Großes Kino für die Ohren, Teil 3
Auf den Hund gekommen
In Filmen werden oft einfache Tricks angewandt, um eine Spannung zu erzeugen. Mit der Kombination von Bildern und Soundeffekten sowie geschickten Szenenwechseln lenkt der Regisseur die Aufmerksamkeit und die Gefühle der Zuschauer in eine vorbestimmte Richtung. Sogenannte Atmos sorgen für ein akustisches Hintergrundbild, ohne zu dominieren. Unbewusste akustische Wahrnehmungen lassen den Zuschauer mitfiebern, sie wirken beruhigend oder beängstigend. Bekannte Beispiele sind im Wind vorbeirollende Dornenbüsche, die klassische Totale oder ein unvermittelt bellender Hund in der halbnahen Kameraeinstellung.
Durch das Einspielen sehr tiefer, aber leiser Töne wird dem Zuschauer ein Gefühl von Gefahr vermittelt, unabhängig davon, ob Erdbeben oder Donner in der Szene überhaupt vorkommen. Viele dieser Frequenzen sind für den Hörer nicht direkt wahrnehmbar, sondern werden lediglich als sehr leichtes Brummen aufgenommen. in interessantes Beispiel ist der Film „Das Schweigen der Lämmer“. Über die gesamte Spieldauer hinweg ist das Sounddesign an die beklemmenden Situationen angepasst. Verschiedene Soundschichten überlagern sich und werden durch den geschickten Einsatz von Dolby Surround um den Zuhörer verteilt. Diese wirre und teilweise im nicht bewusst hörbaren Frequenzbereich angesiedelte Geräuschkulisse verstärkt die Filmszenen akustisch. Beim Showdown befindet sich Agentin Starling im weitläufigen Keller auf der Suche nach dem Opfer. Der Zuschauer vernimmt aus den Frontlautsprechern die Hörsituation der Protagonistin, gleichzeitig ertönen aus den rückwärtigen Lautsprechern zusätzlich fremde Atemgeräusche unter einer Maske. Die Hörperspektive wird permanent an die verschiedenen Blickwinkel der Kamera angepasst. Das Mittendringefühl des Zuschauers wird intensiviert.
Gefühlter Klang
Auch am oberen Frequenzbereich des menschlichen Gehörs wird mit den nicht wahrgenommenen Tönen gespielt. Obwohl der Mensch nur Töne im Frequenzbereich bis ca. 20 000 Hz hören kann, nimmt er Frequenzen bis über 40 000 Hz ebenso wahr. Nicht hörbar sind noch höhere Anteile, die als Oberwellen auch in der Natur vorkommen. Töne in diesen Frequenzbereichen erzeugen beim Menschen nicht nur das Gefühl der Natürlichkeit, sie können auch Träger subtiler Informationen sein. Im Film „Das Schweigen der Lämmer“ wird auf diese Weise ein Gefühl der Beklommenheit und Angst erzeugt – nicht hörbar, aber spürbar. Viele Menschen bemerken, dass der Klang einer alten Vinylschallplatte um einiges voller und satter ist als der einer CD. Da die CD nur den bewusst wahrnehmbaren Bereich des menschlichen Hörvermögens abbildet, sind viele versierte Hörer und insbesondere Musikfans mit der CD als alleiniges Musikspeichermedium nicht rundum zufrieden. Durch die digitalen Aufnahmeverfahren wirkt das Ergebnis akustisch unrealistisch. Es fehlt der „schmutzige“ und scheinbar realistischere Gesamteindruck. Nicht ohne Grund ist Vinyl bei Fans noch immer sehr beliebt, auch deshalb erscheinen viele CDs gleichzeitig immer noch als Vinylausgabe. Obwohl die Klangreinheit einer CD nicht erreicht wird, ist der psychoakustische Gesamteindruck für viele Hörer weitaus vollkommener.
(Thomas Köhre)