Die letzten Geheimnisse der Natur, Teil 4
„Das große Wunder der Tierwanderungen“
Eine Million Gnus
Die meisten kennen sie bereits, die phänomenalen Tierwanderungen, die durch ihre unüberschaubare Masse an Lebewesen besonders in HD beeindruckende Schauwerte bieten. Doch was genau ist die Ursache dieser Wanderfreude, die, wie die National-Geographic-Doku „Das große Wunder der Tierwanderungen“ beweist, unendlich viele Gefahren bereithält? Es ist schon erstaunlich, was alles mit dem großen Marsch der ostafrikanischen Weißbartgnus zusammenhängt. Wenn die zahllosen gehörnten Tiere zu ihrer Rundreise durch Tansania und Kenia aufbrechen, folgt ihnen auch noch ein ganzer Pulk aus anderen Tierarten, die allesamt aus ein und demselben Grund den gleichen Weg einschlagen: Das untrügliche Gespür für Wasser lässt die Gnus dem Regen folgen, was sich u. a. die Zebras zunutze machen.
Außerdem dürfen bei so viel Frischfleisch auf einem Haufen natürlich auch die Jäger nicht fehlen. Diverse Raubkatzen und Füchse warten nur darauf, ihre Reißzähne in altersschwache oder frisch geborene Grasfresser zu schlagen. Die Reste der verendeten Tiere (egal ob Löwe oder Gnu) teilen sich dann die Aasfresser – Geier, Hyänen, was auch immer. Die Interessengemeinschaft, die sich einzig wegen der wandelnden Jahreszeiten und Wetterbedingungen gebildet hat, ist also kunterbunt und hinterlässt aufgrund ihrer Größe regelrechte Furchen auf der Erdoberfläche. Das ist in etwa so, als würde ganz Köln zu Fuß eine fahrende Imbissbude über eine Strecke von knapp 450 Kilometern verfolgen, weil es nur dort diese leckeren Würstchen gibt.
Zarte Schmetterlingsflügel
Besitzt eine Dokumentation solch ein allübergreifendes Thema wie die Tierwanderung, kommt es schon gezwungenermaßen zu Überschneidungen mit anderen Genrevertretern. Die Dokumentation „Die Reise des Schmetterlings“ ist ein Film über die generationenübergreifende, 4 000 Kilometer lange Tour der Monarchfalter nach Mexiko. Dabei handelt es sich definitiv um eine Tierwanderung, die auch in der vorliegenden Dokumentation auf keinen Fall fehlen darf. Solche Überschneidungen sind typisch, aber keineswegs ärgerlich, wenn man mehrere Blu-rays zu diesem Thema besitzt, da sich meistens die Form der Darstellung ändert.
Um gleich bei dem Beispiel zu bleiben: Auf der Blu-ray „Das große Wunder der Tierwanderungen“ gefiel uns besonders die stilisierte Einstellung, in der ein altersschwacher Monarchfalter nach dem Abschluss der ersten großen Etappe in den Sonnenuntergang fliegt, mit hauchdünnen, brechenden Flügeln langsam seinem Ende entgegenschwebt. Verstehen Sie uns nicht falsch, wir haben nichts gegen diese zauberhaften Wesen, die in Südamerika sogar als „Seelenträger“ geehrt werden. Es handelt sich lediglich um eine sehr ästhetische Aufnahme, deren Poesie man erst versteht, wenn man den anstrengenden, aber lohnenswerten Lebensweg des Monarchfalters mitverfolgt – eine von den Genen vorherbestimmte Odyssee ins Ungewisse, die mit dem Paarungsakt beginnt und mit dem Ablegen der Eier endet.
Wie Forrest Gump
Oftmals ist die anstrengende Wanderung die einzige Chance für die Tiere, zu überleben, weshalb sie die Gefahren auf sich nehmen und sogar vollkommen bewusst durch mit Krokodilen durchsetzte Flüsse waten. Jene brauchen nur ihr Maul zu öffnen und ihre Opfer laufen oder schwimmen gezwungenermaßen blindlings in sie hinein. Und so hat jede Art ihr Päckchen zu tragen und auf jedem Weg lauern Gegenspieler, die auch ihr Stück vom großen Kuchen abhaben wollen. Oftmals sind es sogar Menschen, die die natürlichen Wanderrouten durch ihre Anwesenheit oder den unkontrollierten Städtebau gefährden, oder die aus anderen Ländern fremde Arten mitbringen, auf die sich die Flora und Fauna bisher noch nicht einstellen musste.
Wenn sich die Weihnachtsinselkrabbe in der Regenzeit auf Hochzeitsreise begibt, also zur Fortpflanzung an die Küste tourt, weiß sie daher nichts von der eingeschleppten Spinnerameise, die ihr überraschenderweise Säure in die Augen spritzt, um das desorientierte Wesen danach genüsslich auseinanderzunehmen. Das unnatürliche Massensterben ist hier bereits vorprogrammiert.Und so hangelt sich die Doku von einer wandernden Tierart zur nächsten und deckt nacheinander die wichtigsten Motive dieser anstrengenden, globalen Bewegungen auf.
National Geographic: Das große Wunder der Tierwanderungen | |
Genre: Dokumentation | |
Land/Jahr: US 2010 | |
Sprecher: Alec Baldwin, Thomas Fritsch | |