Die Geschichte des Fernsehens: Die Programmvielfalt wächst (Teil 10)

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© Auerbach Verlag/Thomas Riegler

Die 1980er waren das Zeitalter des Videorekorders und des beginnenden Satellitenzeitalters. Dieses Jahrzehnt hatte uns vor allem eine Vielfalt neuer Programme beschert, von denen wir kurz zuvor noch nicht einmal zu denken wagten. Der Satellit machte das möglich.

Große Veränderungen

Im Vorsatelliten-Zeitalter war Fernsehempfang aus Europa und angrenzenden Regionen nur auf terrestrischem Wege möglich. Alljährlich von Juni bis etwa Mitte August waren Überreichweiten im VHF-Band 1 an der Tagesordnung. Der Bereich grenzt an die Kurzwelle an und hat auch ähnliche Ausbreitungsbedingungen. Die TV-Signale wurden in den oberen Luftschichten reflektiert und kamen oft in Ortssenderqualität bei uns an.

Am besten waren TV-Sender aus 1.600 bis 2.200 Kilometern Entfernung zu sehen. Falls es die Ausbreitungsbedingungen zuließen, schaute ich damals schon gerne den Stierkämpfen im spanischen TV zu. Auch „Derrick“ in Deutsch mit norwegischen Untertiteln hatte seinen Reiz. Genauso wie BBC1 in der aus den 1930ern stammenden TV-Norm A, bei der alle Bildfangregler am TV derart zu verdrehen waren, dass damit anschließend kein anderer Sender mehr zu sehen war.

Fast täglicher Gast war auch sowjetisches Fernsehen. Es bot nichts, was die jüngere Generation auch nur annähernd begeistern konnte. Ernteeinsätze, Militärparaden, Berichte zur Erfüllung des Plansolls, das war’s auch schon. All das wurde mit TV-Sprecherinnen garniert, die gelinde ausgedrückt, zum Fürchten aussahen. Man hätte sie auch als Drachen beschreiben können.

Ab Mitte der 1980er kamen erste Pocketfernseher mit LCD-Bildschirm auf den Markt. Ihre Bilddiagonalen bewegten sich bei rund 4 Zentimeter.
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Ära Gorbatschow

Dann kam das Jahr 1985. In der UdSSR hatte ein gewisser Michail Sergejewitsch Gorbatschow das Amt des Generalsekretärs des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion eingenommen. Viel wusste man bei uns von diesem Herren noch nicht und man dachte, in der UdSSR werde alles weiter seinen gewohnten Lauf nehmen.

Doch dann startete die Fernempfangssaison und ich konnte wieder russisches TV sehen. Doch war es das wirklich? Plötzlich lachte mir eine hübsche TV-Ansagerin entgegen und auch die Nachrichten wurden nicht mehr so steif wie in der Vergangenheit präsentiert. Als dann im Hauptabendprogramm ein brandneuer Airport-Katastrophenfilm, Made in Hollywood, also direkt vom Klassenfeind über die Mattscheibe flimmerte, war mir klar, dass im Osten große Veränderungen im Gange waren. Nur Monate darauf waren uns allen Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) ein Begriff. Schnell erkannten wir, dass Dank Gorbi der Osten und Westen näher zusammenrücken werden.

Der große Tag

Am 21. November 1987 wurde der Start des deutschen TV-Sat 1 mit einer Ariane–2-Rakete live im Fernsehen übertragen. Die Erwartungen waren groß. Endlich mehr Programme und endlich einwandfreie Bildqualität. Wie sich jedoch bald nach dem Start herausstellte, wurde eines der ausklappbaren Solarpanele falsch am Satelliten montiert. Womit es blockiert wurde und auch die Empfangsantenne nicht ausgeklappt werden konnte. Ein Totalverlust. Aus der Traum vom deutschen Fernsehen aus dem All.

Der Kleine aus Luxemburg

Bereits Mitte der 1980er hatte ein unscheinbares Unternehmen von sich Reden gemacht, das eine Art Direktempfangssatelliten ins All schicken möchte. Er sollte zwar die Kapazität für 16 Programme haben, diese aber nur mit etwa 40 Watt abstrahlen. Also nur ein Bruchteil der Sendeleistung der DBS-Satelliten. Aber immerhin jedenfalls das Doppelte bisheriger Kommunikationssatelliten.

Der Casio TV21 war ab 1985 erhältlich. Er brauchte noch eine externe Lichtquelle. Das Schwarzweißbild konnte man auf einem Spiegel betrachten.
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Der Satellit namens Astra sollte auf 19,2 Grad Ost positioniert werden und mit rund 60 bis 90 Zentimeter kleinen Schüsseln empfangbar sein. Damit lag das Projekt zwischen den bereits im All befindlichen Kommunikations- und den vorgesehenen Direktempfangssatelliten, für die extrem kleine Schüsseln reichen sollten. So richtig ernst genommen haben die etablierten Satellitenbetreiber den Neuling nicht.

