Die Schöpfer der Technologien im Porträt
Lange bevor Apple mit dem iPod die Musikwelt revolutionierte und Songs nur noch als Bits und Bytes über das Internet gehandelt wurden, sorgte ein Mann dafür, dass die Digitalisierung ganz im Einklang mit der Musik stand. Norio Ohga, bis 1995 Vorsitzender Sonys, war Zeit seines Lebens ein Musiknarr.
Als aufstrebender Musikstudent lernte Ohga sein Handwerk nicht nur in der japanischen Hauptstadt, sondern auch in Berlin und München. Seine enge Freundschaft mit berühmten Orchesterleitern wie Herbert von Karajan und sein feines Gespür für technologische Zusammenhänge sorgten für die digitale Revolution im Musikbusiness: Aus der analogen Schallplatte wurde die digitale Compact Disc – bevor eine Gruppe von Deutschen den nächsten Schritt in der digitalen Audioevolution einleiten sollte.
Ohga zehrte nicht nur von seinen praktischen Erfahrungen im Bereich der Musik, sondern auch von seinen guten Beziehungen zum niederländischen Unternehmen Philips. Als Ohga im Sommer 1978 in die Philips-Zentrale nach Eindhoven eingeladen wurde, präsentierte man ihm einen silbernen, mit nur 11,5 Zentimeter (cm) Durchmesser überaus kompakten Datenträger, der sogar für den mobilen Einsatz (z.B. im Auto) geeignet war. Ohga war sich sicher: Dieser Datenträger kann die Welt der Musikwiedergabe verändern.
Beethovens Neunte
Philips orientierte sich vor allem am praktischen Einsatz: Der Durchmesser der Scheiben sollte 11,5 cm nicht überschreiten, damit diese auch in kleinere Jackentaschen passen und bei der Quantisierung der Daten gab man sich mit 14-Bit-Auflösung zufrieden, um die Kosten für die Abspieltechnik niedrig zu halten.
Ohgas Faible für die klassische Musik machten Kompromisse aber unmöglich: Die Quantitisierung durfte eine 16-Bit-Auflösung nicht unterschreiten, je feiner die Auflösung, desto näher kam der digitalisierte Datenstrom dem analogen Original. Auch zur Größe der Scheiben hatte Ohga seine ganz eigenen Vorstellungen, denn eine Erhöhung des Durchmessers von 11,5 auf 12 cm erhöhte auch die Laufzeit von 60 auf rund 75 Minuten (min) (exakt: 74 min und 42 Sekunden).
Ohgas schlüssige Begründung: „Genau, wie sich der Vorhang nicht während einer Oper zur Hälfte senkt, sollte ein Datenträger Platz genug für Beethovens gesamte 9. Sinfonie bieten.“ Ohga war als ausgebildeter Konzertmeister der ideale Stratege, um die notwendige Laufzeit für Musik-Aufnahmen zu definieren.
Musik für die Welt
Das CD-Format war vom Start weg so erfolgreich, dass immer mehr Anbieter auf den Vermarktungszug aufsprangen. 1988, nach nur 6 Jahren, hatte die CD mit einer weltweiten Verbreitung von 100 Millionen Einheiten die Schallplatte bereits eingeholt und 1992 um das Dreifache überflügelt. Norio Ohga blieb dagegen, auch auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, seinen Wurzeln treu: Aus dem Wunderkind und späteren Sony-Vorsitzenden wurde ein begnadeter Dirigent und Opernsänger, der die Nähe zur Musik bis zu seinem Lebensende suchte und auch fand.
Digitale Evolution
Während die CD langsam begann, sich auf dem Markt zu verbreiteten, entwickelte eine emsige Gruppe rund um Karl-Heinz Brandenburg am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen ein digitales Audio-Komprimierungsformat mit dem Namen MP3. Die Entwicklung beruht auf der Idee, Musiksignale über Telefonleitungen zu übertragen. Bereits 1987 gelingt der erste Meilenstein, indem man Musik erstmals in Echtzeit codierte. Weitere Entwicklungen wie der OCF-Algorithmus bildeten die Grundlage für den späteren MP3-Codec.
Im Jahr 1991 ist die technische Entwicklung des MPEG-1-Standards abgeschlossen, von dem Layer-3 der effizienteste und zugleich aufwändigste unter ihnen ist. 1995 bekommt MP3 seinen heutigen Namen. Nur drei Jahre darauf beginnt die Ära tragbarer MP3-Player mit der Markteinführung der ersten Modelle. Deren Beliebtheit, fallende Preise für Speicher und die Ausbreitung des Internets sorgten für den großen Erfolg des Formats.