Die große Pixar-Retrospektive

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Die große Pixar-Retrospektive, Teil 6

Superheldenfamilie besteigt Film-Olymp

Watchmen light

Menschen, Haare und Stoff in allen denkbaren „Aggregatzuständen“ – technisch gesehen hätten sich die Animatoren kein komplexeres Projekt aussuchen können als „Die Unglaublichen“. War es bisher der hohe Abstraktionsgrad, der das Produktions-Team vor zu hohem Realismus bewahrte, musste es für dieses Projekt die alltägliche Menschenwelt glaubwürdig nachempfinden. Wie kam es also überhaupt zu der Idee, sich einer solchen Herausforderung zu stellen? John Lasseters ehemaliger Kommilitone Brad Bird wollte Pixar nach seinem großen Kritiker-Erfolg „Der Gigant aus dem All“ eine Filmidee verkaufen, die von einer Superheldenfamilie handelte.
 
Er entwickelte sie schon seit den 1990ern und ließ seine Erfahrungen, ein Familienleben neben der Karriere zu managen, mit einfließen. Lasseter fand die Idee so gut, dass er den erfahrenen Trickfilm-Regisseur gleich mit einkaufte. Für „Die Unglaublichen“ war das die beste Entscheidung, die getroffen werden konnte. Mit seinem Enthusiasmus trieb Bird die Mitarbeitern zu mehr Detailliebe an. Die gestresste Belegschaft hielt sich an die Anweisung, wobei der wohl interessanteste Querverweis bei dem Oberbösewicht Syndrome angebracht wurde: Für dessen Gesicht stand nämlich Brad Bird persönlich Pate.
 
Neben frischem Wind brachte Bird noch einige seiner Kollegen aus der 2-D-Animations-Branche mit, die in punkto CGI erst noch anlernen mussten. Dementsprechend hatten die Neuzugänge auch heftig mit den Programmen zu kämpfen. Andererseits sorgte diese Herangehensweise auch für völlig neue Aspekte in der Tool-Programmierung. Zum Beispiel gab es ein Standard-Männchen, aus dem dann alle möglichen Statisten geformt werden konnten.
 

Für die bessere Visualisierung in der Vorproduktion wurde aus dem klassischen 2-D-Storyboard kurzerhand ein animiertes 3-D-Storyboard mit 2-D-Elementen gemacht. Dadurch konnte die Action noch dynamischer umgesetzt werden, als in den Vorgängern. Äußerst ungewohnt beginnt der Streifen mit mehreren Interviews und einigen Nachrichten-Beiträgen, die den Untergang der Helden-Ära dokumentieren. Solche Stilmittel fand man bis zu diesem Zeitpunkt nur in anspruchsvolleren Realfilmen, was die Animation als Medium auf eine ernstzunehmende Ebene hebt. Wie bei der gefeierten Comicnovelle „Watchmen“ haben die Superhelden ausgedient und werden von der Regierung gesetzlich unterdrückt.
 
Das Unglück ist auf einen Vorfall zurückzuführen, den Mr. Incredible in seinen jungen Jahren verursacht hat. Während einer Rettungsaktion ging ziemlich viel zu Bruch und ein Selbstmörder verletzte sich schwerwiegend. Als Folge wurde der Held verklagt und die Stadt erklärte sich nicht mehr bereit, durch Superheldentum verursachte Schäden weiterhin zu tragen. In der Jetztzeit ist Mr. Incredible mit Elastigirl verheiratet, hat drei Kinder und arbeitet ironischerweise in einem Versicherungsunternehmen.
 
Anstatt Menschen zu helfen, wird er dazu verdammt, die verschlungenen Pfade des Versicherungsgesetzes zu nutzen, um seinem Unternehmen Kosten zu ersparen. Weil der deprimierte Supermann schon einigen Speck angesetzt hat, nutzt er jede Chance, um mit seinem eiskalten Kumpel Frozone die Nachbarschaft vor Verbrechen zu bewahren. Plötzlich kommt ein geheimnisvoller Gegenspieler zum Zuge, der Superhelden lyncht. Zeit, sich neue Outfits zuzulegen und mal wieder so richtig die Muskeln spielen zu lassen – mit der ganzen Familie, versteht sich.
 

Die ausgewogene Mischung aus Action, Alltagshumor und Querverweisen auf die Superheldenwelt sowie klassische Agentenfilme (z. B. „Moonraker“ oder „You Only Live Twice“) sicherte den Unglaublichen einen Platz im Film-Olymp. Auch Pixars fünfter Film erhielt einen Oscar als beste Animation des Jahres und sogar noch einen zweiten für den besten Sound. Bei dem Aufwand, der dafür betrieben wurde, hatte sich Pixar die Lorbeeren auch redlich verdient. Statt eines digitalen Multitrack-Verfahrens wählte Komponist Michael Giacchino eine analoge Variante, mit der auch schon in den 1960ern Jazz-Orchester aufgenommen wurden. So entspricht der Sound im nahsten Sinne dem Klang dieser Zeit.
 

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