LCD-Fernseher

Ab Mitte der 1980er kamen die ersten Miniaturfernseher auf den Markt. Sie waren ultraflach und fanden in jeder Hosentasche Platz. Möglich wurde das durch eine revolutionäre neue Bildschirmtechnologie. Anstatt einer großen schweren Glasröhre, kam nun ein hauchdünner LCD-Schirm zum Einsatz. Ihre Bilddiagonalen lagen bei rund vier Zentimeter. Zudem brauchten die ersten Schwarzweißgeräte eine Hintergrundbeleuchtung, weshalb der eigentliche Bildschirm in einer schwenkbaren Klappe eingebaut war.

Durch sie schien das Sonnenlicht und warf das TV-Bild auf einen Spiegel darunter. Viel erkennen konnte man nicht. Das Bild war zudem flau und unscharf. Zudem litten die Geräte an extrem schlechten Empfangsleistungen. Womit die Teile bestenfalls zum Angeben taugten. Fernsehen wollte man sich damit kaum antun. Ab Ende der 1980er waren auch die ersten Farbgeräte, diesmal schon mit eigener Beleuchtung, verfügbar. Sie waren unter Freaks alleine schon deshalb ein must have, weil sie in jeder Hosentasche Platz fanden. Laufzeit mit vier AA-Batterien: rund 45 bis 60 Minuten.

Während der Anfangsjahre sendeten die Privaten längst noch nicht rund um die Uhr. RTL startete erst am Nachmittag mit seinem Programm.
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Die erste eigene Schüssel

Die erste eigene Schüssel in Form einer drehbaren 180-Zentimeter-Anlage, kam im Frühjahr 1989. Drehbar musste sie deshalb sein, um wirklich alle deutschen Programme sehen zu können. Die waren schließlich auf drei, wenige Monate später sogar auf vier Satelliten verteilt. Die attraktivsten Sender, Sat1, RTL, 3sat und Teleclub kamen über 13 Grad Ost, das Bayerische Fernsehen, WDR3, ARD 1plus und ProSieben über 60 Grad Ost. Eurosport und Screensport, der auch deutschen Ton anbot, kamen bereits über den brandneuen Astra 1A auf 19,2 Grad Ost.

Zwischen 63 Grad Ost und 27,5 Grad West konnten nicht weniger als 37 Programme, darunter auch einige Überspielungsleitungen, empfangen werden. Angerauscht kamen sogar einige englischsprachige Kanäle, wie CNN, MTV und Discovery. Selbst Programme aus der Türkei und dem Iran, letztere nur stark verrauscht, waren zu sehen. Es reichte aber, um zu erkennen, dass im Iran damals noch viel strengere Sitten herrschen mussten als heute. Das ließen zumindest die vielen Personen mit umgehängtem Maschinengewehr in belanglosen Straßenszenen vermuten.

Das Satellitenfernsehen hat seinen Beitrag dazu geleistet, fremde Länder, Menschen und Kulturen besser als zuvor kennenzulernen und auch ein wenig besser zu verstehen.

Das Kopernikus-Desaster

Eigentlich war der deutsche DFS Kopernikus 1 als Kommunikationssatellit für die Verbindung zwischen der BRD und Westberlin vorgesehen gewesen. Der Start von Astra 1A im Dezember 1988 brachte Deutschland jedoch in Zugzwang. Man wollte das TV-Geschäft nicht einem, nennen wir es ruhig, dubiosen luxemburgischen Unternehmen, überlassen. Astra-Sets mit 60-Zentimeter-Schüssel wurden inzwischen für kleines Geld, ab etwa 500 Euro, angeboten.

Der Grundig STR10 war einer der ganz frühen Sat-Receiver für den Direktempfang von Eutel- und Intelsat-Satelliten.
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Also versuchte man, Kopernikus kurzerhand zu einem TV-Satelliten umzufunktionieren. Etwas, worauf die Hersteller nicht vorbereitet waren. Denn Kopernikus nutzte zwei Frequenzbereiche, nämlich das untere Ku-Band von 10,95 bis 11,7 GHz und das obere Ku-Band von 12,5 bis 12,75 GHz. Dafür geeignete LNBs gab es dafür ebenso wenig wie bezahlbare Receiver, die zwischen beiden Frequenzbereichen hätten umschalten können. Dies veranlasste manchen Antennenbauer und Hersteller zu abenteuerlichen Lösungen, die mehr schlecht als recht funktionierten. Zudem wurden auf die 11-GHz-Transponder je zwei Programme gepackt, was zulasten der Sendeleistung ging.

DFS Kopernikus 1 wurde mit 1. August 1989 in Betrieb genommen und vereinte auf einer einzigen Position alle deutschen Sat-TV-Programme. Auf einem Transponder wurde zusätzlich das digitale DSR-Satellitenradio aufgeschaltet. Da für den auf 23,5 Grad Ost positionierten Satelliten kompliziertes Empfangsequipment erforderlich war, kostete eine Kopernikus-Schüssel rund das Doppelte einer Astra-Antenne. Womit sich die Deutschen kaum dafür interessierten.

