Die große TK-Reform der EU, Teil 2
Ex-ante-Regulierung
Mit dem Telekom-Paket wird auch die Marktregulierung neu aufgestellt. Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung nimmt die Zahl konkurrierender Übertragungsplattformen zu, sodass die EU keinen Grund mehr für eine Exante- Regulierung sieht.
Um Problemen auf dem Vorleistungsmarkt für Rundfunkübertragungen zu begegnen, reichen nach Meinung der EU bestehende Must-carry-Regeln sowie das jeweilige nationale Wettbewerbsrecht aus. Allerdings kann der nationale Regulierer die Beibehaltung der Ex-ante-Regulierung herbeiführen, wenn er dies in einem aufwendigen Verfahren nebst erneuter Marktuntersuchung vor der EU-Kommission begründen kann.
Darüber hinaus wurde ein weiteres Instrument mit ins Reformpaket aufgenommen. In Fällen von andauernden Wettbewerbsproblemen oder bei einem Marktversagen auf den Märkten für bestimmte Zugangsprodukte auf Vorleistungsebene, können die Mitgliedsstaaten vertikal integrierte Unternehmen dazu verpflichten, ihre Tätigkeiten bezüglich der Bereitstellung eben jener Zugangsprodukte auszugliedern. Doch auch hier ist ein aufwendiges Verfahren notwendig.
Die sogenannte funktionelle. Trennung wird ohnehin nur als Ultima. In Sachen Netzneutralität folgt die EU weitgehend den Vorschlägen der US-amerikanischen Regulierungsbehörde FCC, die unter der Bezeichnung „net freedoms“ bekannt sind. Das Konzept der Netzneutralität wurde dementsprechend aus dem Blickwinkel des Endverbrauchers entwickelt.
Der nationale Regulierer soll dafür Sorge tragen, dass der Verbraucher Informationen abrufen und verbreiten oder beliebige Dienste nutzen kann. Hierfür werden Mindestanforderungen an die Qualität der Dienste öffentlicher Netzbetreiber gestellt. Dadurch soll zum Beispiel verhindert werden, dass die Nutzung bestimmter Dienste für den Verbraucher unattraktiv wird, indem der Netzbetreiber die Bandbreite drosselt. Das Mindestniveau der Dienstqualität muss in den Verträgen mit Endverbrauchern klar beschrieben werden.
Datenschutz
Solche technischen Einschränkungen werden von der EU aber nicht per se verboten. Brüssel nimmt hierbei an, dass es so lange nicht zu Wettbewerbsnachteilen kommt, wie der Endverbraucher die Wahl zwischen verschiedenen Infrastrukturen und Diensten hat. Über die Beschränkungen ist der Verbraucher bei Vertragsabschluss und bei späteren Änderungen zu informieren.
Mit dem Aufkommen interaktiver Dienste spielt auch der Datenschutz bei audiovisuellen Medien eine immer größere Rolle. Nach Verabschiedung des Telekom-Pakets gilt für audiovisuelle Dienste die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation.
Diese Richtlinie enthält für Anbieter interaktiver Zusatzdienste, die über den PC oder eine dafür vorgesehene Set-Top-Box empfangen werden, das Verbot, ohne Einwilligung des Nutzers Informationen wie etwa Cookies im Endgerät zu speichern oder auf solche Informationen zuzugreifen. Nur wenn die Speicherung ausschließlich der Übertragung einer Nachricht dient oder für einen gewünschten Dienst unerlässlich ist, ist sie erlaubt.
Welche Auswirkungen die Reformen der EU auf den TK-Sektor und audiovisuelle Medien haben werden, ist derzeit nicht abzusehen, zu viele Fragen bleiben unbeantwortet. So wäre beispielsweise eine weitere Ausformulierung der Must-carry-Bestimmungen sinnvoll, um genau sagen zu können, ob zum Beispiel Video-on-Demand-Angebote künftig Nutznießer dieser Bestimmungen sein können.
Nach Veröffentlichung des Reformpakets im Amtsblatt der EU haben die Mitgliedsstaaten 18 Monate Zeit, die überarbeiteten Richtlinien in nationales Recht umzusetzen und Antworten auf derartige Fragen zu finden.
(Marc Hankmann)