Das neue Energieeffizienzlabel

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Das neue Energieeffizienzlabel, Teil 2

Klasseneinteilung

Was auf dem Papier scheinbar gut klingt, stellt sich in der Praxis jedoch als KO-Kriterium heraus, denn der zulässige Maximalwert von 297,5 W definiert lediglich die schlechteste Energieeffizienzklasse G. Die höheren Effizienzstufen erklimmt unser Plasmafernseher nur mühsam, mit 171 W ordnet sich das Gerät in die D-Klasse ein. Ein Bedarf von 150 W hätte ihm die C-Klasse beschert und erst ein Durchschnittswert von rund 90 W verheißt den Eintritt in die A-Klasse. Dieser ist derzeit der Edge-LED-Technik vorbehalten, deren geringe Leuchtdiodenanzahl den Strom sparenden Betrieb unabhängig von der Bilddiagonale sicherstellt. Das sind wahrlich strenge Anforderungen und die höchste Klasse (A+++, EEI  
Philips‘ neue Econova-Serie (42PFL6805H) ist indes ein heißer Anwärter auf die Klasse A++, denn der Hersteller gibt einen, nach dem 62087-Standard gemessenen, Durchschnittsbedarf von 40 Watt an, was auf eine verschwindend geringe Anzahl an LEDs hindeutet. Im Einzelnen haben schlechtere Klassen einen größeren Spielraum beim möglichen Maximalwert. So sind etwa in der F-Klasse Schwankungen von 45 W möglich, bevor ein Gerät in die G-Klasse abrutscht. Der Abstieg von A+ in die A-Klasse ist mit einem Spielraum von 10 W wiederum sehr knapp bemessen. Auf dem Label machen sich die A-Klassen natürlich gut, nur sind die dafür nötigen Bildeinstellungen im eigentlichen Betrieb oft nicht relevant. Denn wer sich einen neuen Fernseher kauft, will schließlich auch die optimale Bildqualität genießen und nicht aufgrund der Stromsparvorgaben mit dunklen und kontrastarmen Bildern vorliebnehmen.
 
So ist etwa bei Philips‘ aktuellem Topmodell aus der 9000er-Serie das Alleinstellungsmerkmal in Form der Bright-Pro-LEDs von Werk aus deaktiviert. Nach dem Einschalten erstrahlen Bilder wesentlich kontrastreicher und bei hellen Bildanteilen maßen wir Helligkeitsrekorde. So macht Fernsehen auch am sonnigen Tag richtig Spaß. Der Energiebedarf steigt dadurch zwar nicht exorbitant an, dennoch würde das Gerät mit aktivierten Bright-Pro-LEDs von der A- in die C-Klasse rutschen. In unserem Testlabor haben wir weitere aktuelle Flachbildfernseher für den bestmöglichen Bildeindruck kalibriert und mehrere Geräte stürzten ebenfalls zwei Klassen ab. So ist das Label für hochwertigen Film- und Fernsehgenuss nur bedingt aussagekräftig und verliert nach der Kalibrierung an Bedeutung.

Abrüstung bei Flachbildfernsehern

Neben der Regulierung der Leuchtkraft können die Hersteller zudem entscheiden, ob etwaige Zusatzoptionen, wie etwa Netzwerkdienste oder PVR-Funktionen, von Werk aus aktiviert sind oder nicht. Gerade Letzteres wird augenscheinlich niemand im TV-Alltag missen wollen und die Funktionalität nimmt in der Regel bei der Kaufentscheidung eine größere Rolle ein als der Energiebedarf. Die Glaubwürdigkeit respektive Alltagstauglichkeit des Labels schrumpft so weiter. Der Ansatz der EU, mit einem transparenten Energielabel Verbraucher beim Fernseherkauf zu unterstützen, mag auf dem Papier löblich erscheinen. In der Praxis haben Edge-LED-LCD-Hersteller aber bereits die Lücken der EU-Verordnung erkannt und nutzen diese konsequent aus. Mittels möglichst geringer Leuchtdiodenanzahl gelingt das scheinbar Unmögliche: riesige Bilddiagonalen in Kombination mit einem minimalen Verbrauch.
 
Plasmas und Direct-LED-LCDs fordern dagegen deutlich mehr Energie ein, generieren im direkten Vergleich aber das plastischere Bild. In Sachen Kontrast und Schwarzwert müssen sich die Edge-LEDs klar geschlagen geben, das Bild wird meist schlechter ausgeleuchtet und vor allem Kinofilme im abgedunkelten Heimkino wirken weit weniger fesselnd. Der EU-Ansatz bevorzugt damit ungewollt jene Technik mit den schlechtesten Voraussetzungen für eine optimale Bildqualität. Das Energieeffizienzlabel provoziert ein unausgeglichenes Rennen um die beste Energieeffizienzklasse, in dem die Darstellung und der Funktionsumfang untergeordnete Rollen spielen. So könnten in Zukunft Flachbildfernseher nach dem Auspacken ein flaues Bild aufweisen und gegebenenfalls sind gewünschte Funktionen von Werk aus deaktiviert. Das Streben nach der Energieeffizienzklasse A zieht somit Kompromisse für die Verbraucher nach sich, zumindest bis alternative Methoden wie OLED den Massenmarkt erreichen und die Konsumenten nicht länger in die Irre führen. Die OLED-Technologie arbeitet schließlich äußerst energieeffizient und produziert ein nahezu perfektes Bild im Strom sparenden Betrieb.
(Dennis Schirrmacher)

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