TV-Sat 2

Am 8. August 1989 wurde TV-Sat 2 gestartet und gemeinsam mit DFS Kopernikus 1 anlässlich der Berliner Funkausstellung in Betrieb genommen. Für den Empfang des auf 19 Grad West positionierten Highpower-Satelliten reichten zwar Antennen ab etwa 20 Zentimeter Durchmesser. Für sie brauchte es aber einen speziellen DBS-LNB für den Empfang zirkularer Signale im Bereich von 11,7 bis 12,5 GHz. Zudem nutzte der TV-Sat 2 mit D2Mac eine neue Übertragungsnorm, die zwar eine hervorragende Bildqualität lieferte, aber auch spezielle Receiver erforderte. All das machte TV-Sat–2-Anlagen nicht nur teuer. Man konnte mit ihnen auch nur die vier Programme Eins Plus, 3sat, RTL plus und Sat1 sehen.

Der 1. November 1989

Während der ersten sechs Monate Satellitenfernsehen wurden nach und nach weitere Überspielkanäle im Receiver einprogrammiert. Platz genug war ja noch. Er bot ja 49 Speicherplätze. Am Abend des 9. November 1989 haben wir selbstverständlich auch in Österreich mitbekommen, dass während dieser Stunden nicht nur deutsche, sondern Weltgeschichte geschrieben wird. Im heimischen TV wurde darüber nur wenig berichtet. Aber auf den Überspielkanälen waren wir über Satellit live dabei, wie die Ostberliner auf die Mauer kletterten, immer mehr und mehr, wie eine einzigartige Stimmung herrschte.

Die Sat-Receiver aus den 1980ern wollten durchweg noch am Gerät selbst programmiert werden. Was das Wissen sämtlicher Übertragungsparameter voraussetzte.
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Dann öffneten sich auch die Grenzbalken und auch wir waren live dabei und fühlten mit, wie groß die Freude war, als sich die ersten aus dem Osten zu Fuß und per Auto nach Westberlin aufmachten. Einfach live dabei sein und das Geschehen über mehrere Videoleitungen aus verschiedenen Blickpunkten Weltgeschichte erleben. Mir hatte man noch in der Schule beigebracht, dass im Osten wie im Westen letztlich nur Menschen wie du und ich leben. Wobei der Lehrer mit Bedauern zum Ausdruck brachte, dass der Fall des Eisernen Vorhangs keinesfalls im Laufe unser aller Leben stattfinden werde. Das war so um 1982.

Astra lernt Deutsch

Erste kompakte Antennen für Astra 1A auf 19,2 Grad Ost waren bereits installiert. Auf elf Traspondern konnte man neben den beiden Sportsendern mit deutschem Ton vor allem die ersten britischen Sky-Programme sehen. Unverschlüsselt! Der große Renner war Astra damit bei uns aber noch nicht. Das sollte sich mit dem 7. Dezember 1989 auf einem Schlag ändern. Auf den noch freien Transpondern wurden Sat1, RTL, ProSieben und Teleclub, der aber bald darauf verschlüsselt wurde, aufgeschaltet.

Wenige Wochen später folgte 3sat. Damit konnten über diese Position mit einem Schlag die beliebtesten deutschen Privatsender mit kleinen und preiswerten Antennen empfangen werden. Ein Boom auf Astra-Anlagen setzte ein und keiner interessierte sich mehr für Kopernikus, geschweige denn TV-Sat 2. Nach dem Start der weiteren Astra-Satelliten ab 1991 folgten auch die weiteren deutschen Programme und machten die Orbitposition 19,2 Grad Ost zur einzig relevanten für den deutschen Sprachraum. Die Position sollte sich dauerhaft etablieren.

Im nächsten Teil unserer Reihe „Die Geschichte des Fernsehens“ schauen wir uns an, wie es in den 90er Jahren mit dem bewegten Bild weiterging.

Ältere Folgen:
Die Geschichte des Fernsehens: Wie alles begann (Teil 1)
Die Geschichte des Fernsehens: Olympia 1936 und der Krieg (Teil 2)
Die Geschichte des Fernsehens: Eine Spielerei setzt sich durch (Teil 3)
Die Geschichte des Fernsehens: Ende der 60er gelingt der große Durchbruch (Teil 4)
Die Geschichte des Fernsehens: Der Weg ins Wohnzimmer (Teil 5)
Die Geschichte des Fernsehens: Das Farbfernsehen kommt (Teil 6)
Die Geschichte des Fernsehens: Vom Kabelfernsehen und einem TV-Krieg (Teil 7)
Die Geschichte des Fernsehens: Das Videozeitalter bricht an (Teil 8)
Die Geschichte des Fernsehens: Die Geburtsstunde des Satellitenfernsehens (Teil 9)

Bildquelle:

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1 Kommentare im Forum
  1. Kabel1 war ja auch so ein "Kopernikus-Sonderfall": Ton dazu war auf einem anderen Satellit, um den Kanal exklusiv für das Kabel zu übertragen...
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