Der neue deutsche Film?, Seite 3
„Schutzengel“ und „Was bleibt“
„Schutzengel“
Til Schweiger – ein Name, der sofort Assoziationen zu diesen ganz speziellen Filmen weckt. Na Sie wissen schon, zu diesen Til-Schweiger-Filmen eben: Zum Beispiel Romantik-Komödien wie „Keinohrhasen“ oder „Zweiohrküken“, die immer das selbe Filmplakat verwenden. Oder auch Vater-Tochter-Komödien wie „Kokowääh“ und „Kokowääh 2“, die immer dasselbe Filmplakat verwenden. Andererseits ist er jetzt seit der erfolgreichen „Tatort“-Episode „Willkommen in Hamburg“ auch aktuell wieder als Action-Held à la „Stirb Langsam“ in aller Munde, sodass also die Komponenten „Action“, „Romantik“ und „Komödie“ ein immenser Bestandteil seines Images sind. Warum also nicht einfach alles in einem einzigen Film kombinieren und eine Art „Leon, der Profi“ mit den oben genannten Til-Schweiger-Qualitäten versehen?
Als Exsoldat Max Fischer (Nicht zu verwechseln mit Sam Fischer aus Tom Clancys „Splinter Cell“) mimt er hier den Beschützer der Vollwaisin Nina (gespielt von Schweigers Tochter Luna). Als Zeugin des Mordes an ihrem besten Freund wird sie nun vom skrupellosen Waffenhändler Thomas Backer (Heiner Lauterbach) gejagt, dessen Geschäftsleben durch einen Mord an einem Kind natürlich extrem leiden würde. Um das Mädchen zur Strecke zu bringen, schreckt er noch nicht einmal davor zurück, seine Kontakte zu den Behörden zu nutzen, um den geheimen Aufenthaltsort Ninas ausfindig zu machen und eine schwer bewaffnete Einheit von Mördern zum Ausräuchern hinzuschicken. Hier kommt jetzt der große Beschützer Til ins Spiel, der die Lage natürlich in Sekundenbruchteilen checkt und in aalglatten Zeitlupenaufnahmen einen Angreifer nach dem anderen umnietet. Zwar nehmen die ausgiebigen Schießereien einen Großteil des Films ein, dennoch bleibt zwischendrin auch etwas Zeit, die langsame Annäherung des Vater-Tochter-Gespanns näher zu beobachten und ebenso die bewegte Vergangenheit des Helden in Erfahrung zu bringen.
Ist dies alles schon einmal da gewesen? Ja, gewisse Parallelen zu hunderten von anderen Action-Filmen sind nicht abzustreiten. Wirken die langatmigen Schießereien auf Dauer ermüdend? Definitiv! Sind die Charaktere in Wirklichkeit stereotype Figuren, die sich regelrecht Mühe geben, sämtliche Klischees zu erfüllen? Das könnte man so sehen, ja. Dennoch ist dem Film ein gewisser Unterhaltungswert nicht abzusprechen, denn die Schießereien sind immerhin schön choreographiert (tolle Phantom-HD-Gold-Zeitlupen-Aufnahmen) und die Figuren, so linear sie auch sein mögen, sympathisch. An Schauwerten mangelt es dem Film also nicht, weshalb er Til-Schweiger-Fans vollkommen ansprechen dürfte. Dazu trägt insbesondere die hochwertige Technik bei, die einen Schuss Hollywoodflair verbreitet. Schärfetechnisch ist das Bild eine kleine Offenbarung. Ebenso überzeugt der hohe Kontrast. Stilistisch keine Neuheit, weist auch dieser Schweiger-Film Verfremdungen per Farbfilter auf, wodurch sich eine leichte Sepia-Tönung ergibt. Für die „Ballereien“ wurde der DTS-HD MA 5.1-Sound intensiv genutzt. Hier gibt es eine gute Dynamik sowie erstklassige Rundumeffekte zu bestaunen. Jenseits der Action hält wiederum der übliche Standard-Mix (Dialoge stark im Vordergrund, wenige subtile Hintergrundgeräusche) Einzug. Die Bonussektion ist üppig, allerdings handelt es sich bei vielen Beiträgen nur um wenige Minuten, wobei die Beiträge vom Schießtraining keinen wirklichen Mehrwert für den Zuschauer darstellen.
„Was bleibt“
Hans-Christian Schmid gehört seit mittlerweile fast 20 Jahren zu den interessantesten und vielschichtigsten deutschen Filmemachern. Nach seinen gefeierten Exorzismus- bzw. Kriegsverbrecher-Dramen „Requiem“ und „Sturm“ legte er im letzten Jahr mit „Was bleibt“ ein äußerst fein beobachtetes Familienporträt vor. Der Mikrokosmos Familie wird durch die Augen verschiedener Familienmitglieder betrachtet – allen voran die unter chronischen Depressionen leidende und nun scheinbar geheilte Mutter (gewohnt intensiv: Corinna Harfouch) und deren jüngster Sohn, der sich quasi auf „Heimaturlaub“ befindet, stehen hier im Fokus. Lars Eidinger, der bisher vor allem am Theater Triumphe feierte, zeigt hier wieder einmal deutlich auf, zu was er auch vor der Kamera fähig ist.
Das Problemfeld Depression und der Umgang damit wird in diesem Film keinesfalls mit bedrückender Schwere angegangen – schon mit der nötigen Ernsthaftigkeit, aber immer auch mit einem offenen Blick für die schönen und besonderen Momente, die bei aller Dramatik des Stoffs nicht fehlen dürfen. Zu dieser ausgleichenden Qualität trägt neben dem mitreißenden Spiel der Darsteller vor allem auch die leichtfüßige, geradezu „beschwingte“ Kamera bei. Als überwiegend dialoggetriebenes Drama kommen sporadische Effekte (Grillen-Zirpen, Waldesrauschen) an passenden Stellen zum Einsatz. Die Stereo-Abmischung wirkt im Vergleich mit der Surround-Version übrigens deutlich direkter, lauter und lebendiger. Das tiefgehende Making-of und ein erhellender Audiokommentar von Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller erschließen einem im Bonusmaterial der Blu-ray schließlich die ganze Tragweite des Films.