Eine unerwartete Reise
Haben Sie Peter Jacksons „Der Hobbit“ im Kino gesehen und wenn ja, haben Sie etwas bemerkt? Ausgewählte Kinos, z. B. der Cinemaxx- und Cinestar-Gruppe, zeigten den Film nicht nur in 3D, sondern in sogenannter HFR-Qualität. Doch was hat es eigentlich mit der „Higher Frame Rate“ auf sich?
Peter Jackson ist nicht nur ein talentierter Filmemacher, sondern auch ein Technikfan. Kollege James Cameron hat mit „Avatar“ das 3D-Kino salongfähig gemacht und Jackson sammelte erste 3D-Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Steven Spielberg für den Film „Tim und Struppi“.
Für den Dreiteiler „Der Hobbit“ wollte Peter Jackson aber noch einen Schritt weiter gehen und verglich sein Vorhaben mit einem Erlebnis in einem Vergnügungspark: Dortige 3D-Vorstellungen scheinen die Besucher förmlich in das Geschehen hineinzuziehen und alles wirkt extrem scharf und ruckelfrei.
Als er diese Qualität mit Kinobildern verglich, stellte er schnell fest, dass der etablierte Kinostandard, an dem sich selbst James Cameron mit „Avatar“ hielt, nicht ausreicht, um die Zuschauer direkt nach Mittelerde zu teleportieren. Deshalb griff Jackson nicht nur auf moderne 3D-Kameras zurück, sondern verabschiedete sich zugleich von der Tradition des Filmemachens schlechthin: Die Beschränkung auf 24 Bilder pro Sekunde.
Was macht Film aus?
Abgesehen von Farbverfremdungen und gezielten Unschärfen wirkenKinobilder immer anders als das TV-Programm. Durch die Beschränkung auf24 Bilder pro Sekunde (TV-Bilder bieten 50 Bilder pro Sekunde),erscheint das Geschehen distanzierter, Bewegungen leicht verschwommenerund teilweise auch ruckeliger. Angesichts dieser technischenEinschränkungen verwundert es umso mehr, dass ein Großteil derKinobesucher diese Art der Bilddarstellung für besonders hochwertigerachtet.
Anders als Jackson geht es vielen Filmschaffenden nicht darum, sichder Realität möglichst stark anzunähern, sondern mit einem Kinofilm einStück Kunst zu schaffen und bestimmte Dinge nicht zu zeigen, diebeispielsweise am Drehort sichtbar waren. Die Limitierung auf 24 Bilderpro Sekunde hilft dabei enorm, da die Unschärfe als gezieltes Stilmitteleingesetzt werden kann. Filmliebhaber ließen es sich deshalb in denletzten Wochen nicht nehmen, ihren Unmut zu äußern: „Peter Jackson hatdas Kino verraten“, „Der Hobbit sieht aus wie eine billige TV-Sendung“,“Das ist kein Film mehr, sondern ein Videospiel“, waren noch diefreundlichsten Umschreibungen für Peter Jackson mutige Vision, den Filmin 48 Bildern pro Sekunde zu drehen.
Im Gegensatz zu den Kritikern wollte Peter Jackson keine Unschärfen,denn die vollständige Pracht der Bilder Neuseelands und der aufwendiggestalteten Sets sollten die Kinozuschauer erstmals lebensechtmiterleben. Genau das hat Jackson auch erreicht, selbst wenn durch HFRdie Schwächen von Maske und Computerbearbeitung gnadenlos aufdecktwerden.
Besser oder schlechter?
Wer den „Hobbit“ in 48 Bildern gesehen hat, für den war schnell ersichtlich, dass es sich hierbei um keinen gewöhnlichen Kinofilm handelt, denn das bekannte Kinogefühl kommt zu keiner Sekunde auf. Stattdessen steht man als Zuschauer mitten im Geschehen und fühlt sich wie ein stiller Beobachter eines Videodrehs. Das ist anfangs ungewohnt, aber gleichzeitig unglaublich intensiv. Kombiniert man HFR mit 3D fallen sämtliche Barrieren zwischen der Leinwand und den Zuschauern weg und es entsteht genau jene Sogwirkung, die Peter Jackson erreichen wollte.
Angesichts der scharfen Detailpracht wird man in manchen Momenten aber auch regelrecht erschlagen, weiß überhaupt nicht, wohin man seine Blicke zuerst schweifen lassen soll und ist vom Gebotenen schier überwältigt. Vergleicht man „Der Hobbit“ in HFR und 3D mit „Der Herr Der Ringe“, dann glaubt man, dass ein halbes Jahrhundert zwischen den Filmen liegt, so antiquiert wirken die 2D-Aufnahmen der alten Trilogie. Am Ende der rund 170 Minuten blieben wir genauso überrascht zurück wie nach James Camerons 3D-Technikwunderwerk „Avatar“: Diese neue Art der Kinofilmpräsentation muss man gesehen haben!
HFR – Higher Frame Rate
HFR bezeichnet eine höhere Bildrate: 24 Bilder pro Sekunde galten lange als das Maß der Dinge, mit HFR und Filmen wie „Der Hobbit“ verdoppelt sich die Anzahl erstmals auf 48 Bilder pro Sekunde. Während der bekannte Kinolook dadurch vollständig verloren geht, profitieren die Bildschärfe und der 3D-Eindruck: Sämtliche Details bleiben auch bei Kamerafahrten scharf, der bekannte Verwischeffekt tritt nicht ein.
(Christian Trozinski)