Dr. Sound klärt auf: Laufzeitunterschiede

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Zeitliche Verzögerungen bei der Audiowiedergabe

An vielen Stellen der Audiowiedergabe kommt es zu zeitlichen Verzögerungen. Die meisten davon sind beim Hören nicht wahrnehmbar. Dennoch gibt es Fälle, bei denen minimale Laufzeitdifferenzen für klangliche Beeinträchtigungen sorgen können.

Es existieren zwei wichtige elektrische Bauteile, die an fast allen Stellen der Signalkette, bis hin zum Lautsprecher, ihre Wirkung zeigen: der Kondensator und die Spule. Beide weisen ganz eigene physikalische Eigenschaften auf. Im Zusammenspiel mit anderen Bauteilen oder als Bestandteil spezieller Schaltungen können wir einige Effekte beobachten. Zu denen gehören sogenannte Veränderungen im Phasenverlauf bzw. der Gruppenlaufzeiten für bestimmte Frequenzbereiche (siehe Dr. Sound, AUDIO TEST 4/2011).
 
Hierbei werden nicht alle Frequenzen der Audiowiedergabe mit der gleichen zeitlichen Konstanz weitergeleitet. Es gibt noch eine Reihe modernere Bauteile, die in Form von digitalen Schaltkreisen ihren Einsatz finden. Zu ihnen gehören verschiedene Prozessoren: DSPs, FPGAs und auch A/D- bzw. D/A-Wandler benötigen Zeit zur Verarbeitung der Audiosignale. Bei ihnen ist grundsätzlich zu erwarten, dass alle Frequenzen der Audiowiedergabe mit einem konstanten zeitlichen Versatz am Ausgang gegenüber dem Eingangssignal wieder ausgegeben werden. Keine Angst, es folgt keine trockene Physikstunde.

Der Kondensator

Allen Bauarten von Kondensatoren ist eines gemein: Sie sind Speicher für elektrische Ladungen. Die Menge der speicherbaren Ladung richtet sich nach der effektiv verfügbaren Fläche der Kondensatorplatten, dem Dielektrikum zwischen ihnen und – ganz wichtig – der elektrischen Spannung, mit der die Ladungsträger (Elektronen) auf die Platten aufgebracht werden. Beim Auflade- und Entladevorgang am Kondensator existieren Wechselwirkungen zwischen Spannung und Strom. Diese treten immer in Verbindung mit einem zum Kondensator verschalteten Widerstand auf. Das Laden und Entladen desselben und der Strom der ihm dabei zugefügt bzw. wieder entnommen werden kann, unterliegt einer bestimmbaren Zeitkonstante, dem sogenannten Tau (τ). Die Wechselwirkungen zwischen Spannung und Strom am Kondensator zeigen sich verkürzt betrachtet folgendermaßen auf: Um den Kondensator schnell zu laden, wird ein hoher Strom benötigt, bis dieser, beim Erreichen der Kapazitätsgrenze, gegen Null sinkt. Beim Entladevorgang kehrt sich das Ganze wieder um.
 
Wenn eine sinusförmige Wechselspannung am Kondensator anliegt (Audiosignale sind Wechselspannungen mit einem breiten Frequenzspektrum), so ist der Stromverlauf an diesem Bauteil mathematisch betrachtet die Ableitung dieser Sinusfunktion. Daraus ergibt sich dann eine Cosinusfunktion, wie in der Grafik zu erkennen ist. Was jetzt in der Grafik auffallen sollte, ist, dass die Wellenberge und Täler der Funktion für Strom und Spannung nicht übereinanderliegen, sondern um einen festen Abstand versetzt sind. Diesen Versatz bezeichnet man als Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom am Kondensator. Natürlich kann dies auch als Laufzeit verstanden werden. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass der Strom der Spannung voraus eilt, um genau zu sein 90 Grad, also einem Viertel der Periodendauer (T) der vorherrschenden Frequenz der Wechselspannung. Im Audiobereich werden Kondensatoren im Signalweg zum Auskoppeln von Gleichspannungsanteilen aus dem Tonfrequenzsignal verwendet oder sie sind Bauteile einer der vielfältigen Arten von Filtern und Schwing- oder sogenannten Saugkreisen.

