Das Bourne Vermächtnis, Seite 2
Realismus-Prinzip
Neue Technik
Zur Freude des Publikums tauschte Gilroy den exzessiven Wackelkamera-Stil seines Vorgängers Paul Greengrass gegen eine subtilere, weiterentwickelte Form des Dokumentarstils mit geringeren Rüttelelementen und zielsuchenden Zooms mit suggeriertem Such-Fokus. Die Action bleibt dadurch dem Realismus-Prinzip treu, auch wenn man im Prinzip genau weiß, dass jetzt z. B. gleich die obligatorische Auto-Verfolgungsjagd kommt. Schema-F bei der Entwicklung der Handlung sowie die Präsentation bereits bekannter Bourne-Motive sind aber die einzigen Negativpunkte des ansonsten handfesten Agenten-Actioners, weshalb man ihm geradeheraus einen simplen wie ernsthaften Unterhaltungswert zusprechen kann.
Das Bild punktet mit kräftigen Farben, weist aber zugleich auch ein für das Franchise übliches, unterkühltes Farbspektrum auf, durch das die Gesichter szenenbedingt einen leicht ungesunden Teint erhalten. Das Kontrast-Schärfe-Verhältnis lässt sich nicht beanstanden, brillante Kanten und üppige Mikrostrukturen (z. B. Haare oder Sträucher) zeigen, wozu HD fähig ist. Der Ton orientiert sich wie oben beschrieben mehr denn je an der Situation des Protagonisten. Die Stille in den Bergen Alaskas bildet einen klaren Kontrast zum hektischen Treiben in den Städten. Je brenzliger die Situation wird, desto höher pegelt sich die Lautstärke ein, und auch die überraschenden Detonationen sind soundtechnisch beeindruckend inszeniert.
Noch beeindruckender ist die Wiedergabe der Musik, die sich an den früheren Kompositionen von John Powell orientiert und durch James Newton Howard eine passende Modernisierung bzw. Variation erfahren hat. Beim Soundtrack gelingt die filigrane Frischzellen-Kur zur Subtilität. Agent Cross Aktionen wirken dadurch weniger rabiat und noch zielgerichteter, so als würde er statt des Maximums ausschließlich das Optimum seines Energiemanagements anwenden. Zum Schluss sei noch die reichhaltige Bonussektion erwähnt, die mit einer Gesamtlaufzeit von 48 Minuten (Features) und einem Filmkommentar kaum noch Fragen offen lässt. Am interessantesten sind hier die drei unveröffentlichten Szenen sowie das Storyboard als Animatic zur großen Wolfs-Szene.
Interview: Jeremy Renner über die Welt von „Das Bourne Vermächtnis“
Mr. Renner, wie würden Sie Ihren Charakter Aaron Cross im Vergleich zu Jason Bourne beschreiben?
Cross weiß genau, wer er ist – er schließt sich ganz bewusst dem Programm an, das wir alle kennen. Er lebt in dieser Art Parallel-Universum, in dem auch Jason Bourne existiert. Prinzipiell ist er aber das genaue Gegenteil von Bourne, da dieser seine Identität nicht kennt. Cross ist ein Typ, der irgendetwas Gutes tun möchte, doch dann laufen die Dinge gehörig aus dem Ruder.
Wie sehen Sie Cross‘ Beziehung zu Rachel Weisz‘ Figur, Marta?
Auch hier, in der Welt der Spione und Mörder, weiß niemand, welcher Tätigkeit der andere nachgeht. Rachels Filmrolle ist die einer Virologin. Das ist alles, was sie weiß. Sie hat keine Ahnung, wofür sie eigentlich forscht, wer ihre Arbeit kontrolliert, wer sie verfolgt, etc.
Wie war die Zusammenarbeit mit Tony Gilroy, was brachte er mit ein?
Sein Beitrag war, dass er die Erfahrungen aus den ersten drei Bourne-Filmen mit einbrachte. Er hatte die Idee mit dem Parallel-Universum und er hat ein unglaubliches Auge fürs Wesentliche. Tony ist ein wirklich smarter Typ, wir kamen gleich miteinander zurecht. Ich bin einfach froh darüber, mit ihm zusammen anhand des Produktionsprozesses gewachsen zu sein.
In einem Action-Franchise wie diesem ist es wichtig, das Level immer höher zu setzen. Wie bewerkstelligten Sie dies?
Ich denke, es ist einfach das Universum des Franchise, das sich mit diesem Film vergrößert hat. Es gehört nicht mehr nur allein Bourne. Es eröffnet völlig neue Möglichkeiten „Oh warte, das koexistiert mit jenem!“ Und genau das macht alles größer.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Falko Theuner)