Die Revolution des Kinos, Teil 3
Francis Ford Coppola
Der Horror … Der Horror!
Scheinbar ereilte Francis Ford Coppola und seine Crew beim Dreh auf den Philippinen ein ähnlicher Fluch wie Willards Truppe im Film, was dem Regisseur so einige Nerven kostete. Weil Coppolas Kollege George Lucas mit „Krieg der Sterne – Episode IV: Eine neue Hoffnung“ beschäftigt war, musste Coppola selbst Regie führen. Wegen unvorhersehbarer Schwierigkeiten wurden aus den geplanten anderthalb Wochen Dreharbeiten ganze 16 Monate. So hatte er mit Umweltkatastrophen zu kämpfen, die ihm extrem viel Zeit und Geld (zum Teil aus der eigenen Tasche) raubten, indem sie das Set zerstörten.
Einige von Coppolas Schauspieler experimentierten mit Drogen, was zu Schwierigkeiten beim Dreh führte und es bedurfte mehrerer Anläufe, bis er die Hauptrollen richtig besetzte. Martin Sheen, der Willard spielte, erlitt während der anstrengenden Dreharbeiten einen Herzinfarkt, sodass für kurze Zeit das Gerücht aufkam, er sei verstorben. Seine Rehabilitation kostete weitere Monate und führte dazu, dass Coppola Martin Sheens Bruder Joe Estevez ans Set holte. Mit ihm drehte er ersatzweise jene Einstellungen, in denen Willard lediglich von hinten zu sehen ist. Wegen der stimmlichen Ähnlichkeit zu seinem Bruder kam Estevez zudem während der drei Jahre andauernden Postproduktion noch einmal zum Einsatz, um ein paar ergänzte innere Monologe einzusprechen, weil Sheen gerade verhindert war.
Trotz aller Schwierigkeiten und trotz der anderen Anwärter auf die Rolle (z. B. Al Pacino, Nick Nolte, Harvey Keitel) hätte Coppola wohl kaum einen besseren Darsteller für den Hauptpart finden können. Sheens Improvisationstalent kam hauptsächlich im Expose des Charakters Willard zum tragen, in dem er seinen irrationalen Kriegsdrang erklärt und im betrunkenen Zustand einen Spiegel zertrümmert. Inzwischen gehört diese Szene mit zum Produktions-Mythos, denn angeblich soll sich der alkoholisierte Sheen tatsächlich an dem Glas verletzt und alles vollgeblutet haben – als perfektes Sinnbild für einen typischen Kämpfer, der aufgrund seiner Irrationalität eine Gefahr für sich selbst darstellt.
Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen!
Lässt sich im ersten Augenblick noch eine Art Zweikampf zwischen zwei Mustersoldaten (Willard gegen Kurtz) vermuten, zeichnet sich im Verlauf der Handlung doch eine entscheidende Anti-These ab. Willard nähert sich sowohl physisch als auch psychisch der Person Kurtz, wird teilweise sogar wie er. Entsprechend der psychologischen Komponente ergeben sich nahezu unendliche Deutungsmöglichkeiten für den gesamten Film. Die erste Station der Reise ist ein brutaler Überfall auf eine vietnamesische Siedlung, dem zahlreich Zivilisten zum Opfer fallen. Uncle Sam prescht mit seiner Hubschrauberflotte über die Bambusdächer der Siedlung und löscht Menschenleben mit nur einem Knopfdruck aus.
Den Befehl dazu gibt Lieutenant Colonel Kilgore (Robert Duvall), der dem Treiben mit einem Pott Kaffee in der Hand beiwohnt, ganz offenbar nicht dazu in der Lage die Schrecklichkeit, seiner Tat zu erfassen. Seine Figur ist in dem Sinne wichtig für die Antikriegs-Handlung, dass er einen geistesgestörten Befehlshaber gibt, der von der Obrigkeit geduldet und in seinen irrationalen Entscheidungen durch einen immensen Militär-Apparat unterstützt wird. Als Surf-Fan interessiert ihn einzig die Brandung des eingenommenen Strandes, weshalb er seine Männer sogar unter schwerstem Mörser-Beschuß mit den Surfbrettern in die Wellen schickt.
Um sein Ziel zu erreichen, fordert er auf gut Dünken sogar einen großflächigen Napalm-Angriff an. Coppola stellt die Armee hier als Kindergarten da, der statt Spielzeug die gefährlichsten Waffen der Welt verwaltet. Die Motivation zum Töten von Menschen kommt hier nicht durch einen Mangel an Lebensmitteln oder ähnlichem zustande, sondern einfach nur durch Machtmissbrauch, Ignoranz, Dummheit, Größenwahn und der kindlichen Neugier auf die Wirkung aktueller Waffensysteme.