Die Revolution des Kinos

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Die Revolution des Kinos, Teil 4

Von Surfwellen und Playboy-Bunnies

Apocalypse Now

 



Dem Wahn des verrückten Kilgores entkommen begibt sich die kleine Gruppe um Willard auf einem gewundenen Fluss weiter in den Dschungel. Das Boot ist für sie wie eine Festung vor den Gefahren, die am Flussufer auf sie lauern, aber auch ein Bollwerk gegen alternative Gedanken, wie sich im finalen Kapitel herausstellt. Bevor sie jedoch ihre Endstation erlangen, passieren sie wie auf einer Irrfahrt die skurrilsten Kriegs-Schauplätze der Filmwelt – Vorbei an einer Playboy-Bunny-Revue, einem anarchistischen Camp bis hin zur Do-Lung-Brücke, an der führerlose Soldaten auf unsichtbare Gegner feuern. Je näher sie Kurtz kommen, desto wahnsinniger sind auch die Auswüchse der Geschehnisse.





Am interessantesten ist jedoch die Weggabelung, die Coppola in der aktuelleren Redux-Fassung einfügte. Als die Überlebenden der Truppe mitten im Dschungel die Plantage französischer Besetzer entdecken, wird Willard zu einem Abendessen mit der Familie des Besitzers eingeladen. Wohlgemerkt sitzt nur er aus seiner Gruppe am Tisch und hört sich kommentarlos die sehr subjektiven Meinungen seiner Gastgeber über Amerikas Kriegspolitik bzw. die nihilistische Rolle der westlichen Streitkräfte in den bisherigen Kriegsgeschehen an. Willard verhält sich eher passiv und zeigt sich höchstens ein wenig verwirrt über die Frage nach dem Kriegssinn.





Am treffendsten formuliert es dann die attraktive Witwe, mit der sich Willard auf ein drogenbeeinflusstes Techtelmächtel einlässt. Diese beruhigt ihn damit, dass der Zweck seiner Existenz keine Rolle spielt, hauptsache er lebt. Zudem gibt sie das Muster für den Rest des Filmes vor, indem sie anmerkt: „Es gibt zwei von dir, einen der liebt und einen der tötet.“ Zwar besitzt diese Szene einen großen Interpretationsspielraum, die aussagekräftigste Deutung jedoch lässt den liebenden Teil Willards auf der Plantage bzw. im Bett der Schönheit verweilen, während sein kriegerischer Teil nicht anders kann, den Fluß hinab zu fahren, um den Mordauftrag zu erfüllen.



This is the End!

 



Nach wie vor weiß Willard nicht, weshalb er Kurtz töten sollte. Das einzige, was ihn vorantreibt, ist die Neugierde auf diese interessante Person. Marlon Brandos Auftritt ist nicht wirklich lang, jedoch bezeichnend für den ganzen Film, da er das Konglomerat auf alles zuvor Gezeigte darstellt. Ist der Fluss, auf dem Willard und Co. fahren, wie eine Blutlaufbahn, so erscheint das Ziel wie das Gehirn, in dem Kurtz‘ Gedanken pulsieren.



 



In Schatten gehüllt offenbart sich der große Denker nur teilweise der Kamera. Mag sein, dass diese Einstellungen auch wegen Brandos unerwartet immensem Körperumfang auf diese Weise umgesetzt wurden. Die gespaltene Person seiner Rolle wurde dadurch jedenfalls perfekt nach außen gekehrt. Im einen Augenblick noch Killer samt Kriegsbemalung, taucht er in der nächsten Szene (der Redux-Version) wiederum als von Kindern umringter Paladin auf, der sich gegen die Lügen der Regierung stellt, die durch bestimmet Organe der Presse ihre Verbreitung finden.



Töten und Lieben

 



Wie in einigen Filmen zuvor erwies sich Oscar-Preisträger Brando (der übrigens aus Protest gegen die soziale Benachteiligung der Indianer den Oscar für seine Rolle in „Der Pate“ ablehnte) auch bei diesem als schwierig zu händelnde Person, die möglichst viel Geld aus nur wenigen Auftritten herrausschlagen wollte. Da er völlig unvorbereitet am Set erschien, diktierte ihm Coppola über Wochen Conrads Novelle vor. Coppolas Unmut gegenüber seinem Hauptdarsteller ging sogar so weit, dass er die Leitung der Brando-Szenen an seinen Co-Regisseur Jerry Ziesmaer abgeben musste. Wegen Brandos schlechter Form, wurde zudem Kurtz‘ Erscheinungsbild im Drehbuch verändert und vom drahtigen Soldaten zum beleibten Philosophen umgeschrieben.





Wie im antiken Griechenland sitzt er nun auf seiner Bank, um sich im Dämmerlicht den Schriften zu widmen. Interessanterweise waren sich Francis Ford Coppola und Marlon Brando nicht wirklich über Kurtz’ Charakterzeichnung einig. Wollte der Regisseur einfach nur einen wahnsinnig gewordenen Mann zeigen, hatte der legendäre Schauspieler eher einen Ex-Mustersoldaten im Sinn, der an seinen Taten und auch dem irrationalen Vorgehen der Armee zugrunde ging und nun seine Schuld sühnt. In Anbetracht des fertigen Films sind aber beide Deutungen möglich.



 



Am Mittwoch lesen Sie an dieser Stelle, wie Martin Scorsese das Kino revolutionierte.



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