Clint Eastwood

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Clint Eastwood, Teil 6

Große Filme wie am Fließband

Ein Paradebeispiel für diese fast einzigartige Verschmelzung von Kritikerliebling und riesigem Kassenerfolg ist ganz klar „Million Dollar Baby“ aus dem Jahre 2004. Bei diesem Film stimmt einfach alles: der mitreißende Plot, die emotionale Tiefe, die sich auch vor schwierigen ethischen Fragestellungen nicht scheut; die umwerfende Besetzung (Hillary Swank, Morgan Freeman und nicht zuletzt Clint Eastwood). Das ist ganz klar mehr als ein klassischer Sportfilm um Aufstieg und Fall einer Boxerin, das ist ganz großes Kino – manchmal schmerzhaft nah dran an seinen Figuren und gerade deswegen so bewegend und überzeugend. Der Oscar-Regen bei den Academy Awards war dann auch mehr als verdient: Clint Eastwood konnte sich erneut „Bester Regisseur“ und „Bester Film“ auf die Fahnen schreiben und seine Schauspieler heimsten (wie schon bei „Mystic River“) die Preise für den besten Haupt- und Nebendarsteller ein.
 

2006 stemmte der unermüdliche Kino-Veteran dann ein wahres Mammutprojekt. Mit „Flags Of Our Fathers“ und „Letters From Iwo Jima“ brachte er gleich zwei Filme in die Kinos, die die Schlacht um Iwo Jima im Zweiten Weltkrieg sowohl von der japanischen als auch von der amerikanischen Seite her beleuchten. Beide Annäherungen an das Thema Pazifik-Krieg sind äußerst gelungene Anti-Kriegsfilme – insbesondere „Letters From Iwo Jima“ wurde von der Kritik im In- und Ausland mit sehr wohlwollenden Worten bedacht. Die Art und Weise, wie sich Eastwood hier in die komplizierte Gemütslage eines ganzen Volkes hineinzuversetzen vermochte, wurde besonders in Japan mit großem Respekt aufgenommen. Zudem konnte Eastwood hier eindrucksvoll beweisen, dass er auch bei riesigem Materialaufwand und mit einem großen Cast nie das Wesentliche, das Menschliche seiner Geschichten aus den Augen verliert.

Erfahrungswerte

Geradezu exemplarisch zeigt sich das bei „Der fremde Sohn“ und „Gran Torino“, den zwei Filmen, die 2008 im Abstand von nur zwei Monaten in die Kinos kamen. „Der fremde Sohn“ mit Angelina Jolie erzählt die unglaubliche aber wahre Geschichte einer Mutter, die auf der verzweifelten Suche nach ihrem verschwundenen Sohn nie die Hoffnung, wohl aber ihre Freiheit verliert. Eastwood fängt perfekt den Geist einer längst vergangenen Ära ein, inszeniert einen Reigen aus Ungewissheit und Bedrohung, fragt nach Grenzen des Gesetzes, den verheerenden Auswirkungen von zu viel Macht.
 
Der Film ist zu Beginn von einer unterkühlten Strenge, die die ganze Tiefe der Emotionen nur ahnen lässt, baut nach und nach aber eine Intensität auf, der man sich bald nicht mehr entziehen kann und entlädt sich schließlich in einem Finale, das mitreißend, berührend und schockierend in gleichem Maße ist. Wieder einmal bringt Eastwood hier Seiten an seiner Hauptdarstellerin zum Vorschein, die man vorher nicht kannte, holt interessante Fassetten und eine ganz eigene Interpretation voller Verständnis aus Angelina Jolie heraus, die man so nicht unbedingt erwartet hätte.
 

Auf der gelungenen Blu-ray von „Der fremde Sohn“ bekommt man einen Eindruck davon, welche Atmosphäre auf einem Eastwood-Set herrscht. Ruhig, gelassen und doch hochkonzentriert führt er das gesamte Team, er wirkt wie ein väterlicher Freund, der Autorität und Kompetenz allein durch seine unglaubliche Präsenz ausstrahlt. Hier und da ein entspanntes „Go ahead“, oder „Whenever you’re ready“ anstatt des üblichen „Action“ – sobald die Szene im Kasten ist, ein ebenso lässiges „OK“ anstelle des branchenüblichen „Cut“. Diese ganz eigenen, angenehm unaufgeregten Regieanweisungen rühren noch aus den Westerntagen seiner Karriere her, als man nach einem Weg suchte, die Darsteller und besonders die Pferde zu Beginn einer Szene nicht jedes Mal in kontraproduktive Nervosität verfallen zu lassen. Die Schauspieler wissen besonders solche kleinen Details an seiner Arbeitsweise zu schätzen – nicht umsonst reißt sich ganz Hollywood um eine Zusammenarbeit mit ihm.
 

Für die Hauptrolle des verbitterten Kriegsveteranen Walt Kowalski in „Gran Torino“ allerdings kam niemand anderer in Frage als Clint Eastwood höchstpersönlich. Da ist er wieder, der wortkarge und desillusionierte Einzelgänger, der lediglich sein treues Pferd gegen einen ebenso treuen Ford Torino eingetauscht hat, mit Amerika im Herzen und der halben Welt auf Kriegsfuß. Doch wie Eastwood selbst hat auch dieser Haudegen einen weiten Weg hinter sich. Er greift nicht mehr blind zur Selbstjustiz wie einst der namenlose Reiter oder Dirty Harry, sondern findet einen anderen Weg zur Gerechtigkeit: subtiler, eleganter, wirkungsvoller und eindrücklicher. Eben ganz wie Clint in den Filmen seines Spätwerks. Hier hat einer seine Lektion gelernt, die Attitüde und die Methoden eines Harry Callahan scheinen ihm heute fast peinlich zu sein. Gewalt ist für den älter und weiser gewordenen Eastwood weder eine Option, geschweige denn eine Lösung. In Interviews distanziert er sich immer wieder ausdrücklich von Brutalität in jeder Form, baut auf Verständigung, Menschlichkeit und Gerechtigkeit. 

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