Avengers: Age Of Ultron
Im Gespräch mit Joss Whedon, Teil 2
Führt Captain America die Gruppe weiterhin an? Und bleibt Iron Man der geniale Kopf hinter diesem immens starken Körper?
Captain America und Iron Man haben tatsächlich die verschiedenen Hälften der Gruppe repräsentiert und sind auch in diesem neuen Film sehr stark in der Position der Anführer. Als Zuschauer kann man sich davon überzeugen, wie gut sie gelernt haben, zusammenzuarbeiten – und wann das dann doch nicht funktioniert.
Wie beeinflusst denn der zweite Teil von „Captain America“ die Storyline?
Die Ereignisse dieser Fortsetzung beeinflussen uns enorm, weil sie „S. H. I. E. L. D.“ betreffen und diese Organisation ein Teil des „Avengers“-Universums ist. Sie arbeiten nun unter einer ganz neuen Prämisse zusammen: Es gibt keine übermächtige Organisation mehr, die über sie wacht. Auch wegen der Ereignisse in der Fernsehserie hat sich einiges verändert. „Agents Of S. H. I. E. L. D.“ hat gezeigt, dass da draußen noch jede Menge Figuren mit besonderen Kräften herumspuken. Es gibt eine ganze Reihe von TV-Serien, die dieses Konzept beackern, das ist eine ganz neue Situation. Das ist wohl gerade so ein bisschen wie der wilde Westen für Superhelden: Alles ist möglich!
Warum wollten Sie die neuen Figuren Scarlet Witch und Quicksilver im Film haben?
Diese beiden waren zwei Säulen der Comic- Reihe, als ich sie gelesen habe, und sie sind interessante Charaktere. Keiner von ihnen ist durch und durch ehrlich und geradeheraus. Er kann sehr ungeduldig und eine regelrechte Nervensäge sein – und sie war nicht immer in der besten geistigen Verfassung. Sie sind Kriegswaisen und sie sind beide keine Amerikaner, deshalb bringen sie eine neue Sichtweise auf Amerika und die „Avengers“ ins Spiel. Sie verfügen über Kräfte, die einzigartig sind – und sie sind besonders für mich als Filmemacher aufregend, da sie sehr visuell gelagert sind. Scarlet Witch kann Dinge manipulieren und Gedanken beeinflussen – Quicksilver verfügt über unglaubliche Schnelligkeit: Das sind Dinge, die wir bei Marvel auf der großen Leinwand noch nicht gesehen haben. Das eröffnet mir die Möglichkeit für noch aufregendere und packendere Szenen. Und für die „Avengers“ ist es auch etwas völlig Neues, denn normalerweise stellen sie sich ihren Herausforderungen mit roher Gewalt. Nun sehen sie sich plötzlich mit Kräften konfrontiert, die ihnen unheimlich erscheinen – na gut, außer Thor, denn in Asgard passieren solche Dinge natürlich ständig.
Wie schwer ist es, all diese Figuren und ihre Anteile im Film auszubalancieren?
Die Balance bei all diesen Charakteren zu halten, ist wirklich eine Mammutaufgabe. Ich schwöre ihnen: Ich sage immer, dass mein nächster Film „Wie man ein Lagerfeuer macht“ heißen wird. Da geht es nur um einen Mann mit einem Hund – und den Hund schneid ich am Ende vielleicht auch noch raus! Es ist echt schwierig, aber worum es uns dabei eigentlich geht, ist die Tatsache, dass jeder Charakter wichtig ist, und dass ihre Interaktionen untereinander besser als alles andere unterstreichen, wer diese Figuren wirklich sind. Es ist kompliziert, es hinzukriegen, dass alle ihre Momente haben – aber letzten Endes ist gerade das das Tolle daran, wenn man es denn schafft. So viel in diesem Franchise hat sich darum gedreht, wie die Figuren miteinander umgehen, wie sich das im Laufe der Zeit verändert und was das über sie aussagt. Jedes einzelne Mitglied des Teams hat eine enorme Entwicklung durchgemacht. Glücklicherweise arbeite ich mit Produzenten zusammen, die wirklich verstehen, dass wir das Maximum aus jedem Moment und aus jedem einzelnen Charakter kitzeln müssen. Ich schreibe immer viel zu viel, aber das ist eben Teil dieses Prozesses: Ich liefere erst „Krieg und Frieden“ und dann destillieren wir das Ganze in Richtung Krieg! (schmunzelt)
Schreiben Sie einzelne Szenen manchmal auch noch um, wenn Sie schon drehen?
Ja, ich kann manche Sachen ganz spontan machen. Ich habe an Sitcoms mitgearbeitet und war als „Script-Doctor“ tätig, da geht es viel darum, dass man sofort verschiedene Versionen parat hat. Manche Leute mögen das total. Robert Downey Jr. Zum Beispiel liebt es, die Dinge am Set ein bisschen aufzulockern – um herauszufinden, ob es einen anderen Ansatz für eine Szene gibt, um diesen einen Satz oder jenen besonderen Witz noch ein bisschen besser zu gestalten. Er kommt dann aus der Maske, ich hab eine ganze Reihe an Variationen für ihn parat und sage zu ihm: „Versuch doch das hier mal!“ Das mag ich wirklich. Ich glaube, so etwas gibt dem Ganzen eine regelrecht elektrische Energie, und es ist Teil von dem, was Robert so großartig macht. Andere Schauspieler halten sich wiederum genauestens an das, was ich geschrieben habe, und auch das ist gut. So hat jeder – genau wie die unterschiedlichen Helden – seine eigene Herangehensweise, seinen eigenen Stil. Am Ende ist ohnehin jeder auf das Gleiche bedacht und gibt sein Bestes im Sinne der Story. Sie wissen, dass ich den Hut aufhabe – aber auch mir geht es letztlich nur um die Story. Das respektieren sie, und sie respektieren sich gegenseitig. Sie wollen sich gegenseitig besser machen. Es herrscht eine sehr angenehme und kollegiale Stimmung am Set.
Wie sind Sie Ultron visuell angegangen?
Ultron ist ein computergenerierter Charakter. Der größte Unterschied ist der, dass er in den Comics einfach immer nur ein böse verzerrtes Gesicht hat und er die ganze Zeit herumschreit. Sein Mund bewegt sich im Grunde gar nicht, was natürlich ziemlich leicht umzusetzen wäre. Bei Iron Man ist das ja ähnlich – aber das ist eben der Grund, warum wir so oft die Einstellungen mit Robert „im Helm“ haben. Unser Ultron hat jedenfalls ein bewegliches Gesicht, weshalb wir uns für Performance-Capturing-Aufnahmen mit James Spader entschieden. Auf diese Art und Weise wird viel von seiner verschlagenen und gewieften Art in die Figur kommen. Darauf bauen wir dann auf, denn man muss natürlich noch einiges ändern. Ultron ist fast zweieinhalb Meter groß und komplett aus Metall – aber im Grunde wird das James Spaders Performance sein. Er wollte nicht einfach nur ins Studio kommen und seine Voice-overs einsprechen – und ich wollte auch mehr von ihm. Ich wollte ihn tatsächlich in diesen riesenhaften Metallkörper projizieren!