Dämpfungsfaktor und Impedanzverlauf
Nur gute Messtechnik kann guter Audioelektronik sinnvoll auf den Zahn fühlen. Die festgestellten Messwerte sind wichtig für unser Bewertungsverfahren und für viele Leser interessant, doch bergen sie auch den Ansatz von versteckten Fehlern.
Am Rande der Besprechungen von Produkten treten immer wieder Begriffe auf, für deren Klärung meist nicht der nötige Rahmen vorhanden ist. Zum Teil sind diese Begriffe auch so spezifisch, dass sie für den interessierten Leser eines Tests als zweitrangige Sachverhalte angesehen werden. Es ist auch nicht immer der Sache dienlich, dass man jedes Messergebnis diskutiert. Wenn ein Lautsprecher gemessen wird, dann entscheiden wir uns beim Abdruck für den Frequenzgang, weil dieser von den meisten Lesern gewünscht ist. Eine Messung von Impuls/Sprungantwort oder Impedanzverlauf wird von uns nicht veröffentlicht, weil es andere Informationen gibt, die weniger anfällig für messtechnische Abweichungen sind.
Oft kommen in diesem Zusammenhang die Begriffe Gruppenlaufzeit und Phasengang vor, diese wurden schon einmal in der Ausgabe 4/2011 erklärt und sind für Verstärkerschaltungen oder Lautsprecher ebenfalls immer aktuell, weil sie eine Begleiterscheinung von Filterschaltungen darstellen. Manchmal kommen wir in der Abhandlung von Verstärkern auf den Dämpfungsfaktor zu sprechen. Auch diesen erfassen wir, wissen aber gleichzeitig um seine Fehlbarkeit in der Ermittlung. In diesem Begriffsumfeld wird oft der Terminus einer Impedanz (Z) verwendet. Sie stellt einen frequenzabhängigen elektrischen Widerstand dar, d. h., dass sich dieser mit der Frequenz der anliegenden Signalspannung und durch den im elektrischen Widerstand auftretenden Strom verändern kann. Diese Begrifflichkeiten sind die Voraussetzung für die Klärung der in dieser Ausgabe vorgestellten klangbeeinflussenden Größe, dem Dämpfungsfaktor und dem Impendanzverlauf.
Dämpfungsfaktor
Der Dämpfungsfaktor eines Verstärkers für Lautsprecherwiedergabe ist messtechnisch betrachtet das Verhältnis zwischen der Impedanz eines angeschlossenen Lautsprechers (z.B. 4 oder 8 Ohm) und dem Innenwiderstand des Verstärkers. Der Innenwiderstand ist unter anderem abhängig vom Netzteil, der internen Leitungsquerschnitte, der Masseführung sowie vom Schaltungskonzept der Endstufe und ihrer Bauteile. Das Prinzip der Gegenkopplung (siehe Dr. Sound, AUDIO TEST 3/2012) eines Leistungsverstärkers wirkt hier ebenfalls mit ein. Das sind viele Faktoren, die Entwickler im Auge haben müssen, um eine hohe Dämpfung gegen Störungen von außen zu erzeugen.
Was ist diese Dämpfung?
Das Konstrukt eines Lautsprechers im Gehäuse verfügt über einzelne elektrische wie elektromechanische Bauteile, die physikalische Eigenschaften aufweisen. Zum einen können die Konstruktionen von Frequenzweichen aufgrund ihrer Bauteile Laufzeitveränderungen zwischen Spannung und Strom hervorrufen, zum anderen sind die Membranen von Lautsprechern durch ihre Masse in der Beschleunigung träge. Der Hauptprotagonist im Spiel mit dem Dämpfungsfaktor ist also der angeschlossene Lautsprecher. Der Lautsprecher ist einem Generator bzw. Motor ähnlich, seine eigene Induktivität, bedingt durch Spule und Magnetfeld, ist in der Lage, dem zugeleiteten Signal sein eigeninduziertes Signal entgegenzusetzen. Das Beschleunigen und Kontrollieren der Membranmasse kann dem elektrischen Lautsprechersignal Verzerrungen in Form von Überschwingern oder Nachschwingern im angestrebten Signalverlauf zuführen.
