Die Türkei zählt zu jenen Ländern mit der buntesten und vielfältigsten Fernsehlandschaft überhaupt. Unzählige Stationen, begonnen von nationalen Vollprogrammen über kleine Regionalsender bis hin zu Spartenkanälen sorgen für Abwechslung.
All das wird unverschlüsselt über 42 Grad Ost übertragen. Leider ist der Empfang der hier positionierten Türksats in unseren Breiten teils eine echte Herausforderung.
Türksat 3A
Türksat 3A wurde am 12. Juni 2008 gestartet. Seine vorgesehene Lebensdauer beträgt 15 Jahre. Der Satellit verfügt über 24 Ku-Band-Transponder, die über zwei Beams arbeiten. Die Kernausleuchtzone des Westbeams erstreckt sich von der Türkei bis Mitteleuropa und erfasst auch Deutschland zur Gänze. Über den Ostbeam werden primär die Türkei, weite Teile der Arabischen Halbinsel, sowie die Region vom Iran bis nach Kirgisistan erreicht. Mitteleuropa wird, zumindest laut den veröffentlichten Versorgungskarten mit deutlich schwächerem Signal bedient. Weiter soll Türksat 3A über einen speziellen Türkei-Spotbeam verfügen. Dieser wird aber offensichtlich nicht genutzt.
Empfang des Türksat 3A
105 freie Fernsehprogramme werden über den Westbeam, nur zehn über den Ostbeam des Türksat 3A ausgestrahlt. In Sachen Signalstärken sind zwischen den Ausleuchtzonen keine Unterschiede festzustellen. Wohl auch deshalb, weil es bereits bei den Westbeam-Transpondern enorme Schwankungen gibt. So kommt an unserem Empfangsort der schwächste Westbeam-Transponder mit rund 8 dB, der stärkste mit 17 dB über Grundrauschen an. Die Ostbeam-Transponder liegen mit ihren rund 10,5 bis 12 dB im oberen Mittelfeld. Türksat 3A gilt bei uns als leicht zu bekommen. Selbst die östliche Ausleuchtzone stellt keine besondere Herausforderung dar und sollte in unseren Breiten mit noch vertretbarem Aufwand zu meistern sein. Nachdem Deutschland nicht nur im Zentrum des West-, sondern auch noch innerhalb des Ostbeams liegt, ist zudem stabiler 24 Stunden-Empfang gewährleistet. Die Schwankungsbandbreite während eines Tages liegt bei bescheidenen rund 1,2 dB, womit unliebsame Überraschungen, wie Ausfälle über mehrere Stunden hinweg genauso ausgeschlossen sind wie beim normalen Astra-Empfang auf 19,2 Grad Ost.
Türksat 4A
Am 14. Februar 2014 wurde Türksat 4A ins All befördert. Der Satellit ist für eine Einsatzdauer von 15 Jahren konzipiert. Er besitzt 28 Ku- und 2 Ka-Band-Transponder. Im Ku-Band arbeitet Türksat 4A über vier Footprints. Während der Westbeam im deutschen Sprachraum ab etwa 60 cm Durchmesser zu bekommen ist, werden wir vom Ostbeam nur noch am Rande versorgt. Für ihn empfiehlt der Satellitenbetreiber für die südliche Hälfte Deutschlands 1,8 bis 2,4 m. Der deutsche Norden befindet sich überhaupt schon out of Footprint. Zwei Programme werden über einen Afrika-Beam verbreitet. Dieser ist hier nicht zu sehen.
Türkeibeam
Die attraktiven Inlandsversionen der großen türkischen Privatsender werden über den Türkei-Spotbeam ausgestrahlt. Bei ihm sind wir in unseren Breiten ziemlich chancenlos. Im oberösterreichischen Linz ist es uns zuletzt vor zwei Jahren gelungen, zumindest zwei dieser Transponder auf den Bildschirm zu bekommen – stets hart an der Grenze des gerade noch machbaren. Heute können wir die Transponder in der Spektrumsanzeige der Empfangssoftware EBS Pro gerade noch wahrnehmen. Ihre Signalstärke dürfte jedoch nur einen Bruchteil der schwächsten Ostbeam-Transponder erreichen. Viel zu wenig, um die Datenströme erkennen, geschweige denn, auswerten und sichtbar machen zu können. Geringe Chancen bestehen hier bestenfalls bei perfektem Wetter. Wobei auch die Tageszeit und somit die aktuelle Position des Türksat 4A im geostationären Orbit eine Rolle spielen wird. Gelegentlich ist zu vernehmen, dass im deutschen Südwesten der eine oder andere Türkeibeam-Transponder ab und an mal für wenige Stunden ab etwa 1,8 m Durchmesser hereinkommt. Dies könnte auf eine regional begrenzte Nebenkeule deuten, deren praktischer Wert für dauerhaften Empfang aber ebenfalls nicht gegeben ist.
