Danach werden Sie auf jeden Fall gewaltige Bilder im Kopf haben, die Ihnen endlich einmal wieder die ganze visuelle Kraft des Film-Mediums deutlich machen.
(Tiemo Weisenseel, Nele Reiber, Falko Theuner)