Die große Pixar-Retrospektive

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Die große Pixar-Retrospektive, Teil 8

Charmante Ratte kocht à la française

Französische Küche

Nach so viel Action war die Zeit gekommen, einen Gang runter zu schalten und einfach wieder eine kleine charmante Geschichte zu erzählen. Hauptfigur ist eine kleine, possierliche Ratte, deren Geschmackssinn und Lust auf neue aromatische Kompositionen sie in die Stadt der Liebe verschlägt. Im Fernsehen verpasste Feinschmecker Rémy nie eine Kochsendung mit mit dem großen Fünf-Sterne-Koch Auguste Gusteau. Und nun gerät er wie durch ein Wunder in das Pariser Lokal Gusteaus, das dieser nach seinem ruinierten Ruf und dem unmittelbar erfolgten Ableben, seinem Küchenstab überließ.
 
Doch die geistige Nähe lässt Rémy tiefsinnige Gespräche mit dem toten Restaurantbetreiber führen, er erscheint ihm sozusagen als Inspiration. Gusteaus Bemühungen führen letztendlich dazu, dass sich der Ratterich mit Linguini, dem Neuankömmling in der Küche, verbündet. Zusammen hecken sie einen Plan aus, der den Geschmack des Lebens, die Rettung des Restaurants, das Verständnis eines Ratten-Vaters, die Eroberung eines Frauen-Herzens und phänomenal schmackhafte Kreationen vorsieht. Die reinste Unmöglichkeit, wenn man bedenkt dass der Menschen-Junge zwei linke Hände und keinen Sinn für Kulinarisches hat.
 

Regisseur Brad Bird übernahm das Projekt von dem tschechischen Autoren und Animatoren Jan Pinkava (Regie „Geri’s Game“)und durchpflügt wie schon bei „Die Unglaublichen“ zahlreiche genrekonforme Filme, in diesem Fall aus der französischen Moderne. Die charmante Geschichte ist durch die Farben eines Pariser Oktobermorgens und die Verwendung von pizzicato gespielten Saiteninstrumenten sowie Mundharmonika- und Akkordeon-Einsätzen so unglaublich französisch, dass ein Franzose sie nicht hätte besser machen können.
 
Wenn die Ratte Remy ihre Kreation mit exotischen Gewürzen abschmeckt und kleine Aroma-Feuerwerke vor sich sieht, wird sofort klar, mit welcher Liebe zum Detail die Darstellung der verschiedenen Gefühle ausgewählt wurde. Es muss nicht immer die große Action sein, um das Publikum zu begeistern. Ein passender Schnitt hier, eine dezente Kamerafahrt da – und die Situationskomik bzw. Dramatik funktioniert. „Ratatouille“ unterhält dabei erfrischend unkonventionell ohne großen Bösewicht, einzig mit echten Charakteren und großartigen Alltagsmomenten.
 

Kein anderer Pixar-Film verlangte zudem so leckere Vorbereitungen, weil das Animationsteam alle Arten von Gemüse, Obst und Speisen genaustens studieren musste.
 
Zur Ausbildung gehörte übrigens auch ein kurzes Praktikum im französischen Restaurant des kalifornischen Meisterkochs Thomas Keller. Wer den auf der Blu-ray und DVD enthaltenen Kurzfilm „Dein Freund, die Ratte“ sieht, weiß zudem, dass auch die Nager zweifelsohne zu den Forschungsobjekten der Filmemacher gehörten, Rattenphobie ausgeschlossen.

Roboterliebe

Dass auch Roboter Gefühle haben können, bewies Wall-E, der kleine zurückgelassene Müllroboter. Als erster vollwertiger Science Fiction (SF) Film zeigte „Wall-E“ überraschend viel Tiefgang und dass, obwohl 39 Minuten lang kein einziger Satz ausgesprochen wird. Um das rein visuelle Erzählen durch übertriebene Gestik und Mimik hinzubekommen, schaute sich Regisseur Andrew Stanton mit seinem Team in jeder freien Minute die Stummfilme von Charles Chaplin und Buster Keaton an. Für die Lichtstimmung zog man den Kameramann Roger Deakins („No Country For Old Men“, „Der Vorleser“) zu Rate und verlieh dem Ambiente durch Lensflair-, Blend- und Fokus-Effekte eine äußerst realistische Note. Auch Realaufnahmen mit echten Schauspielern (z. B. Fred Willard als BnL-Chef) wurden erstmals in einem Pixar-Film als Stilmittel eingebaut.
 
Als armer Tropf, der die Müllberge der von der Erde geflüchteten Menschheit entsorgt, hegt der sentimentale Robo natürlich eine gesunde Sammelleidenschaft für Relikte aus der untergegangenen Pop-Kultur. Videobänder, Rubik-Würfel, einen iPod (natürlich!) oder auch der Atari-Rechner mit dem ersten echten Videospiel „Pong“ bilden das Grundgerüst von WALL-Es Privatleben. Für die Menschheit mögen sie keine Bedeutung mehr haben, für WALL-E aber schon. Zu seinem Inventar gehören aber auch Ersatzteile, die dann und wann für kleine Reparaturen notwendig sind.
 
Interessanterweise ersetzt er während des Handlungszeitraums ausnahmslos jeden einzelnen Part seines Körpers und definiert sich vollkommen neu. Damit geht er der Frage nach der Austauschbarkeit bzw. der Definition eines Bewusstseins nach, die in der Science Fiction wie auch in der Philosophie (bekannt als „Schiff des Theseus“-Paradox) eines der komplexesten Themen ist.

An prominenter Stelle zitiert Stanton Stanley Kubricks „2001 – Odyssey im Weltraum“ indem er den Autopiloten des großen Mutterschiffs „Axiom“ wie HAL9000 reagieren lässt und später auch noch die ersten Schritte der verfetteten Fast-Food-Gesellschafft mit „Also Sprach Zarathustra“ von Richard Strauss kommentiert. Ein Verweis auf das wohl bekannteste SF-Märchen der Kinogeschichte „Star Wars“ verbirgt sich in einer der Sprachen, die der weibliche Roboter EVE leicht verwirrt von sich gibt: Huttese, gesprochen von Jabba the Hutt.
 
Zu guter Letzt halten sich alle im Film gezeigten Maschinen an die Robotergesetze aus Isaac Asimovs „Foundation“-Reihe, aus der auch der Will Smith-Film „I, Robot“ stammt. Explizite Gesellschaftskritik an die Müll-produzierende, Fast-Food-Generation von heute, könnte kaum unterhaltsamer sein und auch die Wortlosigkeit der Protagonisten funktioniert bestens. Aber mal ehrlich, keine menschliche Unterredung könnte jemals so viel Gefühl zwischen einem Roboterpärchen darstellen, wie die drollige Gestik des Müllräumers. Auch hierfür gab es einen Oscar für die beste Animation und fünf weitere Nominierungen.
 

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