Avengers: Age Of Ultron
Im Gespräch mit Regisseur Joss Whedon
„Ich will Menschlichkeit. Ich will Abwechslung. Ich will Ideen!“
Mr. Whedon, was bringt eigentlich all die Superhelden aus dem Marvel-Universum für „Age Of Ultron“ wieder zusammen?
Logischerweise spielt dieser Film einige Zeit nach dem ersten „Avengers“-Abenteuer – und auch nach den Ereignissen der Fortsetzungen von „Thor“ und „Captain America“. Die Dinge im Marvel- Filmkosmos haben sich also grundlegend geändert. Unsere Helden haben noch immer eine enge Verbindung untereinander, doch ihr Leben ist jetzt völlig anders. Sie haben keinen Chef im eigentlichen Sinne mehr, weshalb sie ihren ganz eigenen Stil kreieren.
Warum ist Ultron in diesem neuen Teil der große Widersacher der Avengers?
Ultron war über Jahrzehnte hinweg einer der gefährlichsten Gegner der Avengers. Als ich die Comics damals las, tauchte er – in immer neuen Variationen – immer wieder auf und versuchte sie alle auszulöschen. Schon bevor ich für den ersten Teil unterschrieb, wusste ich, dass wir im zweiten unbedingt Ultron haben müssten. Er hat unglaubliche Macht. Er ist ein Roboter, aber er benimmt sich nicht unbedingt wie einer. Er ist vielschichtiger und interessanter, hat jede Menge Vaterkomplexe und ganz offensichtlich ein Problem, seine Wut zu kanalisieren. Er ist außergewöhnlich: Er kann sich selbst vervielfältigen, was nichts anderes heißt, als dass er eine ganze Armee hinter sich hat. Er erschien uns wirklich wie der einzige, der für die Avengers im Augenblick eine echte Herausforderung werden konnte.
Wie würden Sie Ultron beschreiben?
Ultron hat jede Menge Väter, aber letzten Endes ist er das Werk von Tony Stark. Stark und Banner (alias Iron Man und Hulk – Anm. d. Red.) haben zusammengearbeitet, um ihn zu erschaffen – aber Banner bekommt nicht wirklich Anerkennung dafür, weil das Tonys Obsession ist: Er will die Welt mit einem Schlag perfekt machen. Er hat gesehen, wie alles zusammengebrochen ist. Er ist selbst so manches Mal am Ende gewesen und er hat jetzt einfach einen höheren Anspruch an sich selbst: Er will es besser machen. Er war Zeuge der Alien-Invasion im ersten Teil und das hat ihm eine Heiden-Angst gemacht. Den größten Teil von „Iron Man 3“ hat er deswegen mit Angstzuständen verbracht, und so hat sich diese Besessenheit entwickelt, so etwas wie „perfekten Frieden“ auf Erden zu erschaffen.
Und wie will er das erreichen?
Er glaubt, dass er das mit Lokis Zepter und der Technik, die darin verborgen liegt, erreichen kann. Natürlich kann es so etwas wie absoluten Frieden nicht geben, weshalb sich Ultrons Wahrnehmung der Welt so extrem verzerrt, bis er völlig außer Kontrolle gerät. Zusätzlich wird er sich seiner selbst bewusst: Er wird empfindungsfähig und weiß alles, was es zu wissen gibt. Er ist in alle Geheimnisse des Internets eingeweiht, was bedeutet, dass er jedermanns Ideen, Konflikte und selbst das hunderttausendste Kätzchenvideo verarbeiten muss. Seine sogenannte „Mission“ ist es, Frieden zu schaffen – doch sein Weg, das zu erreichen, ist den Status Quo zu beseitigen… und letzten Endes wohl jeden Menschen auf dem Planeten, denn die Menschheit besteht nun mal aus Konflikten. Das ist einfach etwas, das uns unter anderem ausmacht.
Wie passt Thor in diese Geschichte, nun, da Loki nicht mehr die Hauptbedrohung ist?
Die Nachwirkungen der großen Schlacht gegen die Chitauri im Finale des ersten Teils – und die Tatsache, dass Lokis Zepter dabei eine Rolle spielte – fügt Thor ja schon wieder in gewisser Hinsicht in die Handlung ein. Dennoch ist er der mit Abstand am schwierigsten zu integrierende Charakter, da er ja aus unserer normalen Welt heraussticht. Außerdem ist er nun nicht gerade eine Figur, der man jede Menge Hintergrundinformation für die Handlung in den Mund legen kann. Er kann eben nur diese Thor-typischen Sachen sagen, was toll ist und Spaß macht – aber es ist dadurch manchmal schwer, ihn in der Gruppe wirklich relevant zu machen. Chris Hemsworth war sehr geduldig und sein schauspielerischer Input war großartig, denn er weiß, wie schwer es ist, diese Figur in dieser Welt zum Funktionieren zu bringen. Es war gar nicht so leicht, und ich bin schon ein bisschen stolz darauf, dass ich einen Weg gefunden habe, eine Exposition für den Film zu schreiben, in der er die Antworten gibt und nicht die Fragen stellt. Zusätzlich habe ich es geschafft, dass er dabei ganz zufällig mit nacktem Oberkörper herumrennen muss, was mich beinahe glauben lässt, dass ich so eine Art Genie sein könnte! (lacht)
Im ersten Teil ging es ja darum, wie sich die Dynamik des Teams entwickelte, als man die Figuren zusammenbrachte. Wie sieht das im Sequel aus?
Es gibt da diesen Gedanken: „Wir haben sie zusammengeschweißt – jetzt lasst sie uns auseinanderreißen!“ Wenn man die Hintergrundgeschichte solch eines Teams einmal erzählt hat, will man unbedingt herausfinden, worum es im nächsten Kapitel wirklich gehen sollte. Kann dieser große Gedanke eines Superhelden-Teams tatsächlich bestehen? Können sich diese Charaktere überhaupt noch ab, sobald die Gefahr beseitigt ist? Es ist interessant: Man bekommt jede Menge neuer Freundschaften und Konflikte zu Gesicht, man bekommt einen viel tieferen Einblick in die Gedankenwelt aller Charaktere. Man erkennt, warum sie als Team funktionieren und warum nicht; man wird Zeuge der Fehler, die sie machen, und der Lösungen, die sie selbst für die größten Probleme finden.