Endlich ein Nachfolgestandard für Videotext?
Mal Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal den Videotext genutzt? Ja, auch der noch so moderne Flachbildfernseher bietet auf seiner Fernbedienung die berühmte „Text“-Taste. Der Videotext und die zugehörigen vier Farbtasten vom später eingeführten TOP-Text-System fanden schon Anfang der 1980er Jahre ihren Weg in die Haushalte der Fernsehkonsumenten.
Doch im Gegensatz zu den vier bunten Knöpfen, die schon längst für zahlreiche Zusatzfunktionen bei der Bedienung der zeitgemäßen HD-Receiver genutzt werden, kommt der Videotext nach wie vor so auf den Bildschirm, wie er einstmals erfunden wurde: mit 25 Zeilen à 40 Zeichen in „Space Invaders“-Optik. Einstmals als sinnvolle Ergänzung unter Nutzung der Austastlücke bei der analogen PAL-Übertragung erfunden, scheint Videotext – ganz im Gegensatz zu seinem interaktiven Bruder Bildschirmtext (BTX) – die Weiterentwicklung in das moderne Internetzeitalter schlichtweg verschlafen zu haben.
Videotext 2.0
Reichlich Argumente also, sich in Zeiten hochauflösender Fernsehprogramme Gedanken über eine Rundumerneuerung des angestaubten Informationsdienstes zu machen. Neben vielen nicht so erfolgreichen Versuchen einer Neugestaltung kristallisiert sich inzwischen Hybrid Broadcast Broadband TV (HbbTV) als erfolgversprechender Nachfolger für den klassischen Videotext heraus. Zwar handelt es sich bei Videotext 2.0 nur um einen Kunstbegriff, dennoch umschreibt dieser den neuen Dienst wohl am ehesten.
HbbTV wurde als Standard von einem breiten paneuropäischen Konsortium – u. a. bestehend aus den Sendern Canal Plus, France Television und TF 1, dem Satellitenbetreiber SES Astra, dem Institut für Rundfunktechnik sowie den Software-Unternehmen ANT und OpenTV – Ende 2009 in der Version 1.1.1 verabschiedet. Unterstützt wird HbbTV daneben von zahlreichen Unternehmen und Institutionen. In der Folge haben sich alle großen deutschen Fernsehsender – also ARD, ZDF, Arte sowie die Hauptsender der RTL-Gruppe und Pro Sieben Sat 1 – dazu entschlossen, HbbTV mit passenden Inhalten zu füllen.
Keine schlechten Voraussetzungen also. So verwundert es kaum, dass inzwischen zahlreiche Hersteller von Empfangsgeräten HbbTV unterstützen. Dieser neue, gelegentlich auch als „Smart TV“ bezeichnete Zusatzdienst hat dabei vor allem einen Vorteil: Er baut auf bereits bestehenden und praxiserbrobten Technologien auf. So handelt es sich beim zugrunde liegenden Code, in dem HbbTV-Inhalte geschrieben werden, um CE-HTML – einer für die Unterhaltungsindustrie entwickelten Variante der Hypertext Markup Language (HTML).
Der Vorteil liegt also auf der Hand: Ohne große Investitionen in neue Standards ist es möglich und auch praktisch, jedes Gerät mit ausreichender Speicher- und Prozessorleistung sowie Internetanbindung durch Firmware-Updates HbbTV-tauglich zu machen. Selbst wenn der Receiver oder Fernseher nicht über eine Netzwerkschnittstelle verfügt, kann HbbTV möglicherweise nachgerüstet werden, wie der in der letzten Ausgabe von DIGITAL FERNSEHEN getestete Digitalreceiver Smart Zappix HD+ zeigt, der durch einen WLAN-Stick entsprechend nachgerüstet werden kann. Doch wie funktioniert HbbTV eigentlich und was wird dafür benötigt?
Die Technik dahinter
Erste Ansätze für Zusatzdienste in Konkurrenz zum Videotext beinhaltete bereits der inzwischen etablierte elektronische Programmführer (EPG). Doch im Gegensatz zum EPG, der mit dem Datenstrom des TV-Programms übertragen wird, ist für die Nutzung von HbbTV zwingend eine Internetanbindung erforderlich. Einfach beschrieben: Sender mit dem HbbTV-Zusatzdienst senden ein zusätzliches Signal aus, das tauglichen Endgeräten einen Internetlink übermittelt. Wird ein solcher Datenstrom empfangen, signalisiert der Receiver dies durch eine Einblendung.
In aller Regel wird man dann zum Drücken der roten Taste auf der Fernbedienung aufgefordert. Kommt man diesem Hinweis nach, läuft das Fernsehprogramm in einem kleinen Fenster weiter, während die HbbTV-Informationen prominent eingeblendet werden. Dies ist auch der größte Vorteil gegenüber bisherigen Lösungen. Möglich ist schon länger die Nutzung von Zusatzdiensten wie beispielsweise Youtube oder Facebook – allerdings muss dazu stets das laufende Fernsehprogramm unterbrochen werden.
Zudem gibt es verständlicherweise auch Interessenkonflikte mit dem gerade angeschauten TV-Programm, da Sender an der Übermittlung ihrer eigenen Zusatzdienste interessiert sind. Dies ist nun durch den Standard HbbTV möglich. Im Prinzip handelt es sich dabei aber um nichts weiter als einen Link auf eine entsprechende Webseite des Senders, die entsprechend für diesen Dienst optimiert wurde.