Diese Erscheinungen und die Laufzeit- bzw. Phasenverschiebungen zwischen Signalspannung und Strom, wirken alle auf die Endstufenschaltung eines Verstärkers zurück und sind veränderlich mit der Frequenz. Dies zeigt einen Einflussbereich des Impedanzverlaufes eines Lautsprechers auf. Anzeichen von ungedämpften Wechselwirkungen zwischen Verstärker und Lautsprecher sind unkontrolliert wirkende Membranauslenkungen, die bei Tieftönern einem willkürlichen Hin-und-her-Schwingen der Membran gleichen. Was kann noch geschehen? Es können sehr komplexe Situationen entstehen, in denen der Strom für einen kleinen Frequenzbereich stark ansteigt und in einem anderen Frequenzbereich gleichzeitig extreme Phasenverschiebungen zwischen Strom und Spannung entstehen. Noch kritischer ist es, wenn die Verstärkerschaltung plötzlich anfängt zu schwingen, weil sie von „außen moduliert“ wird. Zugegeben, das Szenario klingt nach einer mangelhaften Konstruktion, deshalb ist es notwendig, den Dämpfungsfaktor eines Leistungsverstärkers frequenzabhängig zu bestimmen.
Messverfahren
Das Messverfahren besteht, vereinfacht formuliert, aus zwei Durchgängen. Im ersten Durchgang wird über einen gewählten Frequenzbereich die so genannte Leerlauf-Klemmspannung direkt am Lautsprecherterminal gemessen und gespeichert. Im zweiten Messdurchgang wird ein rein ohmscher Lastwiderstand, als Ersatz für einen Lautsprecherauf den sich dann die Angabe des Dämpfungsfaktors (z.B. 150 @ 8 Ohm) bezieht, angeschlossen. Der Messvorgang wird wiederholt und die beiden Ergebnisse machen in der anschließenden Berechnung den Dämpfungsfaktor (D) aus. Ein Dämpfungsfaktor von 150 @ 8 Ohm würde bedeuten, dass die vom 8 Ohm Lautsprecher erzeugten Störungen vom Verstärker auf ein Einhundertfünfzigstel reduziert werden.
Die Fachwelt spaltet sich an der Wichtigkeit dieses Themas. Der Dämpfungsfaktor eines Verstärkers ohne Ausgangsübertrager wird heute als weniger wichtig angesehen, denn viele gegengekoppelte Verstärkerschaltungskonzepte sind heute auf geringe Übergangs- und Innenwiderstände an den dafür notwendigen Stellen konstruiert worden. Dies bedeutet, dass der Ausgangswiderstand eines Verstärkers um ein Vielfaches niedriger ist, als der Serienwiderstand des Lautsprecherkabels oder der Lautsprecherimpedanz. Bei Röhrenverstärkern wird es noch interessanter, weil sie am Ausgang einen Übertrager (Trafo) haben, um einen Lautsprecher auch niederohmig betreiben zu können. Da dieser selbst einen induktiven, frequenzabhängigen Widerstand aufweist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es hier zu Wechselwirkungen mit komplexen Lautsprecherlasten kommen kann, größer.
Wechselwirkungen
Aufgrund der Auseinandersetzung mit der Thematik des Dämpfungsfaktors, zeigt sich auch eine Liste der Fehlerquellen, die bei dessen Ermittlung auftreten können. So sind die thermischen Abweichungen von ohmschen wie elektrischen Widerständen nicht zu verachten, genauso wenig wie Kabel- und Übergangswiderstände an Anschlüssen und die Länge der Messleitungen. Schließlich werden hier Unterschiede im tausendstel Ohmbereich gemessen. Im allgemeinen Laboralltag hat sich gezeigt, dass scheinbar bedeutungslose Handhabungsabweichungen zu deutlichen Diskrepanzen in den Messergebnissen führen können. Deshalb nutzen wir die Ergebnisse nur für die interne Auswertung eines Testgerätes.
Aufgrund unserer gesammelten Erfahrungen raten wir Ihnen, nur Lautsprecherleitungen und Verbindungen einzusetzen, die einen möglichst geringen Serienwiderstand zwischen Verstärker und Lautsprecher einfügen. Das bedingt auch, dass die Leitungen nicht übermäßig lang sind, weil sonst der ohmsche Widerstand steigt. Sie sollten auch nicht in Kringeln herumliegen, weil damit zusätzliche Induktivitäten gebildet werden könnten. Es ist immer wichtig, sich vor Augen zu halten, dass geringe Kabelquerschnitte einen höheren ohmschen Widerstand in Bezug auf die Kabellänge bilden, als Kabel mit größerem Querschnitt. Es ist unerlässlich, dies zu beachten, damit der Dämpfungsfaktor der Endstufe gegenüber dem Lautsprecher nicht unnötig reduziert wird.