Empfang des Türksat 4A
Türksat 4A belegt den Bereich zwischen 11,7 und 12,5 GHz. Auf der vertikalen Ebene wird ausschließlich über den Westbeam gesendet. Er sorgt für Signalstärken von etwa 14,5 bis über 20 dB und ist somit durchweg auch mit kleinen Antennen zu bekommen. Eine ungleich größere Herausforderung erwartet uns auf der horizontalen Ebene. Sie beheimatet alle Ost- und Türkeibeam-Transponder. Obwohl wir uns im oberösterreichischen Linz im Vergleich zum überwiegenden Teil Deutschlands bereits in einer bevorzugten Empfangslage befinden, haben auch wir mit einzelnen Transpondern hart zu kämpfen. An unserer 450er-Schüssel ermitteln wir bei bewölktem Himmel Signalstärken zwischen 6,4 und 16,8 dB. Besonders unangenehm ist uns dabei aufgefallen, dass einige Transponder eine geringfügig andere Antennenausrichtung benötigen. So lässt sich bei ihnen bis über 1 dB gewinnen, während bei anderen bis zu 4 dB verloren gehen. Während uns auf dem Türkeibeam jeglicher Erfolg verwehrt blieb, konnten wir wenigstens alle über den Ostbeam ausgestrahlten Programme störungsfrei sehen. Im 24 Stunden-Verlauf zeigt sich der Türksat 4A überaus stabil. Seine Schwankungsbandbreite beträgt innerhalb des Ostbeams an die 1,1 dB und bietet so ideale Voraussetzungen für dauerhaften Empfang. Allerdings unter Voraussetzung des entsprechenden Antennendurchmessers. Die attraktivsten türkischen Privatsender kommen mit ihren Inlandsversionen über den Türkeibeam des Türksat 4A. Damit bleiben für uns Lieblinge wie Kanal D, Star TV und Fox unerreichbar. Immerhin bei atv, Show TV und Kanal 7 bestehen Chancen, da diese über den Ostbeam des Türksat 4A kommen, der zumindest noch im deutschen Süden machbar ist. Als Alternative bieten mehrere große Privatsender eigene Europaversionen, auf denen es anstatt hochkarätiger Filme, Serien und Sport in der Regel urheberrechtlich unbedenkliche Inhalte zu sehen gibt. Zu ihnen zählen etwa Euro D, Euro Star und atv Avrupa. Im Vergleich mit ihren Originalversionen wird schnell klar, warum die Auslandsfassungen dieser Programme bei den der türkischen Sprache mächtigen Personen nicht allzu gut ankommen. Hinzu kommt, dass die Europaprogramme von atv, Kanal D und Co. nur in SD ausgestrahlt werden. Zumindest mit den Kanälen des staatlichen türkischen Fernsehens werden wir bestens versorgt. Sie kommen über mehrere Ost- und Westbeam-Transponder beider Türksats in HD und SD und sind somit auch mit jeder 90er-Schüssel zu sehen. In der Türkei scheinen Nachrichtensender hoch im Kurs zu stehen. Nicht nur die großen Senderfamilien betreiben eigene News-Kanäle, sondern auch der Staatsfunk. Daneben sind auch eine Reihe kleiner Nachrichtenstationen on air. Generell muss man sich aber die Frage stellen, inwieweit es ihnen möglich ist, neutral und objektiv zu berichten. Für Nichttürken dürfte der große Reiz der Position 42 Grad Ost in den unzähligen kleinen TV-Sendern liegen. Gerade sie zeigen sich ihren Heimatregionen äußerst verbunden und zeigen uns Land und Leute, sowie deren Kultur und Brauchtum. Dabei genügt es alleine, Bilder sprechen zu lassen. Sie reichen, um uns in fremde, unbekannte Welten zu entführen, die wir während üblicher Türkei-Urlaube in den diversen Touristen-Hochburgen nicht annähernd zu Gesicht bekommen. Die Türkei steht schließlich auch für viel mehr, als die immer wieder aufkommenden politischen Streitigkeiten mit der EU. Die Türkei ist reich an Geschichte und Traditionen. Hier kann das Fernsehen auch seinen Beitrag dazu leisten, das Bild, das man vielleicht von der Türkei und deren Bewohnern hat, in einem neuen Licht zu sehen.