Die Spule

Die Themen Spule und magnetisches Feld sind sehr komplex. Wir werden dennoch versuchen, die Sachverhalte sehr knapp zu behandeln. Ein Leiter, in dem es zum Stromfluss kommt, baut um sich herum ein Magnetfeld auf. Der magnetische Fluss des Feldes ist der Stromstärke im Leiter gegenüber proportional. Wickelt man diesen Leiter in der Form einer Spule auf, überlagern sich die Magnetfelder der einzelnen Leiterwindungen. Es bildet sich im Raum, der die Windungen umschließt, ein gerichtetes, gleichmäßiges (homogenes) Magnetfeld aus, außerhalb der Windungen entsteht ein ungerichtetes magnetisches Streufeld. Für die Berechnung und die Konstruktion einer Spule sind die Windungszahl, die Länge der Spule, ihre Querschnittsfläche und weitere physikalisch-elektrische Größen wichtig.
 
Grundsätzlich wird zwischen zwei Arten von Spulen unterschieden. Die eine hat einen Kern aus Eisen oder Ferrit zur Erhöhung ihrer Induktivität, die andere hat keinen Kern und wird daher als Luftspule bezeichnet. Ein für unsere Thematik interessantes Phänomen ist die Selbstinduktion, die bei Leiterschleifen und der Spule auftritt. Kommt es in einer Leiterschleife bzw. Spule zu einer Veränderung der Stromstärke, so entsteht wegen der o. g. Proportionalität eine Änderung des magnetischen Flusses. Dabei entsteht nach dem Faradayschen Induktionsgesetz eine Spannung. Diese ruft in der Spule einen Induktionsstrom hervor, der nach der „LENZschen Regel“ der vorgenommenen Stromänderung entgegenwirkt. Damit findet die Selbstinduktion (Gegeninduktion) statt. Durch diese Selbstinduktion kann die Stromstärke in einer Spule nicht sofort, sondern immer nur mit einer gewissen Trägheit ansteigen, weil der entstehende Induktionsstrom das Anwachsen des eigentlichen „Nutzstromes“ hemmt. Es vergeht also eine bestimmte Zeit (Verzögerung) bis der „Nutzstrom“ seine volle Stärke erreicht hat.
 
Dieses Verhalten kann im Audiobereich musikalische Impulse behindern und die Transparenz des Klangs beeinflussen, aber keine wirklichen Änderungen im Timing der gespielten Noten hervorrufen, sondern nur die Illusion bestärken! Wenn wir jetzt den Verlauf von Spannung und Strom an der Spule mathematisch betrachten, ist zu erkennen, dass die angelegte Spannung von einem durch die Spule verzögerten Strom (durch Selbstinduktion) begleitet wird. Diese Abhängigkeit stellt sich für eine sinusförmige Wechselspannung als die Ableitung des Stromverlaufes an der Spule dar. Dieser Stromverlauf erscheint als negativ cosinusförmig (Grafik). Was jetzt in der Grafik auffallen sollte, ist, dass die Wellenberge und Täler der Funktion für Strom und Spannung nicht übereinanderliegen, sondern um einen festen Abstand versetzt sind. Diesen Versatz bezeichnet man als Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom an der Spule.
 
Natürlich kann dies auch als Laufzeit verstanden werden. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass der Strom der Spannung um 90 Grad versetzt hinterherläuft, also einem Viertel der Periodendauer (T) der vorherrschenden Frequenz der Wechselspannung. Aufgrund ihrer starken Beeinflussbarkeit durch magnetische Felder werden Spulen viel öfter in Lautsprecherfrequenzweichen eingesetzt als in Kleinsignalschaltungen. In der Form von Drosseln kommen Spulen auch in der Hochfrequenztechnik zum Einsatz, aber auch Filter sowie Schwing- oder sogenannten Saugkreise werden mit ihnen konstruiert. Die Schwingspule von Lautsprechern ist auch eine Spule, genauso wie der Transformator der ein Netzteil versorgt. Ein viel zu langes Lautsprecherkabel kann auch als Leiterschleife betrachtet werden, mit möglichen Folgen für den Klang.

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