Großes Kino für die Ohren

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Großes Kino für die Ohren, Teil 2

Vom menschlichen Hörvermögen

Das menschliche Gehör versteht sich auf Frequenzen von ca. 20 Hertz (Hz) bis 20 000 Hz, was etwa zehn Oktaven entspricht. Es kann selbst feinste Tonunterschiede differenzieren. Bis 100 Hz steigt der Grad, in dem verschiedene Töne unterschieden werden können, noch linear, darüber hinaus logarithmisch an. Je höher ein Ton ist, desto schwieriger wird es für das menschliche Gehör, diesen von einem nicht wesentlich tieferen bzw. höheren Ton zu unterscheiden. Ab ungefähr 140 Dezibel (dB) wird die Schmerzgrenze des menschlichen Gehörs erreicht. Aber auch schon ein geringerer Schalldruck kann unangenehm sein und Unwohlsein hervorrufen. Dauerbeschallung mit ca. 85 dB kann zu dauerhaften Hörschäden führen. Zwei Größen sind bei der Einordnung des menschlichen Gehörs wichtig: die Lautstärke (Schalldruck) und die Tonhöhe. Letztere wird als wiedergegebene Frequenz eines Tons in Hertz beschrieben. Die Lautstärke wird in einem künstlich geschaffenen Wert – Dezibel – angegeben. Als Nullpunkt dient die Hörschwelle. In logarithmischem Maß entfernt sich die Lautstärke von der für den Menschen wahrgenommenen Stille – ein Streitgespräch mit 50 dB ist also nicht einmal halb so laut wie ein Presslufthammer mit 100 dB.

Zielgerichtetes Hören

Das Hörerlebnis besteht nicht nur aus einem klaren Ton, sondern aus einer Vielzahl von Untertönen, die bei der Schallausbreitung im Raum entstehen. Wände werfen Schallwellen zurück, Gegenstände reflektieren sie in andere Richtungen oder schlucken sie dabei teilweise bzw. ganz. Es kommt zu Laufzeitunterschieden und Verfälschungen. Der Höreindruck entsteht schließlich durch die Aufnahme des vielfältigen Schallbündels durch das Ohr. Das menschliche Gehirn erstellt aus all diesen diffusen Schalleindrücken die Hörsituation. Nimmt man die gleiche Szenerie mit einem Mikrofon auf und spielt das tonale Kauderwelsch erneut ab, wird man verwundert über das Ergebnis sein: Eine eindeutige Zuordnung von Stimmen und Geräuschen zu bestimmten Personen oder Richtungen fällt schwer. Die Wissenschaft erforscht nun die genauen Vorgänge im Gehirn und ermöglicht Rückschlüsse, welche Hörsituationen welche Reaktionen und Empfindungen hervorrufen und welche Vorgehensweisen im Umkehrschluss zur Erzeugung bestimmter Reaktionen nötig sind. Der Mensch verknüpft Informationen des gesamten Wahrnehmungssystems und lässt sich dabei Dinge „unterjubeln“, die auf den ersten Blick nicht auffallen oder überhaupt nicht bewusst wahrgenommen werden.

Ton und Umgebung

Bei der Einschätzung der Umgebungssituation sind nicht nur die Objekte im Umfeld von Interesse, sondern auch die Schallgeschwindigkeit. Diese variiert je nach vorherrschender Temperatur: In einer kalten Umgebung breiten sich Schallwellen langsamer aus als in einem warmen Umfeld. Entsprechende Laufzeitunterschiede sind in einem Studio relativ einfach nachzubilden. Dies ist ein oft genutztes Verfahren, um Umgebungen akustisch zu beschreiben.
 

Neben dieser eher subtilen Art der unterbewussten Beeinflussung werden oft die Gefühle angesprochen. Die Musik hat hier einen großen Einfluss darauf, wie eine Person die Umgebung empfindet. Fehlt die Musik ganz und ist nur ein eisiger Wind zu hören, wird ein Schauplatz als kalt empfunden. Seichte, leise Musik hingegen kann eine Szenerie unterstreichen und eine gewisse Wärme ausstrahlen. Eine räumliche Weite wird wiederum oftmals durch getragene, fast schnulzig-weiche Musik betont. Viele in Wüsten beheimatete Filmszenen klingen ähnlich, etwa „Lawrence von Arabien“, „Der englische Patient“ oder „Babel“. Es klingt „wüstig“. Unruhige Zeiten werden auch akustisch sehr unruhig dargestellt. Eine Vielzahl von Hintergrundgeräuschen, unstete Laute, Lärm, Krach, ein Murmeln oder Rauschen werden vom menschlichen Gehör als unruhig empfunden. Diese Unsicherheit und Angespanntheit kann oftmals auch beklemmend, fast furchteinflößend wirken. In Verbindung mit schnellen Schnitten, Perspektivwechseln und Kamerafahrten rufen solche Szenarien für das menschliche Empfinden einen aufreibenden Eindruck hervor. Dabei spielt insbesondere das Gehör eine zentrale Rolle, da es sich permanent auf einen neuen zentralen Handlungston fixieren möchte, diesen aber nicht findet.
 
Beispiele für solche beklemmenden Situationen sind etwa die Unterwassersequenzen in „Das Boot“ oder das Panorama der Stadt in „Blade Runner“. Viel interessanter sind jedoch die nicht so offensichtlichen Methoden. Viele Cineasten erinnern sich an David Finchers Meisterwerk „Fight Club“. Der Protagonist schneidet in einer Szene als Filmvorführer unsittliche Bilder in einen Kinderfilm. Obwohl das kindliche Publikum diese Bilder nur für einen Augenblick gesehen hat, bleibt der Eindruck im Gehirn bestehen und das erzeugte Gefühl ist verwirrend und beängstigend. Ähnlich sind auch akustische Effekte – z. B. zur Erzeugung von Angst – einsetzbar. So steht etwa ein sehr tiefes Dröhnen oder Brummen immer für Gefahr: Erdbeben, Vulkanausbrüche, Donner und Detonationen sind mit einer sehr hohen Lautstärke verbunden. Die Geräusche sind hauptsächlich im unteren Frequenzbereich beheimatet. Sounddesigner machen sich in Filmen diese Eigenart zunutze. 

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