Der Kampf der Lautheit

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Der Kampf der Lautheit, Seite 2

Verschiedene Masteringvarianten

Unerwartetes Klangbild

Schon beim ersten Reinhören wird der Unterschied deutlich. Hier geht es nicht um kleine Nuancen, der Klangcharakter der beiden Versionen ist grundverschieden. Die offensichtlichste Differenz zwischen den beiden Varianten ist wohl die Lautheit der Mischung. Um die Relief-Mischung in etwa auf das Niveau der Plakat-Version zu bringen mussten wir den Lautstärkeregler um etwa zehn Dezibel aufdrehen. Die Bestätigung dafür gab es auch, als wir uns den Pegelmesser mit größerer Integrationszeit ansahen, der unterschied betrug stets zwischen sieben und zwöf Dezibel. Hinsichtlich der frequenziellen Abmischung waren wir jedoch zunächst überrascht: Der Relief-Mix wirkte ein Stück weit „dumpfer“ als sein Gegenüber. Doch bei genauerer Betrachtung ist dies nicht weiter verwunderlich. Bei der Plakat-Mischung wurde der Präsenzbereich ein gutes Stück weit betont. Mit dem Hintergrund, dass diese Variante für unterwegs gedacht ist, ergibt das auch Sinn, denn so bleiben die Melodie erkennbar und der Text verständlich, auch wenn Nebengeräusche den Musikgenuss zu schmälern versuchen.
 
Hier macht sich dann auch die stärkere Kompression positiv bemerkbar, denn so gehen die leiseren Passagen nicht komplett im Umgebungslärm unter. So ist die laute Abmischung zwar musikalisch nicht unbedingt vorteilhaft, hat aber in der spezifischen Anwendung durchaus ihre Berechtigung. Auch der Tiefbassanteil ist hier etwas verstärkt, dennoch wirkt der Relief-Mix zunächst etwas dumpfer. Einerseits liegt das daran, dass auch die hohen Frequenzen bei der Kompression mit „hochgezogen“ wurden, andererseits kommen Obertöne auch durch leichte Verzerrungen hinzu. Diese können ebenfalls dazu beitragen, einem dumpfen Klangbild geringfügig entgegenzuwirken. Besonders deutlich wird dies, wenn wir die Spektren beider Versionen eines Songs im direkten Vergleich betrachten. Zum einen ist hier schon der insgesamt größere Hochfrequenzanteil des Plakat-Mixes zu erkennen. Zusätzlich sind jedoch einige Linien auffällig, die über das gesamte Frequenzspektrum reichen. Diese stammen von der Snare-Drum, die normalerweise nicht derartig gleichmäßig über das gesamte Spektrum reicht. Das deutet darauf hin, dass die Snare-Schläge bereits deutlich verzerrt sind und dadurch an Obertönen gewonnen haben.

Vorbild Schallplatte

Interessant war für uns nun, woher eigentlich der Impuls kam, das Album in dieser Doppeledition umzusetzen. Zunächst vermuteten wir, dass es Kritik an den letzten (ebenfalls recht lauten) Masterings seitens der Fans gegeben haben könnte. Alexander Spreng, Sänger und Mastermind von ASP, offenbarte uns aber die schlichte Wahrheit: Er selber habe eine Vorliebe für Vinyl. Daraus entsprang die Idee, eine Mischung zu erarbeiten, die vom Klangcharakter her der Schallplatte nachempfunden ist. „Die Mehrheit der Hörer legt da nicht so großen Wert drauf, als dass sie sich regen würden“, so Spreng im Gespräch.
 
Nun, wir können entgegnen: Wir legen Wert darauf und freuen uns persönlich über das Engagement und die zusätzliche Mühe, ein solches Doppelalbum zu realisieren. Da sowohl laute als auch leise Mischungen ihre Daseinsberechtigung haben, ist dies ein fairer Weg, beide Hörer-Fraktionen zufriedenzustellen, und gleichzeitig ein Statement abzugeben, dass hier besonderer Wert auf die Qualität der Produktion gelegt wird. Denn Alexander Spreng betonte oft genug: In seiner Musik steckt viel Herzblut. Vielleicht ist dieser Vorstoß ja auch ein Anreiz für andere Künstler, einen ähnlichen Weg zu gehen?

(Martin Heller)

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