Musiksender
Ein Geheimtipp auf 42 Grad Ost sind auch die Musiksender. Egal ob folkloristisch angehaucht oder den aktuellen Pop-Trends folgend, sie alle bringen uns Musikstücke zu Gehör, die wir mit Sicherheit noch nicht gekannt haben. Gute Popmusik muss eben nicht nur aus den USA oder UK kommen. Auch in anderen Weltregionen gibt es viele gute Künstler, die es Wert sind, gehört zu werden. Dabei kommt es, zumindest für Nichttürken, gar nicht auf die Texte an. Alleine die Rhythmik der Titel reicht, um mitzureißen. Mit dem richtigen Fernsehformat scheint man es auf 42 Grad Ost nicht allzu ernst zu nehmen. So ist es etwa gängige Praxis, dass die SD-Versionen von auch in HD angebotenen Kanälen einfach auf das alte 4:3-Bildformat zusammengestaucht werden – was bei den privaten und staatlichen Sendern gleichermaßen unangenehm auffällt. Dies lässt die Vermutung zu, dass in der Türkei noch sehr viele alte Fernseher mit 4:3-Bildschirm in Betrieb sind und man im Lande anstatt schwarzen Streifen am oberen und unteren Rand lieber verzerrte Bilder sieht. Alleine die Senderlogos werden meist formatrichtig eingeblendet. Bei diesen Programmen ist die Formatumschaltung des Fernsehers gefragt.
Stichwort Radio
Alleine über die westliche Ausleuchtzone beider Türksats sind 65 Radioprogramme verfügbar. Neben einem breiten Spektrum staatlicher Kanäle, sorgen vor allem die vielen Privatsender für Abwechslung. Auf ihnen kann man frische, fröhliche, und für unsereins auch sehr viele neue, absolut hörenswerte Titel entdecken. Zudem zeigen uns die Moderatoren, wie man Radio machen kann. Selbst, wenn man kein Wort versteht, verrät alleine die Sprachmelodie, dass die Sprecher vor ihren Mikros mit Herz und Seele bei der Sache sind. Etwas, was man bei uns nur allzu oft zu vermissen scheint. Südländisches Radio klingt eben ganz anders als das, was wir von den heimischen Sendern gewohnt sind. Türkisches TV und Radio mag für uns deshalb so interessant sein, weil es aus einer Region kommt, die noch irgendwie Europa und somit westlich, andererseits aber kulturell auch schon tief asiatisch gefärbt ist. All das – angereichert mit lokalem Brauchtum, das sich je nach Region stark voneinander unterscheidet – finden wir auf türkischen Kanälen wieder. Dazu genügt es, alleine Bilder sprechen zu lassen. Alleine sie vermitteln uns viel Neues, Unbekanntes und helfen auch ein wenig, die türkische Mentalität etwas besser zu verstehen.
Leicht bis unmöglich
Über die Position 42 Grad Ost werden über den Westbeam der beiden Türksats 198 frei empfangbare TV-Kanäle ausgestrahlt. Für sie reichen Antennendurchmesser bis etwa 1,2 m. Beim Empfang des Ostbeams wird es indes bereits anspruchsvoll. Zumindest die zehn Programme des Türksat 3A sollten noch relativ leicht zu bekommen sein. Für die 24 Ostbeam-Stationen des Türksat 4A bestehen am ehesten im deutschen Süden Chancen. Auf die 50 über den Türkeibeam übertragenen Kanäle muss man in unseren Breiten jedenfalls verzichten – was insofern schmerzt, da über diese Ausleuchtzone die attraktivsten Privatsender mit ihren Inlandsversionen zu sehen wären.
Bildquelle:
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